Auch wenn es die gute Zusammenarbeit der letzten vier Jahre und die Harmonie des TV-Kanzlerduells nicht vermuten liesse: Es gibt deutliche inhaltliche Unterschiede zwischen SPD und Union. Besonders bei den Steuerplänen.

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Wer heute noch einen handgeschriebenen Brief aufsetzt, der ist entweder hoffnungslos altmodisch – oder es geht ihm um eine wirklich ernste Sache. Pathos schreibt sich nun einmal besser mit Füller. Und so griff SPD-Kanzlerkandidat zu diesem schönen Stilmittel, um seine vielleicht schon letzte Patrone im Wahlkampf einzusetzen.

In ganzseitigen Zeitungsannoncen gab er vier Garantien in Handschrift ab: Mit ihm in der Regierung gebe es gerechte Löhne für Männer und Frauen, mehr Geld für Bildung, stabile Renten und ein solidarisches Europa.

Weil Schulz eben nicht hoffnungslos altmodisch ist, trug er die Botschaft auch als Video in die digitale Welt, er fixierte darin die Kamera und sagte: "Eine SPD-Regierung wird diese Vorhaben umsetzen. Sie sind für mich unverhandelbar."

Eine verfrühte Aufnahme von Koalitionsverhandlungen - oder doch noch einmal der Versuch einer Distanzierung von der Union, mit der die SPD so viele Vorhaben gemeinsam durchgesetzt hat, dass sie sich kaum als wirkliche Alternative positionieren kann?

Gibt es überhaupt noch wirkliche Unterschiede zwischen CDU/CSU und der SPD?

Die Wahlprogramme von CDU und SPD im Vergleich

Soziales und Arbeit: Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD

Das Herzstück des SPD-Wahlprogramms ist die soziale Gerechtigkeit, gepachtet hat sie das Thema aber nicht. Die Union schreibt sogar das S-Wort in das Programm: "Wir wissen, dass Solidarität und Soziale Gerechtigkeit unverzichtbar sind."

Überhaupt liest sich das 75-Seiten-Konvolut von CDU und CSU streckenweise, als ob ständig noch jemandem eingefallen wäre, was noch alles wichtig ist für Deutschland. Ein Beispiel: "Die Entwicklung des E-Sports begleiten wir positiv."

Die Genossen nutzen ihre 113 Seiten für mehr Details, gerade in der Sozialpolitik. Hier will die SPD bei Hartz IV nachbessern: Verdopplung des Schonvermögens, Abschaffung der schärferen Sanktionen für Junge, Ausweitung des Anspruchs auf ALG I.

Auf der neuen Agenda steht auch gleicher Lohn für Leiharbeiter, das Recht für Teilzeitarbeiter auf Rückkehr in Vollzeit und die Abschaffung von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen.

In anderen Punkten setzen sich die beiden Parteien die gleichen Ziele, setzen aber andere Instrumente. So sprechen sich beide Programme für die gleiche Bezahlung von Mann und Frau aus, allerdings will nur die SPD auch ein entsprechendes Gesetz.

Auch Vollbeschäftigung wollen beide erreichen, die SPD aber nur als vage Zielvorstellung, die Union mit einer klaren Vorgabe – bis 2025 soll die Arbeitslosenzahl von derzeit 2,5 Millionen halbiert werden.

Steuern: Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD

Wer beide Programme nebeneinander liest, wird viele Überschneidungen finden, bis hin zu gleichlautenden Formulierungen wie "starke Schultern tragen mehr als schwache".

Es gibt aber mindestens einen grossen Unterschied beim Thema Steuern: Die SPD will die Steuerentlastungen durch Steuererhöhungen an anderer Stelle gegenfinanzieren.

So sollen reichere Menschen höher besteuert werden, der Spitzensteuersatz soll ab 76.200 Euro zu versteuerndem Einkommen steigen, zudem eine Reichensteuer kommen (ab 250.000 Euro) und die Erbschaftssteuer mehr einbringen. Die Einführung einer Vermögenssteuer soll zumindest geprüft werden.

Mit den Mehreinnahmen will Martin Schulz vor allem untere und mittlere Einkommen entlasten. Dafür soll für die der Soli für niedrige Einkommen sofort fallen. Zudem soll der Spitzensteuersatz erst später greifen. Insgesamt werde das Volumen 15 Milliarden betragen.

Das verspricht auch die Union, die die kalte Progression ebenfalls abmildern und den Spitzensteuersatz erst ab 60.000 Euro jährlich anwenden wollen.

Auch an den Soli wollen CDU/CSU ran. Der soll laut Union ab 2020 schrittweise abgetragen werden.

Anders als die SPD will die Union den steuerlichen Freibetrag für Kinder langfristig auf den von Erwachsenen anheben.

Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer oder die Einführung einer Vermögenssteuer lehnt Merkel ab. Finanziert sollen die Erleichterungen durch Steuermehreinnahmen werden.

Diese will die SPD lieber reinvestieren, beispielsweise in schnelle Internetverbindungen, Strassen und Schienen, den Ausbau erneuerbarer Energien und Bildung.

Rente: Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD

Auf das TV-Duell folgte die interne Debatte: Angela Merkel hatte vor Millionenpublikum eine Erhöhung des Rentenalters ausgeschlossen, ihr treuer Adlatus Wolfgang Schäuble aber vor Denkverboten gewarnt.

Die Union sieht die Einsetzung einer Rentenkommission vor, die bis Ende 2019 Vorschläge für Reformen erarbeiten soll. Mehr Inhalt bietet die Union da nicht.

Die SPD ist da deutlich konkreter: Schulz will eine "doppelte Haltelinie", das heisst auch über das Jahr 2030 hinweg ein gesetzlich festgelegtes Rentenniveau von 48 Prozent und einen maximalen Beitragssatz von 22 Prozent, der künftig paritätisch finanziert werden soll.

Die Rentenversicherung soll zudem künftig als Bürgerversicherung funktionieren, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen sollen.

Familien: Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD

Hier verteilen beide Parteien ein paar schöne Geschenke: 25 Euro will die Union auf das Kindergeld drauflegen, der SPD schwebt auch eine Erhöhung vor, allerdings soll die Höhe nach Einkommen und Kinderzahl gestaffelt werden.

Beide Parteien möchten Eigentum fördern, CDU/CSU schlagen ein Baukindergeld pro Kind und Jahr von 1.200 Euro vor sowie Freibeträge auf die Grunderwerbssteuer.

Die SPD favorisiert ein Familienbaugeld, damit auch Paare ohne Kinder profitieren.

Wer Kinder betreut oder Angehörige pflegt, soll seine Arbeitszeit reduzieren dürfen, den Verdienstausfall soll ein Familiengeld von 300 Euro monatlich ausgleichen.

Kindertagesstätten und Kindergärten sollen ebenso kostenlos sein wie die Hochschulbildung.

Die Union plant immerhin einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter.

Sicherheit: Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD

Während die Union sich deutlich als Law-and-Order-Partei positioniert, findet sich bei der SPD auch ein Fokus auf Prävention gegen Rechtsextremismus und Islamismus.

Einen Hilfseinsatz der Bundeswehr im Innern und eine Militarisierung der Polizei lehnen die Genossen ab, die Union will den Sicherheitsbehörden dagegen freie Hand geben – sie sollen einfacher Daten erlangen und austauschen dürfen.

Für die Bundeswehr will die Union mehr Geld ausgeben, sie bekennt sich zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato, das die SPD für "unnötig und unrealistisch" hält.

Doch auch in diesem Bereich gibt es dann wieder Ähnlichkeiten. Beide Parteien wollen 15.000 zusätzliche Polizisten einstellen und die Videoüberwachung ausweiten.

Migration: Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD

Im Prinzip ähneln sich die Standpunkte von Union und SPD, die vergangenes Jahr gemeinsam das Integrationsgesetz beschlossen haben: EU-Grenzen kontrollieren, Abkommen mit den nordafrikanischen Ländern schliessen, Asylbewerber innerhalb Europas verteilen, Fluchtursachen bekämpfen.

Die Union bekennt sich jedoch dazu, die Zahl der Einwanderer reduzieren zu wollen, auch wenn das Wort Obergrenze in den "Bayernplan" der CSU verbannt wurde. Merkel lehnt diese weiterhin ab.

Beide Koalitionsparteien wollen in der Regierung die zahlreichen legalen Wege zur Einwanderung in einem Gesetz zusammenfassen, die SPD nennt es Einwanderungsgesetz, die Union Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz.

Abschiebungen wollen beide Parteien verstärkt durchsetzen, die SPD will anders als die Union aber keine Menschen nach Afghanistan schicken.

Wer zwei Jahre lang gut integriert und unauffällig in Deutschland lebt sowie eine Arbeit oder Ausbildung hat, soll nach dem Willen der Sozialdemokraten nicht mehr abgeschoben werden.

Fazit: Und sie unterscheiden sich doch ... vor allem in den vorgeschlagenen Massnahmen

Keine Unterschiede? Das kann man Union und SPD trotz grosskoalitionärem Regieren diesmal nicht vorwerfen.

Zwar sind sich die beiden Parteien in vielen Zielen einig (Steuersenkungen, Familienförderung, Vollbeschäftigung, Verbesserung der inneren Sicherheit u.a.), doch die vorgeschlagenen Massnahmen unterscheiden sich zum Teil erheblich.

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