- Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet musste sich in der ARD-Wahlarena in Lübeck dem Publikum stellen.
- Der 60-Jährige leistet sich keinen grossen Patzer, sorgte aber für eine Szene zum Fremdschämen und parierte einige knallharte Aussagen wenig überzeugend.
Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl sucht
Zuletzt war der CDU-Politiker in einem Interview mit Kinderreportern durch patzige Antworten aufgefallen. Solche Fehler machte Laschet am Mittwochabend in Lübeck nicht. Zumindest nicht im ersten Teil des TV-Formats, in dem die Fragestellerinnen und Fragesteller gnädig mit ihm umgingen. Ob er schon mal gekifft habe und wie er zur Legalisierung von Marihuana stehe, wollte eine junge Frau zum Einstieg wissen. "Nein", antwortete Laschet und erklärt dann, warum er gegen die Freigabe der Droge ist. "Ich kenne selber aus dem familiären Kreis Menschen, die mit leichten Drogen angefangen haben und dann sehr krank oder drogenabhängig wurden." Mit diesen ehrlichen Worten konnte er einige Punkte sammeln.
Laschet geriet ins Merkeln
Doch bei vielen Fragen geriet Laschet ins Merkeln. Er redete um den heissen Brei herum, ohne sich auf eine klare Aussage festnageln zu lassen. So beim Thema Entwicklungshilfe. Laschet findet, "dass wir weiter an diesem 0,7-Prozent-Ziel arbeiten" müssen. Genau dieser Anteil des Bruttoinlandsprodukts soll eigentlich für Projekte in Entwicklungsländern genutzt werden. In Wahrheit gibt Deutschland deutlich weniger aus.
Bei diesem Thema leistete sich Laschet dann auch einen Patzer. Als er erklärte, dass in Afrika die Initiativkräfte der Menschen gestärkt werden müssten, besonders die der Frauen. "Frauen sind oft die Träger der Entwicklung und wenn sie denen ermöglichen, einen kleinen Betrieb zu haben - also Betrieb heisst dann zwei, drei Hühner." Eine stereotype Vorstellung afrikanischer Rückständigkeit, die zum Fremdschämen war.
Zwei seiner stärkeren Momente hatte Laschet kurz darauf. Zur Frage, wie Parlamentarier ihre zeitintensive Abgeordnetenarbeit eigentlich mit Nebentätigkeiten in Einklang bringen können, sagte er: "Ich finde, als Abgeordneter muss man sich auf sein Mandat konzentrieren. Das reicht." Ausnahmen solle es nur für Menschen geben, wie den Bäcker oder den Anwalt, die sich die Rückkehr in ihren Beruf offen halten wollen. Das Publikum applaudierte. Allerdings ist es fraglich, ob seine Partei diesen Kurs im Falle des Wahlsiegs so mittragen würde. Zumal Laschet davon absah, ein Verbot von Nebentätigkeiten zu fordern. War wohl nur heisse Wahlkampfluft.
Dann menschelte es. Eine langzeitarbeitslose Frau (63) fragte, was die Politik für Leute macht, die aus Altersgründen keinen Job mehr bekommen. Laschet wirkte ehrlich betroffen, wusste aber auch keine andere Lösung als sich die Telefonnummer der Frau geben zu lassen, um mögliche Arbeitgeber an sie zu vermitteln. Eine Praxis, die man von anderen Wahlarena-Auftritten kennt. Ob da später wirklich ein Job herauskommt, erfährt hinterher niemand.
"Fridays for Future"-Aktivistin setzt Laschet unter Druck
Im zweiten Teil der Sendung wurde es ungemütlicher für den Kandidaten der CDU/CSU. Zunächst kritisierte ihn eine 15-jährige "Fridays for Future"-Aktivistin scharf. Laschets Klimapolitik in NRW sei eine "Katastrophe", sie sprach von "krassen Fehlentscheidungen und Skandalen" und monierte unter anderem die angebliche Blockade, erneuerbaren Energien auszubauen - durch die Windkraftanlagen-Abstandsregelungen in NRW. Was wären Laschets Sofortmassnahmen in der Klimapolitik, wollte sie wissen. Als er seine Punkte aufzählte, redete die Teenagerin mehrfach dazwischen. Da fuhr es aus Laschet heraus: "Nein, hören Sie auf! Sie sind Klimaaktivistin und haben gerade drei Behauptungen aufgestellt, wo ich doch kurz mal entgegnen darf, dass die alle drei falsch waren."
Dann die Mutter aller Fragen: Ein Mann will wissen, warum Laschet aufgrund der schlechten Umfragewerte nicht längst von der Kanzlerkandidatur zurückgetreten ist, wenn es ihm doch um die Menschen und um Deutschland gehe, wie auf seinen Wahlplakaten steht. "Die Menschen in Deutschland möchten Sie nicht als Kanzlerkandidat der Union", sagte er. Laschet wirkte irritiert und musste sich kurz sammeln, bevor er antwortete. "Was hielten Sie von der Idee, dass wir die Menschen das am 26. September entscheiden lassen, welche Partei sie wählen. Wäre doch ein guter Gedanke", so Laschet und ergänzte: "In Nordrhein-Westfalen (…) haben mir die Menschen 2017 ihr Vertrauen geschenkt. Viele, die mich kennen, tun es auch heute noch. Insofern werbe ich jetzt, stelle mich vor, auch heute Abend, und sage meine Argumente."
Harte Vorwürfe einer Studentin gegen Laschet
Ganz zum Schluss folgte noch die Attacke einer Studentin, die behauptet, Laschet sei nur durch die Verbindungen der Familie seiner Ehefrau Susanne zur Wirtschaft und zur politischen Elite seiner Heimatstadt Aachen die Karriereleiter hochgeklettert. Auch die Beziehungen Laschets aus katholischen Verbindungen seiner Studienzeit hätten ihm geholfen, bestimmte Positionen zu erreichen. Laschet gerät sichtlich aus dem Konzept. "Das, was Sie gesagt haben, berührt mich, verletzt mich", antwortete der CDU-Kanzlerkandidat der jungen Frau: "Wenn dann noch die Familie hineingezogen wird. Ich bitte, mir zu glauben, was ich als eigene Leistung eingebracht habe, oft rund um die Uhr."
Was bleibt als Fazit nach 75 Minuten Wahlarena? Viel Neues konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer über die Ziele Armin Laschets an diesem Abend nicht herausfinden. Er will die steuerfreien 450-Euro-Jobs zu 550 Euro-Jobs ausbauen und versprach "mehr Diversität, Vielfalt in der Bundesregierung widerzuspiegeln". Zur AfD sagte er den deutlichen Satz: "Eigentlich gehören die aus dem Parlament, wenn man ehrlich ist". Angriffe gegen seine direkten Konkurrenten Olaf Scholz und Annalena Baerbock vermied er.
Der CDU-Mann schlug sich weite Teile des Abends ganz ordentlich, wirkte besonnen und volksnah. Doch dann liess er sich durch überraschend persönliche oder direkte Fragen aus der Reserve locken und geriet ins Stocken. Hinzu kamen eine ganze Menge Allgemeinplätze und vage Aussagen, etwa bei der Frage, ob er China und Russland für ihre schlechte Menschenrechtsbilanz stärker zur Verantwortung ziehen wolle.
Insgesamt war das kein Auftritt, der im Wahlkampf eine entscheidende Wende auslösen wird. Vom Auftakt einer Aufholjagd ganz zu schweigen. Viel mehr dürfte Laschet aktuell von den Negativschlagzeilen seines Konkurrenten Olaf Scholz und den Ermittlungen gegen dessen Staatssekretär Wolfgang Schmidt profitieren. So kann Laschets Devise in den letzten Tagen bis zum 26. September eigentlich nur lauten: Mit Augenmass attackieren und bloss keine Fehler mehr machen.
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