Überraschendes letztes TV-Duell zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen: Statt Beschwichtigungsrhetorik dominieren harte Worte die ORF-Debatte zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten am Donnerstag.
Das Lächeln war verschwunden, die Aussagen direkt und vorwurfsvoll. Wie
Daher überrascht es umso mehr, dass gerade von ihm das für den Abend prägende Zitat stammte: "Heute zeigen Sie Ihr wahres Gesicht." Gerichtet war es an Van der Bellen, der in der Tat versuchte, die klassischen Rhetorik-Tricks seines Gegenübers zu entlarven.
Die vier häufigsten Worte, die in der von Ingrid Thurnher moderierten Diskussion verwendet wurden, lauteten: "Das ist eine Lüge" - getätigt von Hofer, gerichtet an Van der Bellen.
Doch worum ging es eigentlich, und warum gerieten die beiden Anwärter für das höchste Amt im Staat derart aneinander?
Möglicherweise waren es die Nerven, die nach elf Monaten Wahlkampf bei beiden blank liegen dürften. In einem Wahlkampf, in dem alles bereits gesagt und thematisiert worden ist, die gleichen Aussagen von Medien Hunderte Male analysiert und zitiert wurden und werden, bleibt wenig Raum für klärende Worte.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sowohl Van der Bellen als auch Hofer die knapp zwei Stunden dafür nutzten, sich gegenseitig ihre Verfehlungen vorzulesen – angefangen von ausgedruckten Hasspostings in den sozialen Medien bis hin zu Anträgen im Nationalrat.
Teilweise erinnerte die Sendung an eine Diskussion zwischen Kindergartenkindern, die sich darüber streiten, wer denn nun die Sandburg des anderen kaputt gemacht hat.
Fairnessabkommen "völlig sinnlos"
Die eingangs gestellte Frage, warum man sich nicht auf ein Fairnessabkommen geeinigt habe, hatte sich am Ende der Sendung von selbst beantwortet.
Nach Hofer hätte diese gar nichts gebracht: "Das funktioniert in der Praxis so gut wie nie. Selbst wenn wir eines vereinbaren würden, können wir nicht auf andere Menschen Einfluss nehmen. Es gab eigenartige Satireformate, Hasspostings, sehr persönliche Postings an meine Frau – alles das kann ein Abkommen nie einschliessen. Nur die Kandidaten selbst können fair sein und ich glaube, dass uns das gelungen ist", meinte der Dritte Nationalratspräsident noch zu Beginn der Sendung.
Am Ende konnte man das nicht mehr unterstreichen. Mit ein Grund war die Antwort Van der Bellens auf die Hasspostings. Zwar gab er Hofer zunächst Recht und sagte: "Man kann nicht auf alle Einfluss nehmen."
Doch dann setzte der Ex-Grünen-Chef mit einer persönlichen Geschichte nach: "Was mich tief getroffen hat, ist Ursula Stenzel, die meinen Vater mehrmals als Nazi bezeichnet hat." Er sei seit 50 Jahren tot und man diffamiere tote Menschen nicht.
Hofer zu Vaterbild von Van der Bellen: "Schweres Foul"
Für Hofer eine rote Karte. Er bezeichnete das Foto klar als "schweres Foul" und konterte: "Hören Sie auf Mitleid haben zu wollen, mir geht es auch so."
Damit war die Vorlesestunde eingeläutet und beide übten sich bis zum Ende der Diskussion in der Opferrolle.
Ein schwerer Fehler, wenn es nach Kommunikationsprofi Georg Wawschinek geht: "Vom Präsidenten erwartet man Führungsqualität."
Eine Problematik, die sich über den gesamten Wahlkampf gelegt hat, zeigte sich auch in dieser letzten TV-Debatte: Es wurde kaum über Themen gesprochen, die für das Amt des Bundespräsidenten tatsächlich relevant gewesen wären.
Allerdings muss man an dieser Stelle festhalten: Das ist durchaus hausgemacht - beispielsweise, wenn sich Hofer auf Plakaten und Inseraten als Retter der Bauern inszeniert und faire Milchpreise garantieren möchte.
Darauf angesprochen meinte der gebürtige Steirer: "Wir müssen die diplomatischen Wege gehen. Wir müssen die Russlandsanktionen aufheben. Wir brauchen diesen Absatzmarkt."
Sicherheit, Asylpolitik und Berufsheer
Der erste grosse Themenblock der Sendung: die Sicherheit. Van der Bellen dazu: "Bundesheer, Polizei und Sicherheitsdienste machen eine sehr gute Arbeit. Es ist aber nicht nur die physische Sicherheit wichtig, sondern die soziale Sicherheit. Hier gilt es dafür zu sorgen, den Ärmsten zu helfen. Wenn wir das vernachlässigen, wird auch der physische Begriff infrage gestellt."
Hofer wollte Obdachlose nicht generell in Schutz nehmen: "Das sind organisierte Organisationen", erklärte er und zielte dabei wohl auf den Vorwurf der Mitleidsmasche in einigen Fällen.
Lob fand Hofer für Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Den Grund für das sinkende Sicherheitsgefühl sei "natürlich eine falsche Asylpolitik. Die Interessen der Österreicher gehen vor".
Dabei warnte Hofer auch vor den potenziellen IS-Terroristen: "Wir haben 200 Terroristen im Land. Viele davon sind auf freiem Fuss. Wenn sich jemand dem IS anschliesst hat jemand die Staatsbürgerschaft zu verlieren und darf nicht mehr nach Österreich zurückkehren."
Ganz anders dazu Van der Bellen: "Für mich ist Staatsbürgerschaft etwas so Wichtiges, dass man das nicht aberkennen kann."
Dem Grünen-Kandidaten wäre ein Berufsheer, wie es sie in den meisten Staaten der EU gibt, sympathischer. Dass er für die Abschaffung des Zivildienstes gewesen sei, verneinte er zunächst.
Nachdem er von Hofer mit einem anders lautenden Zitate aus dem Jahr 2002 konfrontiert wurde sagte er, er habe nie gemeint, den Zivildienst ganz abzuschaffen, sondern ihn nur in seiner Form zu ändern.
Für Hofer ist die Wehrpflicht wichtiger und wesentlich. Allerdings bekräftigte er die Forderung nach einer gemeinsamen Armee in der EU - bei bleibender Neutralität von Österreich. Auch Van der Bellen wolle die Neutralität nicht aufgeben: "Wenn es eine europäische Armee gäbe, wäre es mit der Neutralität nicht vereinbar."
Van der Bellen zur EU: "Arbeitsplätze nicht aufs Spiel setzen"
Das zweite grosse Thema: Europa. Österreich übernimmt 2018 die EU-Präsidentschaft. Die Frage an beide lautete, wie das Land diese Rolle wahrnehmen und nutzen sollte. "Ich habe nach dem Brexit damit gerechnet, dass die EU aus diesem Votum etwas lernt. Das ist bis dato nicht passiert. Für Österreich ist es wichtig, sich für eine subsidiäre Union einzusetzen", meinte Hofer.
Van der Bellen forderte: "Österreich sollte sich als Mitglied eines Friedens- und Freiheitsprojektes sehen. Gerade für junge Menschen ist es wichtig, dass man sich einen Arbeitsplatz aussuchen kann, wo man will. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 500.000 Arbeitsplätze durch die Wirtschaftsintegration in die EU entstanden sind. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Österreich darf sich auch nicht gegenüber dem Ausland abschotten."
Gleichzeitig forderte Van der Bellen, über eine Strukturreform der EU nachzudenken: "Hier kann man sich vielleicht etwas von den USA abschauen. Dort haben die Staaten unabhängig von ihrer Grösse zwei Sitze im Senat." Darauf folgte ein Wortgefecht mit Hofer, der diese Forderung stark kritisierte und die Rolle Österreichs gefährdet sieht: "Das ist ein Zugang, den ich nicht befürworten kann. Das ist zentralistisch."
Hofer will in Österreich vermitteln
Was können die beiden Kandidaten im Ausland bewirken? Dazu hatte Van der Bellen ein klares Bild parat: "Der Präsident ist eines der Gesichter von Österreich nach aussen. Er kann hinter den Tapetentüren Dinge erreichen, weil er nicht auf tägliche Schlagzeilen angewiesen ist. Heinz Fischer hat gezeigt, was er kann, nämlich als Türöffner für Wirtschaftsaufträge. Er war immer wieder mit Wirtschaftsdelegationen sowie Kulturdelegationen unterwegs."
Etwas vorsichtiger gab sich Hofer: "Aussenpolitik wird auch viel vom Aussenminister getragen. Als Präsident kann man beispielsweise bei Sanktionen gegen Österreich diese abzuwenden versuchen. Ein Präsident muss auch darauf achten, dass das Land Gewicht hat in der Welt."
Eine klare Haltung hat Hofer zu Saudi Arabien: "Solange es in Saudi Arabien die Todesstrafe gibt, ist ein Dialog nicht möglich." Dass man sich aus wirtschaftspolitischen Gründen ein Abbrechen der Beziehungen nicht leisten könne, verneinte Hofer: "Man muss Haltung zeigen. Wenn wir die Abhängigkeiten verringern, dann wird es auch weniger Probleme geben, was Menschenrechte anbelangt."
Zum WKR-Ball meinte Van der Bellen, er habe nichts dagegen, den Ball in der Hofburg stattfinden zu lassen - sofern keine Vertreter des rechtsradikalen Spektrums dabei seien. Hofer wolle den Ball nicht besuchen, das wäre in seinen Augen "sehr einseitig".
"Kompetenzen nicht falsch ausnützen"
Zum Abschluss auf die wichtigsten Eigenschaften eines Präsidenten befragt, antwortete Hofer: "Ein Bundespräsident muss zuhören können. Natürlich kann er keine Ersatzregierung sein, aber sein Wort hat hohes Gewicht." Zudem forderte er eine Schnittstelle zwischen Regierung und Rechnungshof.
Ein Präsident muss laut Van der Bellen "parteiübergreifend tätig werden und Solidarität ernst nehmen. Und er darf seine Kompetenzen nicht falsch ausnützen".
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