Das Wahlkampffinale wird spannend. Kanzler und Koalitionen sind noch unklar. Doch vier politische Sieger stehen schon in dieser Woche fest. Egal, wie die Prozentpunkte sich noch verschieben. Sie bilden das Quartett der heimlichen Bundestagswahl-Sieger.

Dr. Wolfram Weimer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Ob das Comeback von Olaf Scholz und seiner noch im Juni halbtot geglaubten SPD wirklich bis ins Kanzleramt trägt, entscheidet sich bis Sonntagabend 18:00 Uhr. Doch ein Sozialdemokrat hat bereits jetzt gewonnen, egal ob es am Sonntag 22, 25 oder 27 SPD-Prozente geben wird: Frank-Walter Steinmeier. Der Bundespräsident steht erklärtermassen für eine zweite Amtszeit bereit. Zum Auftakt des Bundestagswahlkampfs kündigte das Schloss Bellevue überraschend undiplomatisch seine Kandidatur an.

Das war ein ziemlich heikles Unterfangen, denn mit einer 15-Prozent-SPD im Rücken wäre er kaum wieder gewählt worden. Vor allem da er zum Zweitrundenstart seiner Amtszeit bereits 66 Jahre zählen würde und sowohl Union wie Grüne endlich eine Frau im obersten Staatsamt sehen wollten. Alle bisherigen 12 Bundespräsidenten waren betagte Herren.

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SPD-Aufschwung sichert Steinmeiers zweite Amtszeit

Mit Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Ilse Aigner (CSU) waren drei präsidiable Kandidatinnen im Gespräch. Eine schwarz-grüne Bundespräsidentin wäre zudem eine symbolische Signalbesetzung für die neue Formation geworden. Doch der doppelte Absturz von Grünen und Union im Bundestagswahlkampf macht die schwarz-grüne Bundespräsidentin 2022 nun unwahrscheinlich.

Mit einer starken SPD und dem Weggefährten Olaf Scholz im Rücken wird Steinmeiers zweite Amtszeit kaum zu verhindern sein. Neben der SPD hat auch die FDP bereits erklärt, dass sie Steinmeier wieder wählen würde. Bei geschwächten Grünen und Unionisten wiederum gibt es keine politische Handhabe, einen beliebten amtierenden Präsidenten abzusetzen. Steinmeier ist weithin respektiert, macht keine herausragende, aber eine gute Figur. Kurzum: Der Aufschwung der SPD im Bundestagswahlkampf hat ihm wahrscheinlich seinen Job gerettet.

Robert Habeck ist die Führungsfigur der Grünen

Der zweite Vorab-Wahlsieger heisst Robert Habeck. Der Grünen-Vorsitzende wird recht wahrscheinlich neuer Bundesminister (womöglich für Umwelt), da die Grünen sowohl bei Jamaika, Ampel oder rot-grün-rot mitregieren können. Doch sein eigentlicher Sieg besteht darin, dass er in der Machtarchitektur der Grünen ab Sonntag 18 Uhr zur gefühlten Nummer eins seiner Partei aufsteigt. Habeck hat bei den Grünen und in der Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen an Reputation gewonnen, weil er im Bundestagswahlkampf als der stärkere grüne Kandidat wahrgenommen wurde, gleichwohl der strauchelnden Baerbock loyal den Rücken gestärkt hat. Habeck ist bereits Umweltminister in Schleswig-Holstein, verfügt also - im Gegensatz zu ihr - über Regierungserfahrung.

Vor allem aber werden die haarsträubenden Fehler von Annalena Baerbock (Nebeneinkünfte, frisierter Lebenslauf, Plagiatsbuch) ihre Machtfülle künftig schmälern. Innerhalb der Grünen-Spitze hört man: "Sie hatte ihre Chance, sie war historisch gross und sie hat sie versemmelt. Nun ist Robert am Zug." Er dürfte die Koalitionsverhandlungen massgeblich steuern. Vor allem aber steht ihm nun die Tür zur Kanzlerkandidatur 2025 auf. Kurzum: Habeck ist nach diesem Wahlkampf die neue Führungsfigur der Grünen.

Markus Söder: Entweder Strippenzieher der Regierung oder Oppositionsführer

Der dritte heimliche Wahlsieger sitzt in München. Markus Söder hatte um die Kanzlerkandidatur gekämpft und musste Armin Laschet den Vortritt lassen, obwohl seine Umfragewerte dramatisch besser gewesen waren. Am Ende des Wahlkampfs herrscht in der Union der verbreitete Eindruck, dass es "mit Söder besser gelaufen wäre". Daher wird Söder bei dem erwartbar schlechten Unionsergebnis - ähnlich wie Habeck bei den Grünen - innerparteilich nun zur Projektionsfigur für künftige Erfolge.

Sollte die Union noch knapp eine Regierung stellen, avanciert Söder zum starken Strippenzieher im Hintergrund, weil ein schwacher Kanzler von ihm abhängig sein würde. Sollte die Union in die Opposition gehen, dann wird er automatisch zum gefühlten Oppositionsführer und Gralshüter bürgerlicher Politik in Deutschland. Für Söder würde es leichter, seine Landtagswahl in Bayern gegen eine linke oder halb-linke Regierung in Berlin zu gewinnen. Und sein Weg für die Kanzlerkandidatur 2025 wäre frei. In Bayern kursiert daher der Begriff "Wolfratshausen 2". Wie weiland Angela Merkel im Jahr 2002 Edmund Stoiber bei einem Frühstück in Wolfratshausen zähneknirschend die Kanzlerkandidatur überlassen habe, so habe Söder jetzt umgekehrt Laschet gequält den Vortritt gewährt - um ihn verlieren zu lassen. Fazit: Söders Weg in die Zukunft wird heller.

Friedrich Merz geht gestärkt aus dem Unions-Wahlkampf

Der vierte Gewinner des Wahljahres heisst Friedrich Merz. Seine Rückkehr ins Zentrum der deutschen Politik vollzog sich 2021 spektakulär. Er war im Januar bei der Wahl zum CDU-Vorsitz nur knapp unterlegen, aber er fügte sich hernach loyal in den Laschet-Wahlkampf ein. Innerhalb der CDU-Fraktion ist genau registriert worden, dass er als einer der wenigen grossen CDU-Figuren wirklich gewahlkämpft und die grossen medialen Bühnen stark bespielt hat. Da Merz im Januar darauf verzichtet hat, ins Präsidium der CDU einzutreten und sogar, sich über eine NRW-Landesliste abzusichern, ist er im Falle einer krachenden Wahlniederlage unbelastet, autonom und die stärkste Figur in der CDU-Fraktion.

Die Hälfte der Partei, die ihn im Januar wählte, wird sich dann bestätigt fühlen und nun zum Zuge kommen wollen. Sollte die Union die nächste Regierung noch einmal knapp anführen, wird er der Schlüsselminister für Wirtschaft und Energie. Sollte die Union in die Opposition gehen, dann dürfte ihm über kurz oder lang der Fraktionsvorsitz und perspektivisch auch der CDU-Parteivorsitz kaum zu nehmen sein. Ähnlich wie bei Söder und Habeck wird auch er innerparteilich zu einem Rückspiel-Sieger.

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