Friedrich Merz und Olaf Scholz sind am Mittwochabend kurz vor der Bundestagswahl im TV-Duell von "Welt" und "Bild" noch einmal aufeinander getroffen. Der SPD- und der CDU-Kandidat gingen auffällig friedlich miteinander um – Dissens gab es aber beim Thema Bürgergeld. Während Scholz eine Koalition mit Linken und BSW ausschloss, wurde Merz in einem Moment so nahbar wie selten zuvor.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Nur noch wenige Tage bis zu Bundestagswahl. Noch ist laut Umfragen ein Drittel der Wähler unentschieden, wo sie ihr Kreuz machen werden.

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Im TV-Duell bei "Welt" und "Bild" hatten die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) am Mittwochabend eine der letzten Chancen, die Wählerinnen und Wähler von sich zu überzeugen.

Erkenntnis Nummer 1: Das Duell schmeckte nach Schwarz-Rot

Merz und Scholz schonten sich gegenseitig auffällig. Schon bei den lockeren Einstiegsfragen gaben sie sich diplomatisch: Auf die Frage, was der jeweils andere besser könne, antwortete Merz "Rudern" und Scholz "Fahrradfahren". Ebenso würde Scholz in ein von Merz gesteuertes Flugzeug steigen und Merz gemeinsam mit ihm rudern. Im Nachgang der Sendung kommentierte Jörg Pilawa: "Am Ende fehlte nur der Kuss" – das schmeckte alles ziemlich nach GroKo.

Erkenntnis Nummer 2: Merz so nahbar und staatsmännisch wie nie

Die Frage "Gibt es einen Schicksalsschlag, der Sie besonders geprägt hat?", brachte Merz zu einem besonders nahbaren Moment. "Wir waren zu viert zuhause. Meine jüngste Schwester ist mit 21 Jahren bei einem Verkehrsunfall gestorben und mein Bruder ist sehr früh an MS erkrankt und gestorben, bevor er 50 wurde", erzählte der CDU-Kandidat. Das habe in seiner Familie tiefe Spuren hinterlassen.

Katja Burkard kommentierte im Nachgang: Das war der "wahrhaftigste Moment, in dem ich ihn je erlebt habe". An weiteren Stellen fiel Merz als besonders staatsmännisch auf. Er räumte eine Mitschuld seiner Partei ein für das, was in der Migrationspolitik seit 2015 falschgelaufen ist, und erbat sich einen Vertrauensvorschuss der Wählerinnen und Wähler.

Egal, welche Regierung zustande komme – man müsse in den kommenden vier Jahren zwei Probleme lösen: Migration und Wirtschaft. Merz beteuerte: "Ich werde nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben, der Migrations- und Wirtschaftswende enthält."

Erkenntnis Nummer 3: Scholz schliesst Links-Bündnis aus

Gleich zu Beginn der Sendung wurde Scholz zu seiner Haltung zu den Linken und dem BSW gefragt. "Würden Sie mit denen koalieren, um Kanzler bleiben zu können?", wollte Moderatorin Marion Horn wissen. Scholz antwortete: "Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, das sind Parteien, die die Ukraine alleinlassen wollen. Das ist für mich ausserhalb aller Debatten."

Auch Merz wurde zu klaren Aussagen gedrängt. "Jetzt sagen Sie es doch – Sie lassen sich von der AfD nicht zum Kanzler wählen", forderte Scholz ihn auf. Merz lieferte: "Wir lassen uns von der AfD nicht mit einer Minderheitsregierung akzeptieren, wir lassen uns nicht wählen, ich möchte eine stabile Mehrheit für eine neue Regierung im Deutschen Bundestag haben. Die wird es nicht mit der AfD geben – weder direkt noch indirekt."

Erkenntnis Nummer 4: "Rätsel Olaf Scholz" bleibt ungelöst

Scholz war auffällig entspannt und gelöst. Er plauderte über sein Glück in der Liebe und konterte Merz auf den Satz: "Da wird jetzt kein Wunder mehr passieren über die nächsten vier Tage. Ihre Kanzlerschaft dürfte am Sonntag beendet sein" mit den Worten: "Ich setze mich ja nicht für ein Wunder ein, sondern für eine demokratische Wahl."

In der Analyse im Nachgang veranlasste das Katja Burkard zu fragen: "Wo war dieser Scholz in den letzten Jahren?" Immer wieder habe er es verpasst, seine Politik zu erklären. "Das ist für mich das grosse Rätsel des Olaf Scholz. Warum jetzt und nicht vorher?", sagte sie. Journalist Robin Alexander erklärte die entspannte Haltung des Kanzlers damit, dass es wohl seine "letzte Ehrenrunde" war.

Erkenntnis Nummer 5: Hier könnte es bei Schwarz-Rot knirschen

Die grössten Reibungen gab es bei Scholz und Merz inhaltlich wohl beim Thema Bürgergeld. Nach einem Einspieler des arbeitsunwilligen Bürgergeld-Empfängers Frank R. aus Berlin, reagierten beide zunächst mit Kopfschütteln. R. bezieht seit 20 Jahren staatliche Leistungen. Im Interview sagte er: "Ich bin 58, also irgendeinen Job zu machen, jetzt bloss um arbeiten zu gehen: nein."

Scholz kommentierte: "Das ist nicht akzeptabel. Das ist kein bedingungsloses Grundeinkommen." Abschaffen könne man das Bürgergeld nicht, jedoch mit "harten Sanktionen dafür Sorge tragen, dass Leute, die konkret mögliche Beschäftigung ablehnen, dann auch von uns angegangen werden können". Der SPD-Politiker erklärte, man müsse Frank ein öffentlich gefördertes Jobangebot machen und bei Verweigerung die Leistungen kürzen. Betriebe sollte man nicht mit dem Nachweis belasten.

Merz war anderer Meinung: "Wir haben im Jahresdurchschnitt 2024 700.000 nicht besetzte offene Stellen. Warum muss man für Frank einen öffentlich geförderten Job schaffen?" Damit gebe man nur noch mehr Geld aus für ein "verkorkstes System". Die Beweislast beim Staat zu lassen, führe "in dieses Elend."

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