Wie stehen die beiden Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander Van der Bellen (Grüne) zu den Themen dieser Tage – aus Sicht eines potenziellen Bundespräsidenten? Der ORF-Report hat beide Kandidaten zu einem Interview geladen.

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12 Tage vor der Wahl gibt es naturgemäss kaum mehr Überraschungen in den Haltungen der beiden Präsidentschaftskandidaten. Hauptsächlich geht es darum, die noch unentschlossenen Wähler zu gewinnen.

Aus diesem Grund geben sich sowohl Norbert Hofer wie auch Alexander Van der Bellen äusserst schaumgebremst. Wir haben die Meinungen nach Themenblöcken zusammengefasst.

Rhetorik und Angstmache der FPÖ

Diese Fragen waren allein Norbert Hofer gewidmet, der durch seine NLP-Vergangenheit und durch sein Mitwirken am FPÖ-Programm immer wieder mit martialischer Sprache aufgefallen ist.

Er beschäftige sich natürlich auch mit einem möglichen Bürgerkrieg, schliesslich mache das auch die deutsche Bundeswehr. Und in Paris gäbe es Orte, an denen die Polizei nicht mehr präsent sei. Aus diesem Grund unterstütze er eine finanzielle Unterstützung der Polizei und des Bundesheeres.

Zu dem martialischen Auftreten der FPÖ durch Sätze wie etwa, dass die Österreicher und Europäer aussterben würden, meinte er: "Das ist nicht martialisch, es gibt Statistiken, die das bestätigen." Mit Zahlen und Fakten halte er es nicht so streng, meinte Hofer.

Angesprochen auf die Formulierung "die Gebärmutter sei der Ort der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in Österreich" im FPÖ-Parteiprogramm, gab er zu, dass es durchaus missverstanden werden könne. Ein Problem sieht er darin nicht.

Position Österreichs und Zuwanderung

Was die Position von Österreich betrifft hatte Van der Bellen ein klares Ziel: "Ich will ein liberales, weltoffenes Österreich. Wovor ich warne ist, die alten Grenzen hochzuziehen." Ihm gehe es darum europäische Interessen zu bündeln, um in der Auseinandersetzung mit den USA, Russland und China zu bestehen.

Anders Hofer: für ihn ist eine zu starke Konzentration auf die EU nicht der Weisheit letzter Schluss. Im Gegenteil: Österreich dürfe nicht alles aus der Hand geben. Bei der Zuwanderung war sein Standpunkt weiterhin: Nicht alle Flüchtlinge sollten zurückgeschickt werden, aber Geldzuwendungen müssten gekürzt werden.

Alexander Van der Bellen überraschte bei dieser Frage mit dem Statement: "Es kommt darauf an, auf welcher Rechtsgrundlage die Abschiebung erfolgt und wohin sie abgeschoben werden." Wenn ein Asylgrund nicht vorliege, müsse man eine Abschiebung aber akzeptieren – zudem könne man durchaus darüber nachdenken manche Geldzuwendungen mit Sachleistungen zu ersetzen. Allerdings nur, wenn das Wohnen weiterhin gesichert sei.

Was die Integrationsfrage betrifft, blieb Van der Bellen bei der Meinung: "Es sei nicht realistisch, dass sich jeder sofort integriert." Manche könnten das nicht so schnell.

Religion und Islam

Erneut auf seinen Sager angesprochen, dass es keine muslimischen Pflegekräfte in Österreich gäbe, änderte Hofer diesmal seine Meinung etwas ab: Natürlich gebe es bis zu 60.000 Pflegekräfte mit muslimischen Hintergrund. Diese seien aber liberale Muslime und keine "radikalen". "Ein streng gläubiger Moslem wird seiner Frau nicht erlauben solche Tätigkeiten auszuüben", sagte Hofer. Jene Muslime, die bei uns als Pfleger arbeiten würden, seien aus Ländern wie Serbien.

Der einzelne Moslem gehöre natürlich zu Österreich - sofern er unsere Kultur schätze. "Aber jene, die vor dem Stephansdom mit Gewalt aufeinander losgehen, die sehe ich nicht so gern in Österreich."

Ganz anders Van der Bellen. Er habe zwar nichts gegen das Kreuz im Klassenzimmer, aber auch eine Lehrerin mit Kopftuch sei in seinen Augen kein Problem - sofern sie eine gute Lehrerin sei.

Steuerpolitik

"Ich möchte nicht, dass wir uns unsere Hoheit über Steuern der EU übergeben. Ich möchte hier nicht fremdbestimmt sein", meinte Hofer und wehrte sich auch gegen eine Erbschaftssteuer.

Diese ist wiederum für Van der Bellen durchaus eine Option. Allerdings plädierte er auch für eine Senkung der Einkommenssteuer.

CETA und Regierungsentlassung

Hofer wiederholte seine Forderung nach einer Volksabstimmung über CETA. Vorher würde er nicht unterschreiben. Natürlich sei ihm bewusst, dass er als Präsident keine Volksabstimmung direkt anordnen könne. Doch er könne die Regierung blockieren.

Mit einem Sager überraschte Hofer: "Ich möchte für mehr direkte Demokratie in Österreich sorgen". Sie ist insofern spannend, weil er damit offen zugibt, nicht zu 100 Prozent nach dem derzeitigen demokratischen System handeln zu wollen.

Auch die Regierungsentlassung verteidigte er: "Der Präsident muss das Recht haben, die Regierung zu entlassen, damit es eine Sicherheit gibt. Damit Regierungen nicht machen was sie wollen."

Ebenfalls gegen CETA ist Van der Bellen: "Wir haben hierzulande Interessen der Arbeiter und Bauern zu vertreten." Zu Volksabstimmungen sagte er: diese seien in Österreich vorgeschrieben, aber nur wenn es um Verfassungsänderungen gehe. Es komme auf die tatsächlichen Interessen an. Er betonte: "Über eine Volksabstimmung entscheidet nur der Nationalrat."

Türkei

Van der Bellen: "Die Beitrittsverhandlungen, sofern sie noch laufen, betreffen die Menschen, die dort leben. Das sind alles wichtige Dinge und die Türkei bleibt ein Nachbar. Alle Türen zuzuschlagen wäre nicht klug."

Hofer ist bekanntermassen gegen eine Weiterführung der Gespräche. Politisch Verfolgte könnten aber natürlich in Österreich um Asyl ansuchen.

USA und Donald Trump

Norbert Hofer: "Österreich ist ein neutrales Land und hat als Vermittler schon viel geleistet. Diese Rolle sollten wir auch in Zukunft stärker ausüben." Einladungen nach Russland und in die USA gebe es bereits. Ein Wunsch von Hofer: Ein gemeinsames Gipfeltreffen in Wien.

Van der Bellen gab sich neutral: "Als Präsident muss man die Interessen Österreichs vertreten. Das Wichtigste ist, dass wir als Europäer in diesen Fragen zusammenhalten."

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