• Die erste Prognose zur Bundestagswahl ruft bei den Parteien naturgemäss unterschiedliche Reaktionen hervor.
  • Während die Union "herbe Verluste" beklagt, spricht die SPD von einem "grandiosen Erfolg", die Grünen hatten sich "mehr erhofft".
  • Starke Verluste musste die AfD hinnehmen, ein Plus verzeichnet die FPD.

Live-Ticker zur Bundestagswahl aktualisieren

Bei der Bundestagswahl liefern sich CDU/CSU und SPD das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF gegen 18.45 Uhr liegen beide annähernd gleich auf. Dahinter folgen die Grünen. Der Linken droht ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Die ersten Reaktionen im Überblick:

CDU/CSU:

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat eingestanden, mit dem Ergebnis der Union nicht zufrieden zu sein. "Das Ergebnis stellt die Union und ganz Deutschland vor eine grosse Herausforderung", sagte Laschet micht Blick auf die Koalitionsoptionen. Trotz der herben Verluste seiner Partei sieht er einen Wahlauftrag. Er wolle eine Regierung unter Führung von CDU und CSU bilden, kündigte er an.

Nach den Worten von Generalsekretär Paul Ziemiak will die Union trotz des schwachen Abschneidens eine unionsgeführte Regierung ausloten. "Wir haben ein Credo in der Union: Erst das Land, dann die Partei", sagte Ziemiak. Nach den ersten Zahlen gebe es eine Möglichkeit für eine "Zukunftskoalition" aus Union, Grünen und FDP. "Und deswegen muss man miteinander sprechen." Zugleich räumte Ziemiak ein: "Die Verluste sind herb, sie sind bitter."

Die CDU-Politikerin Serap Güler sieht den Grund für das schlechte Ergebnis von CDU und CSU in der mangelnden Geschlossenheit der Christdemokraten. "Wir haben uns zu viel mit uns selbst beschäftigt. Wir haben zu viele Personaldebatten geführt, wir haben den Kanzlerkandidaten zu spät nominiert", sagt die Integrationsstaatssekretärin in Nordrhein-Westfalen, die für ein Ministeramt im Gespräch ist, gegenüber unserer Redaktion. Auch die Rolle der CSU sei nicht hilfreich gewesen. "Unsere Stammwählerschaft schätzt das nicht."

Ole von Beust, früherer Erster Bürgermeister von Hamburg, bezeichnet die Zahlen aus der Prognose als schmerzhaft. "Das ist natürlich nicht zufriedenstellend für eine Partei, die mal 40 Prozent bekommen hat." Nach seiner Ansicht muss sich die Partei jetzt personell neu aufstellen. Was genau das heissen soll, will er aber nicht sagen. "Dafür ist es zu früh."

SPD:

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich hocherfreut über das Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl geäussert. "Natürlich freue ich mich über das Wahlergebnis", sagte Scholz in Berlin. "Das ist ein grosser Erfolg." Viele Wählerinnen und Wähler hätten deutlich gemacht, dass sie einen "Wechsel in der Regierung" wollten und dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heissen solle. "Dass wir jetzt die ersten Hochrechnungen haben, die zeigen, die SPD kriegt viel Unterstützung von den Bürgerinnen und Bürgern, das ist ein Auftrag, dafür zu sorgen, dass all das, was in dieser Wahl besprochen wurde und was wir vorgeschlagen haben, auch umgesetzt wird, und wir uns politisch dafür stark machen."

SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil hat das Abschneiden seiner Partei als einen "grandiosen Erfolg" gewertet. "Das ist ein Vertrauensbeweis der Bürgerinnen und Bürger für Olaf Scholz", sagte Heil in der ARD. Mit Blick auf das Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union um Platz eins sagte er, der Abend sei noch jung.

GRÜNE:

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat das mutmassliche Abschneiden ihrer Partei als das "historisch beste Ergebnis" gelobt. Nach Hochrechnungen vom frühen Sonntagabend können die Grünen mit fast 15 Prozent der Stimmen rechnen. Das bislang beste Ergebnis bei einer Bundestagswahl erreichte die Ökopartei 2009 mit 10,7 Prozent. "Wir sind erstmals angetreten, um als führende Kraft dieses Land zu gestalten", sagte Baerbock bei der Wahlparty ihrer Partei in Berlin. "Wir wollten mehr", räumte sie ein. Das habe nicht geklappt, auch aufgrund eigener Fehler - ihrer Fehler, wie sie präzisierte. "Dieses Land braucht eine Klimaregierung", betonte Baerbock.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hat sich nach der 18.00-Uhr-Prognose zufrieden über das Abschneiden ihrer Partei geäussert. "Wir sind sehr froh darüber. Das war eine Generationenwahl. Auch wenn wir uns noch mehr erhofft hätten", sagte Göring-Eckardt in der ARD. Man werde nun alles daran setzen, "in Verhandlungen, in die wir dann hoffentlich gehen, dafür zu sorgen, dass wir Klimaschutz und Gerechtigkeit in diesem Land mit einem echten Aufbruch verbinden". Die Grünen-Politikerin betonte: "Viele junge Leute hoffen darauf, und denen will ich sagen: 100 Prozent Energie dafür kann von uns erwartet werden."

FDP:

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat zu einem politischen Aufbruch in Deutschland aufgerufen. Dabei betonte er in der FDP-Parteizentrale in Berlin, dem Hans-Dietrich-Genscher-Haus, Gemeinsamkeit mit den Grünen, die wie die FDP zugelegt hätten. "Grüne und FDP verbindet, dass beide einen eigenständigen Wahlkampf geführt haben. Beide haben sich - aus unterschiedlicher Perspektive - gegen den Status quo der grossen Koalition gewandt", sagte Lindner. "Die Parteien der grossen Koalition dagegen haben in der Summe nicht gegenüber der letzten Wahl gewonnen. Und deshalb kann es in Deutschland kein Weiter so geben. Jetzt ist die Zeit für einen neuen Aufbruch."

Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat sich sehr zufrieden über das Abschneiden seiner Partei geäussert. "Heute Abend feiern wir zunächst einmal, weil das das erste Mal in der Geschichte unseres Landes ist, dass die FDP bei einer Bundestagswahl zwei Mal in Folge zweistellig wird", sagte Kubicki im ARD-Wahlstudio. "Wir freuen uns riesig." Was Koalitionsmöglichkeiten betreffe, müsse man jetzt erst einmal abwarten. Die FDP wolle mitregieren. "Rot-Grün-Rot wird wahrscheinlich nicht funktionieren."

AFD:

Die Co-Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, hat das Abschneiden ihrer Partei als "sehr solides" Ergebnis gewertet. Die AfD habe zweistellig abgeschnitten und sei allen Unkenrufen zum Trotz nicht aus dem Bundestag heraus gewählt worden, sagte Weidel in der ARD. "Um uns wird man nicht mehr drumherumkommen", sagte sie.

AfD-Spitzenkandidat Tino Chrupalla sieht für seine Partei ein "sehr solides Ergebnis". Es sei zu früh, um weitere Schlüsse zu ziehen. "Warten wir erst mal den weiteren Abend ab", sagte Chrupalla. "Wir haben eine Stammwählerschaft, die wir gefestigt haben."

LINKE:

Die Linke hat sich enttäuscht über den Ausgang der Bundestagswahl gezeigt. "Das ist ein schwerer Schlag für uns", sagte die Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. "Wir haben durchaus schwer verloren. Wir haben viele Fehler gemacht", gestand Hennig-Wellsow ein. Diese seien nicht erst im Wahlkampf passiert, sondern schon in den vergangenen Jahren.

Der Co-Spitzenkandidat der Linken, Dietmar Bartsch, glaubt nicht, dass die "Rote-Socken-Kampagne" der Union der Linken geholfen hat. "Nein, das ist nicht der Fall", sagte Bartsch im ARD-Wahlstudio. "Wenn man uns diskreditiert als nicht regierungsfähig (...), dann schreckt das gerade im Osten auch Menschen ab." Früher hätte eine solche Kampagne der Linken vielleicht genützt, aber heute sei das nicht mehr der Fall. Was die Frage betreffe, ob die Linke überhaupt in den Bundestag einziehen werde, gab sich Bartsch "gelassen".

Zusammengestellt von Fabian Busch und Stefan Zürn
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