Norbert Hofer und das mysteriöse NLP: Was hat es mit der Technik auf sich und was macht die Kommunikation der FPÖ erfolgreich? Wir haben bei Kommunikationsexperte Walter Otto Ötsch nachgefragt.
Noch nie hat die Wahl zum Österreichischen Bundespräsidenten soviel internationale Aufmerksamkeit erfahren wie das politische Duell von
Herr Ötsch, hat sich die politische Kommunikation in Österreich durch den Wahlkampf geändert?
Walter Otto Ötsch: Eigentlich nicht. Die FPÖ ist ihrer Kommunikationslinie seit vielen Jahren treu geblieben. Das war insofern überraschend, da Norbert Hofer doch ein anderes Erscheinungsbild an den Tag legt und einen vermeintlich ruhigeren Ton erwarten liess.
Dem war aber nicht so. Man kann in ihm viele Dinge wiederfinden, die Jörg Haider praktiziert hat. Hinzu kommt, dass Hofer ein ausgebildeter Kommunikationstrainer ist und sich seit vielen Jahren mit Rhetorik beschäftigt.
Man kann erkennen, dass er ein grosses Mass an Bewusstsein über kommunikative Muster verfügt und genau weiss, wie er Wirkung erzielt.
Stichwort NLP: Der Begriff geistert seit Wochen in den Medien herum. Was hat es mit dieser vermeintlichen Rhetorik-Wunderwaffe auf sich?
An und für sich hat die Kommunikation, die die FPÖ pflegt, mit NLP nichts zu tun. NLP, also Neurolinguistisches Programmieren, kommt ursprünglich aus der humanistischen Psychologie und wird bei Therapien eingesetzt.
Aber jemand, der sich mit NLP auskennt - wie Herr Hofer -, kann gewisse Elemente für seine Zwecke verwenden. Hofer nimmt sich bestimmte Teile heraus und setzt sie für seine Kampf- oder Crash-Rhetorik ein.
Wieso kommt diese Kommunikation an und ist so das auf lange Frist sinnvoll?
Crash-Kommunikation dient dazu eine bestimmte Sicht der Welt zu vermitteln. Die FPÖ besitzt ein einfaches Weltbild. Es gibt nur zwei Gruppen: die "Wir" und die "Die", die sich in einem Kampf befinden.
Wir bedeutet "das Volk", "die Menschen", "die Österreicher". Sie leiden unter dem "System", das "Die" errichtet haben. Das sind die "da oben", die Elite, das Establishment, oder die "da draussen", wie die EU oder die Flüchtlinge.
Dabei sind die "Wir" immer positiv besetzt, die "Die" immer negativ: ein einfaches Schwarz-Weiss-Schema. "Wir" sind von "Denen" bedroht und "Wir" haben "uns" gegen "Die" zu wehren. Diesem Schema kann man alles in der Politik zuordnen.
Im Augenblick beobachten wir in vielen reichen Ländern, dass sich eine Welle von Enttäuschung und Wut breit macht. Die FPÖ bündelt diese Wut und übersetzt sie in ihr Gut-Böse-Schema, mehr macht sie nicht.
Und ich habe den Eindruck, dass die grossen Parteien diese Wut und diese Übersetzung nicht wirklich verstehen. Sie sprechen die Sorgen und Ängste von Menschen, denen es nicht so gut geht, viel zu wenig an und vermitteln zu wenig positive Zukunftsbilder.
Hat das Team rund um Alexander Van der Bellen die Wirksamkeit von derartiger Kommunikation unterschätzt?
Ja. Die FPÖ hat es immerhin geschafft, Van der Bellen zu diskreditieren, und hat damit bei vielen Wählern Anklang gefunden. Es gelang ihr, Van der Bellen als Teil des "Systems" darstellen.
Es ist schon bemerkenswert, in welchem Ausmass das erreicht wurde. Vergleichen Sie das Durchschnittsimage, das Van der Bellen jetzt hat, mit dem vor einem Jahr.
Wie kann man sich gegen diese Art der Kommunikation verteidigen?
Man darf auf inhaltliche Vorwürfe wenig oder gar nicht eingehen und sollte immer die Art der Angriffe direkt auf die Person thematisieren.
Van der Bellen hat das zu wenig gemacht. Er hätte die Möglichkeit gehabt in seiner Kampagne die Menschen über die Art der Kommunikation aufzuklären, die die FPÖ auszeichnet.
Unabhängig vom Wahlausgang erleben wir jetzt einen starken Rechtsruck in Österreich. Die FPÖ ist zur unangefochten stärksten Partei im Lande geworden- und: sie ist die einzige Arbeiterpartei.
Was sollten die Österreicherinnen und Österreicher über rechtspopulistische Kommunikation wissen?
Dass sich diese vorwiegend durch Angriffe direkt auf die Person definiert und nicht durch Argumente zur Sache. Die FPÖ ist ja nicht einfach eine andere Partei, sondern eine Partei, die "das System" verändern will, und immer Verschwörungstheorien verbreitet.
Das erklärt auch ihre Aggressivität, mit der sie gegen Andersdenkende vorgeht. Der neue Rechtspopulismus in Europa - unter Einschluss von Donald Trump in den USA - propagiert den Kampf der "Wir" gegen "Die" und stellt dabei die Legitimität der Demokratie in Frage.
Die Demokratie ist für sie nicht mehr in der Lage, die anstehenden Probleme zu lösen, das "System" muss verändert werden. Die Lösung ist ein viel autoritäreres System. Ein Teil der Bevölkerung hört mehr und mehr auf an einen demokratischen Rahmen zu glauben.
Interessant ist, wie schnell dieser Vorgang im Augenblick abläuft. Man kann auch in den USA beobachten, wie stark die Diskreditierung der Eliten voranschreitet.
Diese Kritik an den sogenannten Eliten war ja auch hierzulande ein Thema im Wahlkampf.
Das ist gerade für die FPÖ ein erstaunliches Argument. Denn der harte
Den anderen, die in ihren Augen das "System" verkörpern, muss dabei immer eine schlechte Intention unterstellt werden. Das konnte man an den vielen Unterstützern Van der Bellens sehen: Jeder einzelne wurde in irgendeiner Weise kritisiert und negativ dargestellt. Keiner von ihnen – egal was er oder sie geleistet hat – ist als Person in Ordnung.
Wie wird sich die Art der Kommunikation ändern, wenn Norbert Hofer Präsident wird?
Der Präsident wird nicht viel verändern, doch die Parteipolitik wird es. Jetzt sind vor allem die Regierungsparteien gefordert, den Menschen, die tatsächlich Ängste und Sorgen haben, Lösungen anzubieten.
Ein Bundespräsident Norbert Hofer könnte für die FPÖ auch ein Nachteil sein, weil viele nicht einen Bundespräsidenten und einen Bundeskanzler zugleich von der FPÖ haben wollen. Dass Hofer so weit kommt, war meines Erachtens auch für die FPÖ eine grosse Überraschung.
Der Wechsel an der Spitze der SPÖ ist durch den Ausgang der ersten Runde in Gang gekommen. Christian Kern hat jetzt einen anderen Kommunikationsstil gewählt, sein Antrittsinterview hatte viele positive Reaktionen zur Folge.
Was macht Kern besser als sein Vorgänger Werner Faymann?
Kern hat erstmals den Unmut in der Bevölkerung angesprochen und damit einen neuen Ton angeschlagen. Dadurch hatte er zumindest das Gehör jener, die diesen Unmut verspüren und ihm Ausdruck verleihen wollen.
Kern hat über den Unmut über die Politik geredet. Viel wichtiger wäre es aber, auch über den Unmut in Zusammenhang mit ökonomischen Problemen zu reden.
Einer Schicht von Menschen geht es in den letzten Jahren schlechter, sie haben keine guten Zukunftsaussichten. Diese Sorgen sollte man ernstnehmen und ansprechen.
Wie schätzen Sie die rechtspopulistische Wende in Europa ein, nur ein Trend?
Ich sehe hier langfristige strukturelle Probleme, vor allem im Zusammenhang mit der Situation seit der Krise 2008/2009. Der Unmut in Europa kann nicht auf die Flüchtlingsproblematik reduziert werden, das hat ja im Wahlkampf gar keine so grosse Rolle gespielt.
Die Zuwanderung hat der AfD in Deutschland Auftrieb gegeben. Aber einen erstarkenden Rechtspopulismus beobachten wir in vielen Ländern. In Polen zum Beispiel gibt es kein Flüchtlingsproblem.
Um wieder auf das Phänomen NLP und Rhetorik-Tricks zurückzukommen: Wie kann man als ungeschulter Laie diese Taktiken erkennen?
Da könnte man viel lernen. Norbert Hofer hat zum Beispiel in den TV-Debatten dauernd die Körpersprache von van der Bellen beobachtet und immer dann, wenn es für ihn vorteilhaft war, darüber einen Kommentar angegeben.
Über die Körpersprache andere reden wir im Normalfall nicht. Indem Hofer das tut, stört er den Kommunikationsfluss, unterbricht ein Sachargument und braucht auf Fragen oder für unangenehme Themen keine Antwort zu geben. Derartige Manöver verschaffen ihm einen Vorteil: Er wirkt stark.
Eine weitere Taktik von ihm war es, einen sachlichen Vorwurf mit einem persönlichen Angriff zu kontern. Wenn der Kontrahent darauf einsteigt, dann entsteht ein Hin und Her an Vorwürfen, jeder unterbricht den anderen, und so weiter.
Das anfängliche Problem tritt damit in den Hintergrund, und Hofer braucht zum Vorwurf sachlich nicht mehr Stellung nehmen.
Eine Grundregel in diesem Diskurs - ich nenne das demagogischen Diskurs - lautet, dass es keinen Sachdiskurs mehr gibt, sondern nur noch einen Diskurs über Personen: eben der Kampf der "Guten" gegen die "Bösen". Wenn man darauf einsteigt, indem man sich verteidigt, dann ist man genau auf dieser persönlichen Ebene gelandet. Da wird es schwierig, Inhalte zu vermitteln.
Hofer ist es auf diese Weise sogar gelungen Van der Bellen auf dem Gebiet wirkungsvoll zu attackieren, auf dem er sich auskennt - er ist ja Universitätsprofessor in Volkswirtschaftslehre. Hofer hat gesagt, Van der Bellen habe noch nie in der Wirtschaft gearbeitet, sondern nur darüber "geredet".
Van der Bellen hat auch hier nicht wirklich gekontert. Er hätte sagen können, dass Hofer damit alle Spezialisten im Land beleidigt.
Die Kommunikationsmuster der FPÖ zu thematisieren, ist auch deshalb wichtig, weil es nicht um Rhetorik allein geht, sondern weil es einen direkten Zusammenhang zu der Diskreditierung der Demokratie gibt. Wenn eine Spezialistenmeinung nichts mehr zählt, dann kann man alles behaupten.
Ähnliches passiert mit den Medien, das kann man an den Vorwürfen gegenüber dem ORF beobachten. Auf kritische Fragen wird mit Vorwürfen gegenüber dem "Staatsfunk" gekontert und die FPÖ ist wieder das Opfer des "Systems".
Aber ein Opfer-Täter-Spiel ist ein Kampf zwischen Personen, Informationen zur Sache werden dabei nicht vermittelt. Auf diese Weise kann man jede Sachdebatte in das Spiel "Die" gegen "Uns" verwandeln.
Was wird passieren, wenn Van der Bellen gewinnt?
Dann wird es spannend abzuwarten, welche Verschwörungstheorien erzählt werden.
Was macht die Kommunikation der FPÖ so erfolgreich?
Die FPÖ hat zum Beispiel seit über 20 Jahren eine einzigartige Bildsprache in ihren Plakaten entwickelt, die sehr wirkungsvoll ist. Dafür zeichnet Herbert Kickl verantwortlich, er hat das schon für Jörg Haider gemacht.
Der Hintergrund für den Aufstieg von Jörg Haider war das verkrustete politische System in Österreich, die dauernde grosse Koalition. Alles war zwischen zwei Lagern aufgeteilt und der politische Diskurs wenig entwickelt.
Haider hat ein starres System mit vielen Manövern und Tabubrüchen erschüttert. Er war ein grosses Talent, auch als Schauspieler. Auf diese Weise wurde die Reichweite der FPÖ langsam ausgebaut und die Grossparteien haben auch – was besonders schädlich war – die Sprache von Haider zum Teil übernommen, auch die Begriffe, die er geprägt hat. Damit wurde sein Denksystem gefördert.
Im Jahr 2000 folgte dann der Tabubruch mit der schwarz-blauen Regierung. Interessant ist auch, dass diese Zeit aus dem politischen Gedächtnis verschwunden ist. Was die FPÖ damals gemacht hat, wird heute kaum noch thematisiert.
Als ehemalige Regierungspartei gehört die FPÖ ja viel mehr zur politischen Elite des Landes, als es die Grünen sind. Aber die Grünen sind für die FPÖ die "Elite" und die FPÖ steht auf Seite des "Volkes".
Wie lautet ihr Fazit, ungeachtet des Wahlergebnisses?
Es geht nicht so sehr um Kommunikation. Ich wünsche den anderen Parteien, dass sie ein Verständnis entwickeln, warum es in der Bevölkerung so viel Ärger und Wut gibt, - und dabei die ökonomische Gründe mitbedenken.
Man sollte die realen Gründe von Ängsten verstehen. Wie kann die Politik Menschen, die wenig Hoffnung haben, eine Perspektive bieten?
Generell geht es dem Land gut, Österreich steht gut da. Aber Teile der Bevölkerung erleben eine Verschlechterung. Sie brauchen eine Stimme in einem Rahmen, der Demokratie fördert und nicht abbaut.
Die FPÖ erschöpft sich in der Anklage und bietet kaum positive Auswege an. Sie beklagt das Schicksal des "kleinen Mannes" und hat in vielen Fällen Massnahmen unterstützt, die für ihn nicht gut waren.
Die FPÖ sollte nach Lösungen befragt werden: was sind ihre sachlichen Vorschläge auf die ökologische Krise, auf die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen oder auf die drohende Altersarmut?
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