Die Griechen schenken Alexis Tsipras weiterhin ihr Vertrauen: Nach dem vorläufigen Wahlergebnis bleibt Syriza stärkste Partei im Parlament und wird wohl wieder die Regierung stellen. Kehrt in die griechische Politik nun Stabilität ein? Was erwarten Europa und Deutschland? Und hält die neue Regierung die alten Versprechen?

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Das Ergebnis der griechischen Parlamentswahlen ist vor allem eins: Überraschend. Viele Beobachter sind von einem knappen Rennen ausgegangen. Der Vorsprung von Syriza (nach Auszählung von 50 Prozent der Stimmen: 35,4 Prozent) zur zweitstärksten Partei (28,1 Prozent), der konservativen "Nea Demokratia" (ND), ist nun aber deutlich grösser. ND-Chef Evangelos Meimarakis gratulierte seinem Kontrahenten Alexis Tsipras sogar schon am frühen Abend zum Sieg.

Die Ähnlichkeit der Stimmverteilung zu den Wahlen im Januar ist verblüffend, denn die Hoffnungen auf eine Abkehr von der Sparpolitik, die Syriza und Parteichef Alexis Tsipras noch zu Beginn des Jahres geweckt haben, haben sich für die meisten Griechen inzwischen zerschlagen. Lediglich die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zur letzten Wahl im Januar (63,9 Prozent) deutlich zurückgegangen, auf mittlerweile nur noch 56,1 Prozent.

Alexis Tsipras triumphiert deutlich

"Niemand hat das erwartet", sagt Roula Nezi, Politikwissenschaftlerin und Expertin für griechische Parteipolitik von der Universität Konstanz, über den Wahlausgang. "In den Umfragen zuvor haben sich viele Menschen enttäuscht gezeigt. Wir haben gedacht, dass sie Syriza bei der Wahl dafür bestrafen werden."

Nezi sieht Tsipras als klaren Gewinner der Wahlen am Sonntag. Nur wenige Prozentpunkte hat er im Vergleich zur Wahl im Januar verloren. Seine Widersacher von "Leiki Anotita" (deutsch: Volksunion), eine Abspaltung von Syriza und Befürworter des Euro-Austritts, haben den Einzug ins Parlament mit weniger als drei Prozent dagegen verpasst.

Der linksradikale Flügel von Syriza wurde durch die Wahlen also gestutzt. "Innenpolitisch hat Tsipras seine Position gestärkt", meint auch Julian Rappold, Griechenland-Experte vom Alfred-von-Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen. Der politische "U-Turn" von Syriza zur Sparpolitik sei der Partei nicht zum Nachteil geworden.

Wie stabil ist die neue Regierung?

Tsipras hat als Chef der stärksten Partei nun drei Tage Zeit, eine Regierung zu bilden. Er hat bereits angekündigt, erneut mit dem bisherigen Koalitionspartner, der rechtspopulistischen Partei "Anel", zusammenarbeiten zu wollen. Nach aktuellem Stand hätte die neue Regierung eine denkbar knappe Mehrheit. Syriza käme wohl auf 144 Sitze, "Anel" auf 10. Für eine absolute Mehrheit sind 151 der 300 Sitze des Parlaments notwendig.

Bleibt die neue alte Regierung diesmal länger als sieben Monate im Amt? Griechenland-Expertin Nezi ist optimistisch: "Es ist nach den Wahlen im Januar und dem Volksentscheid im Juli das dritte Mal, dass die Menschen für Syriza gestimmt haben." Die Bevölkerung habe Vertrauen zu Tsipras. Das könnte die Grundlage für eine längerfristige Politik in Griechenland schaffen.

Rappold äussert sich mit Blick auf das stark zersplitterte Parteisystem skeptischer. "Ein gewisser Grad an Unberechenbarkeit" bleibe weiterhin. Acht Parteien haben die Drei-Prozent-Hürde übersprungen und erhalten Sitze im neuen Parlament, von der kommunistischen Partei KKE bis zur rechtsextremen Partei "Goldene Morgenröte" (7,2 Prozent), die drittstärkste Kraft wurde.

Als Ministerpräsident muss Tsipras zudem der Spagat gelingen, einerseits die Sparauflagen der Geldgeber zu erfüllen und andererseits die soziale Krise in seinem Land zu lindern. Dabei hat er allerdings wenig Spielraum. "Das Rettungspaket gibt den Plan vor", betont Europa-Fachmann Rappold.

"Die Regierung muss die Reformen umsetzen"

Im August wurde das dritte Hilfspaket für Griechenland in Höhe von 86 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Damit verknüpft sind einschneidende Sparauflagen, wie eine erneute Kürzung der Renten und Steuererhöhungen. Wird die neue Regierung den Reformkurs einhalten? "Ihr bleibt tatsächlich nichts anderes übrig", erklärt Rappold. "Die Regierung muss die Reformen umsetzen, sonst droht dasselbe Szenario wie vor einigen Monaten, als Griechenland vor der absoluten Staatspleite stand."

Die Auswirkungen der neuen Sparmassnahmen werden künftig mit dem Syriza-Chef in Verbindung gebracht werden, glaubt der Experte. "Es bleibt abzuwarten, ob Tsipras auch nach der Umsetzung der Reformen die Unterstützung von der Bevölkerung aufrecht erhalten kann", sagt Rappold.

Immerhin ist ihm im Parlament die Unterstützung von anderen europafreundlichen Parteien wie der "Nea Demokratia" sicher. "Syriza wird kein Problem haben, die Gesetze im Parlament durchzusetzen", bekräftigt Griechenland-Expertin Nezi.

Wie steht Deutschland zu dem Wahlausgang?

Monatelang lieferten sich Ministerpräsident Tsipras und sein früherer Finanzminister Yanis Varoufakis harte Verhandlungen mit den europäischen Geldgebern. Die Beziehung zwischen der deutschen und der griechischen Regierung galt als kühl, wenn nicht gar feindselig.

Umso mehr betonte die deutsche Seite nun, ein vertrauensvolles Verhältnis zu Alexis Tsipras aufgebaut zu haben. Seine Wiederwahl dürfte die Bundesregierung kaum um den Schlaf bringen. "Für die Umsetzung der Reformen ist Tsipras in Regierungsverantwortung wertvoller als in der Opposition", erklärt Rappold. Denn sonst hätte er deren Beschlüsse erheblich stören können.

Auch wenn die Krise angesichts der Flüchtlingssituation derzeit in Europa in den Hintergrund gerückt ist, steht Griechenland immer noch vor enormen Problemen, wie die gigantischen Verschuldung, die hohe Arbeitslosigkeit und die soziale Not vieler Menschen. Zumindest hat das Land nach turbulenten Monaten nun die Chance, mit deren Bewältigung zu beginnen.

Dr. Roula Nezi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz. Nach ihrem Studium in Grossbritannien und Griechenland promovierte sie an der Universität Athen über „Wirtschaftslage, Ideologie und Abstimmung: Parteien und Wahlen in Griechenland“.
Julian Rappold ist Programmitarbeiter am Alfred-von-Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen. Zu seinen Schwerpunkten gehört Griechenland, die Deutsche Europapolitik und die Europäische Aussenpolitik. Er studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Münster, Lyon, Bath und Berlin.
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