Neue FDP oder rechte Protestpartei? Die Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat aus dem Stand 4,7 Prozent bei der Bundestagswahl erreicht. Ein Ausnahmeerfolg in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik. Doch haben die Europakritiker eine Zukunft?
Zwei Millionen Deutsche haben für die AfD gestimmt und damit am Wahlabend für eine grosse Überraschung gesorgt. Den Einzug in den Bundestag hat die Partei zwar verpasst, dennoch ist ihr damit ein grosser Coup gelungen. Erst im Februar hatte sich die Partei unter der Führung einiger Wirtschaftsprofessoren gegründet. Schon der Name sollte der CDU das Fürchten lehren: Er bezieht sich auf den Ausspruch "alternativlos" von Merkel, später zum Unwort des Jahres 2010 gewählt.
Von Beginn an war die AfD in den deutschen Medien umstritten. Für die "taz" bilden die Euro-Skeptiker eine Art "Ultra-FDP". Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" glaubt, dass die AfD eine Zukunft als "Partei der ökonomischen Vernunft" haben könnte.
Wird die AfD von Rechts beeinflusst?
Die prominenten Gesichter der Partei kommen fast alle aus dem national-konservativen und liberalen Lager: AfD-Chef
In den letzten Monaten sah sich die Alternative für Deutschland immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, sie habe rechtspopulistische Tendenzen. Zudem hiess es immer wieder, dass die Partei von Rechts unterwandert werde. Kandidaten und Mitglieder der AfD stehen oder standen teilweise mit tendenziell rechten Kreisen in Verbindung.
Auch umstrittene Wahlplakate mit Slogans wie "Einwanderung ja. Aber nicht in unsere Sozialsysteme" trugen zum Eindruck einer rechtspopulistischen Haltung bei. Eine deutliche Distanzierung zur extremen Rechten von der Parteispitze blieb aus. Dennoch hat die AfD rechten Parteien bei der Bundestagswahl nur wenige Wähler abgefischt. Die stimmenstärkste NPD, die auch mit einer Anti-Euro-Kampagne in den Wahlkampf ging, verlor nur 0,2 Punkte im Vergleich zu 2009 und kam auf 1,28 Prozent.
Laut ARD-Informationen wählten Bürger aus allen politischen Lagern die Alternative für Deutschland. Vor allem frühere Wähler der FDP (430.000) und der Linkspartei (340.000) setzten ihr Kreuz diesmal bei der AfD. Nach Forsa-Daten ist der typische Wähler der Partei männlich und aus dem Osten. AfD-Chef Lucke selbst will sich weder links noch rechts definieren: "Wir sind eine Partei des gesunden Menschenverstands."
Ist die AfD eine Protestpartei?
Doch die wenigsten Wähler gaben der AfD ihre Stimme wegen deren politischen Inhalte. Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen war dies nur für 14 Prozent der Grund für Ihre Wahlentscheidung. Für 67 Prozent war Enttäuschung und Frust über die etablierten Parteien ausschlaggebend. Demnach ist die Anti-Euro-Partei eine klassische Protestpartei.
Auch der Politikwissenschaftler Dr. Andreas Blätte betrachtet das langfristige Potential der AfD mit Skepsis: "Es gibt ein Protestpotential bei den Wählern, das hat bei der AfD ein heute passendes Angebot gefunden." Die kurzfristigen Erfolge von Parteien in der Vergangenheit, wie bei der Piratenpartei oder der Linken, hätten auch oft keine Veränderung in der politischen Struktur hervorgebracht. Bisher habe sich die AfD "ausschliesslich auf Kritik an der Europapolitik fokussiert", für eine dauerhafte Positionierung sei das zu wenig.
Die Ein-Thema-Partei will sich in Zukunft breiter aufstellen. Doch je umfassender und eindeutiger das Programm wird, desto mehr drohen der Partei Flügelkämpfe. Zudem hat die AfD auch auf ihrem Hauptspielfeld Europa und der Euro noch kaum klare Konzepte gestellt. In den polemisch geführten Wahlkampf mischten sich auch krude Behauptungen, wie die Forderung zu einer Rückkehr zur Aussenpolitik von Bismarck.
Hat die AfD eine Zukunft?
Als nächstes Ziel hat die Partei die Europawahl im Mai 2014 in Angriff genommen. Ihr könnte dabei die niedrigere Hürde von drei Prozent für den Einzug ins Europaparlament zugute kommen. Die AfD schielt auch schon zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden Jahr. In Sachsen hat sie immerhin 6,8 Prozent bei der Bundestagswahl eingefahren. Das gute Abschneiden der Partei in Ostdeutschland liegt aber auch daran, dass man dort auf noch keine lange Parteientradition zurückblicken kann, weshalb es mehr Wechselwähler und eine grössere Offenheit für neue Parteien gibt.
Doch ob die bisherige Protestpartei genug Atem hat, auch dauerhaft zu überleben, bleibt fraglich. Für Politikwissenschaftler Blätte ist es für Spekulationen noch zu früh: "Es ist eine lange Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl. Die AfD kann sich bis dahin in Luft auflösen."
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