Angela Merkel erledigt ihr Treffen mit der Generation YouTube gewohnt unaufgeregt und ohne Anbiedern – auch wenn die Netzgemeinde ihr teils ordentlich zusetzt. Wirklich Neues erfährt man nicht, aber immerhin kennen wir nun das Lieblings-Emoji der Kanzlerin.

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Das war dann doch mal eine etwas andere Frage an die Bundeskanzlerin: "Was ist Ihr Lieblings-Emoji?" Angela Merkel setzt ein glückliches Grinsen auf - ein Smiley, "wenn alles gut ist gern mit Herzchen dran, wenn nicht auch mit Schnute."

Es ist einer der seltenen Momente, in denen der Internetstar AlexiBexi sein Versprechen für dieses besondere Interview mit der Kanzlerin hält und die 63-Jährige ein wenig überrumpeln kann.

Merkel preist den Mindestlohn

"Am 16. August wird alles anders", hatte er ja versprochen, und die Zutaten waren vorhanden: Gleich vier YouTuber durften Merkel interviewen, hintereinander, je zehn Minuten zu einem Themenblock. Keine abgesprochenen Fragen, alles live via Stream ins Netz übertragen - potenziell klangen die Voraussetzungen spannender als das TV-Duell am 3. September mit Martin Schulz, das in mehreren Vorabtreffen peinlichst genau vorbereitet wird.

Doch das Speeddating mit der Generation YouTube läuft dann doch gar nicht so anders als gewohnt. Mal davon abgesehen, dass sich alle duzen.

Der Robin und die Lisa, die Moderatoren, stehen zu Beginn neben einem Bildschirm und einem Laptop und geben nach einem Einführungsvideo schnell ab an die erste in der Reihe, Lisa Sophie alias ItsColeslaw, die ihren Gast aber vorsichtshalber siezt: "Frau Bundeskanzlerin, oder ist Frau Merkel okay?" – "Frau Merkel ist okay."

Frau Merkel und ihre Gegenüber treffen sich im YouTube-Space in Berlin, was futuristisch klingt und wie ein gewöhnliches Fernsehstudio aussieht: Die Kanzlerin und ihre jeweiligen Gesprächspartner sitzen in weissen Ledersesseln, mehrere Bildschirme hängen hinter ihnen, die Fotos zeigen, die wirken wie willkürlich aus einem durchschnittlich belanglosen Instagram-Account zusammengeschnipselt: Hier ein paar Tuben Nagellack, da eine Teetasse, da eine Fotokamera.

Zwischen den beiden eine Karaffe und zwei Gläser mit Wasser. ItsColeslaw beginnt mit Sozialer Gerechtigkeit und einem Parforceritt durch die Themen Bildung, Pflege, Homo-Ehe.

Angela Merkel preist die Fortschritte der letzten Jahre an, niedrige Arbeitslosigkeit, Mindestlohn, der das Land gerechter mache. Wessen Idee der war, sagt sie nicht, sie muss es auch nicht, weil die Politikstudentin es ihr durchgehen lässt.

ItsColeslaw galoppiert lieber durch die Fragen und hakt nicht nach, als Angela Merkel ihr noch immer wenig überzeugendes Statement wieder auftischt, warum sie gegen die Ehe für Homosexuelle gestimmt hat.

Viel Neues, das wird schnell klar, erfahren Politikinteressierte heute eher nicht. Aber darum geht es auch nicht.

Zwei für die Reichweite, zwei für den Inhalt

Es ist nicht das erste Mal, dass Angela Merkel sich auf YouTube einem Gespräch stellt. Im Sommer 2015 setzte sie sich eine halbe Stunde mit Florian Mundt zusammen, besser bekannt als LeFloid.

Der heute 29-Jährige kuratiert auf seinem Kanal News und versieht sie mit eigenwilligen Kommentaren und Sprüchen. Im Angesicht der Kanzlerin wirkte der Zappelphilipp aber plötzlich handzahm und steif, die Presse kritisierte ihn heftig.

Bei "Markus Lanz" erzählte er später, Merkel habe ihn "benutzt, um an die jüngere Zielgruppe ranzukommen." Die Netzgrössen haben, was Politiker wollen: junge Fans.

95 Prozent der deutschen Internetnutzer zwischen 18 und 24 nutzen YouTube mindesten einmal im Monat. Das Video von Merkel und LeFloid verzeichnete bis heute 5,5 Millionen Klicks.

Nun versucht es die Kanzlerin also gleich mit vier YouTubern, die insgesamt fast drei Millionen Abonnenten versammeln.

Organisiert wurde das Interview von einer privaten TV-Produktionsfirma, die auch weitere Spitzenkandidaten interviewen will.

Ihr Personal suchte sie auf den ersten Blick nach dem Motto aus: zwei für die Reichweite, zwei für den Inhalt.

ItsColeslaw studiert Politikwissenschaft, der 31-Jährige Mirko Drotschmann alias MrWissen2go arbeitet als professioneller Journalist und bereitet auf YouTube Videos zu Themen auf wie "Kommen die Vereinigten Staaten von Europa"?

Beide haben pro Video rund 100.000 Zuschauer, ItsColeslaw vor allem mit Themen wie "Peinlich – beim Sex erwischt".

Merkel zieht auf Youtube nicht wirklich

Echte Stars sind vor allem Technik-Freak Alexander Böhm, der sich AlexiBexi nennt und Ischtar Isik, die vor allem Schmink- und Modetipps gibt. Ihre Videos werden regelmässig von bis zu 500.000 Menschen gesehen. Angela Merkel zieht offenbar nicht so gut: Im Livestream schauen rund 50.000 Menschen zu.

Im zweiten Block befragt AlexiBexi die Kanzlerin zur "Autonation Deutschland" und der Zukunftsfähigkeit der wichtigsten deutschen Industrie.

Routiniert referiert Merkel ihre Positionen, zu zaghaft geraten die Nachfragen.

Ja, sie hofft trotz aller Skandale weiter auf die Autoindustrie. Ja, sie glaubt, dass nach Dieselgate die Kontrollen besser werden. Man könnte es langweilig nennen – oder authentisch.

Jedenfalls gibt sich Angela Merkel nicht jugendlich locker, nur weil sie zu einem jungen Publikum spricht.

Als AlexiBexi die Frage herausrutscht, ob Merkel höchstpersönlich Abgas-Stichproben auf den Strassen nehmen will, guckt die Kanzlerin grimmig. "Nein", sagte Merkel unwirsch und unironisch wie immer, "jedenfalls nicht in meinem jetzigen Amt."

"Wie wäre es mit Inhalten?"

Beauty-Expertin Ischtar Isik lächelt Angela Merkel einige geharnischte Fragen entgegen. "Ich kenne nur sie als Kanzlerin", sagt die 21-jährige Erstwählerin. "Die 18 bis 21-Jährigen hatten 2013 die niedrigste Wahlbeteiligung, wo ist der Kontakt verlorengegangen?"

Merkel muss sich mehrmals zurücknehmen, um nicht deutlich zu sagen, dass sie von der Jugend mehr Interesse erwartet. Isik rudert nicht zurück: "Wie wollen Sie die jungen Menschen erreichen ausser alle zwei Jahre auf YouTube aufzutauchen?"

Da wird Merkel fast schon patzig, fängt sich aber ein und redet von verständlichen Wahlprogrammen und ihrem Facebook-Auftritt. "Die Netzgemeinde", auf deren Fragen sich Merkel laut Aussendung des Bundespresseamtes so gefreut hat, reagiert erbarmungslos.

Ein User auf Twitter schreibt: "Merkels Idee um junge Leute zu erreichen ist Facebook … Wie wäre es mal mit Inhalten für junge Menschen?"

Robin und Lisa geben die Frage an die Kanzlerin, die souverän reagiert: "Wenn das nicht ausreicht, müssen uns die jungen Leute schreiben, da kriegt fast jeder eine Antwort, der sich meldet bei der Bundesregierung."

Zuletzt darf MrWissen2Go Fragen zur Aussenpolitik stellen, besonders zur Türkei. "Wie ist ihr Beziehungsstatus mit Erdogan", fragt er.

Frech formuliert, aber aussichtslos: Angela Merkel ist schon ganz anderen Fragen weiträumig ausgewichen.

Sehr deutlich antwortet sie auf die Frage, ob man wegen der Nordkorea-Krise Angst vor dem Dritten Weltkrieg haben müsse: "Nein."

Was sie sich bei den Tweets von Donald Trump denkt, behielt sie aber lieber für sich, auch auf Nachfrage.

So richtig verblüffen lässt sich Angela Merkel an diesem Tag eigentlich nur einmal - als ihr offenbar erstmals zu dämmern scheint, was ihre Gesprächspartner eigentlich so machen.

"Das war übrigens mein erstes Interview gerade", sagte Ischtar Isik zum Abschluss ihrer zehn Minuten, und Merkel stutzt: "Sonst machen Sie immer nur so Selbstdarstellung?"


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