Von einem Scheitern will das BSW am Tag nach der Bundestagswahl nicht sprechen. Und wenn das Ergebnis doch nicht so ausgefallen ist, wie sich die Partei von Sahra Wagenknecht es sich erhofft hat? Dann sind vor allem die anderen Schuld.
Am Ende fehlen 13.435 Stimmen für den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Es hat lange gedauert, bis das Bündnis Sahra Wagenknecht am Wahlabend diese Gewissheit hatte. Letztlich erreicht das BSW ein Wahlergebnis von 4,97 Prozent. Ernst blicken
Von einem "brachialen Scheitern" (Wagenknecht) wollen sie nicht sprechen. Denn: Aus dem Stand so knapp an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern, sei für eine junge Partei wie das BSW ein massiver Erfolg. Mehr noch: Das nach Wagenknecht benannte Bündnis habe die Ergebnisse der Europa- und Landtagswahlen aus 2024 verbessern können.
Warum also hat es nicht gereicht? Die BSW-Analyse am Morgen nach der Wahl lautet: Schuld sind die anderen. Etwa Manfred Güllner, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Die Theorie der Partei: Forsa hat das BSW "auf drei Prozent gesetzt" – und damit zu niedrig eingeordnet. Viele Menschen hätten die Partei nicht gewählt, weil sie wegen der Umfragen davon ausgingen, dass sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde.
BSW will juristische Schritte prüfen lassen – in mehreren Bereichen
Besonders geht es den beiden Vorsitzenden um eine Umfrage, die zwei Tage vor der Wahl veröffentlicht wurde. Wagenknecht bezweifelt, dass es sich bei einer "Abweichung von 66 Prozent" zum Ergebnis am Wahlabend um einen Irrtum oder die Fehlertoleranz handeln könnte. Sie beklagt ausserdem eine "Medienkampagne" gegen das BSW, die sich ebenfalls auf das Wahlverhalten ausgewirkt haben könne.
Dass die Parteichefin regelmässig in TV-Talkformaten aufgetreten und in Interviews zahlreicher relevanter Medien zu Wort gekommen ist, darunter auch bei dieser Redaktion, zählt offenbar nicht. Stattdessen, so die Erzählung, wurde das Bündnis "systematisch niedergeschrieben".
Auch mutmasslich gefälschte Nachwahlbefragungen, die am Tag der Wahl öffentlich geworden sein sollen, nähren für das BSW die Theorie: Ihre Partei sollte kleingehalten werden. Das BSW will das juristisch prüfen lassen und gegebenenfalls Anzeige erstatten: gegen mutmassliche Fake-Accounts, die falsche Nachwahlbefragungen vor 18 Uhr in den Sozialen Medien veröffentlicht hätten.
"Jeder, der das gesehen und ernstgenommen hat, konnte nur abgehalten werden, uns zu wählen. Dass Gegner sich so viel Mühe gemacht haben, uns niederzukämpfen und aus dem Bundestag zu drängen, ehrt uns, ist aber auch ein Rückschlag", sagt Wagenknecht dazu.
Wählen Auslandsdeutsche BSW?
Noch einen Vorwurf hat sie dabei. Deutsche Wählerinnen und Wähler im Ausland kritisierten, dass ihre Stimme keine Berücksichtigung gefunden habe. Der Vorwurf: Durch die knappen Fristen wegen der vorgezogenen Wahl hätten viele von ihnen nicht rechtzeitig die Möglichkeit gehabt, ihre Stimme abzugeben.
Wie viele Menschen davon tatsächlich betroffen waren, ist bislang unklar. Das räumt auch das BSW ein. Trotzdem: Wagenknecht äussert die Theorie, dass gerade Auslandsdeutsche überproportional das BSW wählen, weil sie überproportional viele E-Mails von Auslandsdeutschen bekommen habe, die das BSW gerne gewählt hätten. Auch hier gehe es nun darum, die rechtlichen Schritte zu prüfen – und gegebenenfalls juristischen Einspruch zu erheben.
Eine weitere mögliche Wahlpanne, die das BSW sich vorstellen könnte: In Wahllokalen könnte es Verwechslungen gegeben haben. Zugegeben, eine Spekulation. Aber: Statt des BSW könne dort "aus Versehen" das Bündnis Deutschland gewählt worden sein. Zum Beispiel, weil die Parteien auf dem Zettel direkt untereinandergestanden hätten.
Viel "hätte, wäre, könnte" – und eine Erzählung in der Wahlnachlese, die an die gestohlene Wahl erinnert, von der Donald Trump 2020 fantasiert hat. Das BSW fühlt sich offenbar unfair behandelt. Eigene Fehler wollen die Parteichefinnen nicht einräumen – zumal ja auch von einem Scheitern nicht zu sprechen sei, wie beide betonen.
Wagenknecht nennt Fallstrick Parteiaufbau
Und trotzdem: Wagenknecht nennt den langsamen Aufbau der Partei als einen Fallstrick, auch wenn es aus ihrer Sicht nach wie vor richtig sei, die Interessierten nur nach und nach der Partei beitreten zu lassen. Die Sorge, die sie formuliert: Junge und kleine Parteien können von Neumitgliedern geflutet und völlig verändert oder ins Chaos gestürzt werden. Und dieses Risiko wollte das BSW nicht eingehen.
Ausserdem hat die Parteichefin die Koalitionen in Thüringen und Brandenburg als Problem auserkoren, die ihre Landesverbände dort eingegangen sind. Das habe vielleicht einige Wählerinnen und Wähler verprellt, mutmasst Wagenknecht. Etwa, weil sie gesehen hätten, dass manche Veränderung in einer solchen Koalition nicht so schnell umsetzbar ist. Und, wie Wagenknecht zugibt, einige Themen auf Landesebene allein kaum angegangen werden können.
Wie soll es weitergehen mit dem BSW in der ausserparlamentarischen Opposition? Und wie mit Parteigründerin Wagenknecht im Speziellen? Eine umfassende Analyse steht nach Ansicht der beiden Vorsitzenden so kurz nach der Wahl noch aus. Sie sei eine Aufgabe für die Parteigremien.
Das BSW aber wolle weitermachen – und bei der Bundestagswahl 2029 mit voller Power zurückkommen. Welche Rolle Wagenknecht dabei in Zukunft spielt, lässt sie zumindest an diesem Tag noch völlig offen. Sie habe aber grosse Lust, dass das BSW weiter besteht.
Verwendete Quelle
- Pressekonferenz des BSW in der Bundespressekonferenz
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