Die Forderung der CSU nach einer PKW-Maut stösst auf viel Kritik und Ablehnung, scheint aber nach den jüngsten Äusserungen aus Brüssel rechtlich doch möglich zu sein. Frank Schröter arbeitet seit 25 Jahren am renommierten Institut für Verkehr und Stadtbauwesen der TU Braunschweig. Im Interview erklärt er, warum eine PKW-Maut viele Vorteile für Autofahrer hätte. Und warum sie nur funktioniert, wenn die Maut abhängig von den tatsächlich gefahrenen Kilometern berechnet wird.
Herr Schröter, in Deutschland stösst die Forderung nach einer PKW-Maut auf grosse Kritik. Warum weckt das Thema hierzulande so grosse Emotionen?
Weil die Autofahrer denken, dass Sie über die Kfz-Steuer und den Steueranteil am Benzin bereits genug bezahlen. Ausserdem wird die Mobilität etwa durch steigende Treibstoffkosten immer teurer und die Bevölkerung daher sensibler. Untersuchungen zeigen jedoch, dass von den Verkehrsteilnehmern nur knapp die Hälfte der durch den Verkehr verursachten Kosten aufgebracht werden. Insbesondere Unfallfolge- und Umweltkosten sind nicht abgedeckt.
Wie könnte eine PKW-Maut konkret organisiert werden? Wäre eine Einmalzahlung sinnvoll oder plädieren Sie für eine Gebühr, die abhängig ist vom Verbrauch?
Eine Einmalzahlung ist sicher einfacher zu organisieren, ist aber letztlich nichts anderes als eine Erhöhung der Kfz-Steuer. Im Extremfall führt eine pauschale Maut auch dazu, dass man nun mehr fährt, weil man dafür bezahlt hat.
Aus verkehrsplanerischer Sicht sinnvoller ist eine verbrauchsabhängige Gebühr. Hiermit könnte man den Verkehr lenken. Denkbar wären etwa unterschiedliche Gebühren auf verschiedenen Strecken und zu verschiedenen Tageszeiten. Dadurch könnte der Verkehrsfluss verbessert und Staus reduziert werden. Der Autofahrer hätte somit auch Vorteile. Ausserdem müsste nur der zahlen, der tatsächlich mit dem Auto fährt. Natürlich müsste man, zumindest für eine Übergangszeit, auch soziale Komponenten berücksichtigen.
Aus Ihrer Sicht als Wissenschaftler: Welche Vorteile brächte eine PKW-Maut?
Neben den Einnahmen zum Erhalt der Verkehrsinfrastruktur insbesondere die Möglichkeiten zur Steuerung des Verkehrsflusses. Ein weiterer Vorteil würde darin liegen, dass die Betriebskosten eines Pkw deutlicher würden. Der Vergleich zwischen Pkw-Fahrt und ÖPNV-Fahrt wäre so gerechter. Auch könnte, je nach Maut-pflichtigen Strecken, der Radverkehr gefördert werden. Insgesamt könnten Vorteile für den Umweltverbund entstehen.
Wäre es sinnvoll, die Deutschen anderswo für die Maut zu entlasten?
Eine Möglichkeit wäre die Abschaffung der Kfz-Steuer. Dies hätte den Effekt, dass nicht der Besitz des Autos Kosten verursacht, sondern nur die Fahrt mit dem Auto. Ein Ansatz, den wir (neben anderen Massnahmen) beispielsweise bereits 2004 in dem Forschungsprojekt Stadt+Um+Land 2030 untersucht haben.
Welche Erfahrungswerte gibt es in anderen Ländern? In wie vielen europäischen Staaten heisst es noch "Freie Fahrt für freie Bürger"?
Einen interessanten Ansatz gibt es beispielsweise mit der "Fast Lane" in Israel. Hier wird tageszeit- und verkehrsbelastungsabhängig eine Maut zwischen 1,40 und 16,- EUR erhoben. Die Abrechnung für die Nutzung der "Fast Lane" erfolgt über eine Kennzeichenerfassung. Die Mauteinnahmen werden u. a. zur Finanzierung kostenloser Shuttlebusse eingesetzt. Einen vollständigen Überblick über die Länder ohne Maut habe ich leider nicht. Man müsste dann aber auch zwischen genereller Maut und City-Maut unterschieden, wie z.B. in London oder Stockholm.
Aus Ihrer Perspektive: Wie wahrscheinlich ist die Einführung einer Maut?
Die Pkw-Maut wird sicher kommen, aber wahrscheinlich nicht in den nächsten 5 Jahren. Mittel- bis langfristig wird jedoch der Bedarf zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur und zur Verkehrssteuerung so gross werden, dass die Pkw-Maut eingeführt werden wird.
Dr. Frank Schröter hat an der Universität Dortmund Raumplanung studiert und ist seit über 25 Jahren am Institut für Verkehr und Stadtbauwesen der TU Braunschweig als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkt liegen u.a. bei Wirkungsanalysen in der Verkehrsplanung, Klimawandel und –anpassung in der Verkehrs- und Stadtplanung. Seit 2010 ist Dr. Schröter auch Lehrbeauftragter für "Nachhaltigkeit in der Verkehrs- und Stadtplanung" im Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen an der Universität Kassel.
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