Die Jamaika-Sondierungen bleiben schwierig und kommen nur im Schneckentempo voran. Eine Wahlwiederholung wünschen sich die potenziellen Koalitionäre trotzdem nicht. Das liegt auch daran, dass bei einem Scheitern der Verhandlungen zwar nicht gleich "Köpfe rollen" würden. Aber zumindest bei manchen Verhandlungsführern dürften die Stühle gehörig wackeln.

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Einer sitzt schon jetzt nicht mehr fest im Sattel. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer kämpft bei den Koalitionsgesprächen am deutlichsten auch um seine eigene politische Zukunft.

Es dürfte aber auch noch andere CSU-Politiker treffen. Scheitern die Sondierungen, dann "reisst Seehofer auch seinen Generalsekretär Andreas Scheuer mit in den Abgrund, und wahrscheinlich könnte sich auch der CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt nicht halten." So sieht es Dr. Gero Neugebauer vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Universität Berlin.

Sein Kollege Prof. Dr. Nils Diederich meint allerdings, dass das Scheitern für Seehofer möglicherweise sogar die bessere Alternative wäre: "Dann kann er wenigstens sagen, er hat es versucht. Das ist für ihn leichter zu bewältigen, als wenn er aus den Verhandlungen mit Kompromissen rauskommt, die in der Partei nicht akzeptiert werden."

"Seehofer ist nur noch auf Zeit Ministerpräsident"

Das Problem Seehofers sind die grossen Erwartungen seiner Partei. Laut Neugebauer hat die CSU einen dreifachen Anspruch, den sie so kaum erfüllen kann.

Die Gleichung, dass jede Massnahme der Dauer-Regierungspartei automatisch dem Freistaat nütze und nutzen müsse, gehe schon lange nicht mehr auf.

Auch das Ziel, dass es keine Partei rechts von der CSU geben dürfe, ist seit dem Erstarken der AfD nicht mehr realistisch.

Und der Anspruch, eine starke Rolle im Bund zu spielen, lässt sich in Vierer-Verhandlungen mit drei selbstbewussten Partnern nicht mehr so leicht verwirklichen.

So oder so: Seehofer wird sich Mitte Dezember einem CSU-Parteitag stellen und dort die Ergebnisse oder das Scheitern der Verhandlungen erklären müssen.

Die Personaldebatte in der Partei schlägt schon seit Wochen hohe Wellen – ob er an Neuwahlen noch in führender Position teilnehmen würde, darf ernsthaft bezweifelt werden. Er sei "sowieso nur noch auf Zeit Ministerpräsident", sagt Diederich.

Die Kleinen können entspannt sein

Einfacher, so beide Experten im Gespräch mit unserem Portal, hätten es im Fall von Neuwahlen die beiden kleineren Parteien. "Bei den Grünen herrscht eher die Tendenz, wieder mit demselben Personal ins Rennen zu gehen“, meint Neugebauer.

Eine führungskritische Position werde sich nicht durchsetzen, "weil die Mehrheit der grünen Wählerschaft die Verhandlungsführung von Cem Özdemir und Kathrin Göring-Eckardt gut findet."

Dem stimmt Diederich zu: "Die Grünen können nachweisen: An uns ist es nicht gescheitert. Mit ihren Kompromissangeboten haben sie sich auch taktisch gut aufgestellt."

Auch für die FDP und ihren Verhandlungsführer sehen die Wissenschaftler wenige Probleme.

"Christian Lindner hat von Anfang an betont, die FDP hat keine Angst vor Neuwahlen", erklärt Diederich. Der Politiker habe damit das Scheitern der Verhandlungen "schon institutionell mit eingebaut." Niemand in der FDP werde deshalb "die Parteiführung infrage stellen."

Für Angela Merkel gibt es keinen Nachfolger

Am schwierigsten wären Neuwahlen wohl für die CDU - einerseits aus Angst vor einem weiteren Erstarken der AfD; Andererseits weil ein erneutes Antreten von Angela Merkel den im Frühjahr spürbaren Wechselwunsch der Bürger neu anfachen und so Martin Schulz und die SPD stärken könnte.

Dennoch würden es bei den Christdemokraten, so Diederich, nicht viele wagen, Angela Merkel für ein Scheitern der Verhandlungen verantwortlich zu machen.

Nicht weil Angela Merkel keine Schuld treffe, sondern weil die Partei keinen Nachfolger auf Lager habe: "Im Moment fehlt mir die Phantasie, wer in die Lücke springen könnte, die Merkel hinterlassen würde."

Auch Neugebauer zweifelt am Ersatzpersonal: "Wer aus der zweiten Ebene könnte denn nachrücken?" Die Kanzlerin habe "alle Konkurrenten weggebissen" und sich durch ihre Personalpolitik "gut davor geschützt, ausgeschaltet zu werden." Die CDU sei ohne Alternative, "und Merkel kann jetzt einfach sagen: Ihr habt ja keinen anderen."

Möglicherweise habe Angela Merkel sogar alles richtig gemacht: "Sie sitzt zwischen allen Stühlen, aber das muss sie, weil sie das Scharnier ist, das alles zusammenhalten soll. Sie hat deshalb sehr präsidial gesagt: Jeder muss Kompromisse machen, aber jeder muss auch ein Projekt durchkriegen."

Neuwahlen sind noch in weitere Ferne

Ohnehin kann selbst bei einem Scheitern der Koalitionsgespräche von Neuwahlen noch längst nicht die Rede sein. "Die sind noch in weiter Ferne", sagt Diederich. Das deutsche Grundgesetz sieht für die Kanzlerwahl ein zeitaufwendiges Prozedere vor, der Bundestag kann sich nicht selbst auflösen.

Diederich hält es durchaus für möglich, dass die Kanzlerin vor Neuwahlen auch noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung ausloten würde. Auch könnte sie doch noch einen Versuch starten, mit der SPD ins Gespräch zu kommen.

Angela Merkel sei, so Diederich, "geradezu eine Kanzlerin auf Ewigkeit, zumindest so lange, bis die anderen sich auf jemand anderen geeinigt haben."

Am Ende könnte es dann aber doch auf einen anderen Bundeskanzler hinauslaufen. Diederich nennt Peter Altmaier: "Er bleibt als treuer Statthalter Merkels und derzeitiger Finanzminister vielleicht als einziger Kandidat übrig."

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