Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist zum Debakel für die SPD geworden. Welche Fehler haben Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Hoffnungsträger Martin Schulz gemacht?
Eigentlich wollte er von Sieg zu Sieg eilen – bis er im September dann selber ins Bundeskanzleramt einziehen würde. Stattdessen muss SPD-Chef
Ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen, dem Heimatland von Schulz und der viel beschworenen sozialdemokratischen "Herzkammer". Gleich mehrere Gründe haben dazu beigetragen, dass die SPD dort nun auf ihr schlechtestes Wahlergebnis der Landesgeschichte gefallen ist.
1. Kraftlose Spitzenkandidatin
2013 war Hannelore Kraft noch der Liebling der SPD. Selbst als Parteivorsitzende wurde die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin damals gehandelt, einen Wechsel nach Berlin schloss sie aber kategorisch aus.
Das grosse Glück fand sie daheim im Düsseldorfer Politikbetrieb aber offenbar auch nicht. Zur Mitte der Legislaturperiode warf ihr nicht nur die Opposition vor, amtsmüde zu sein.
Von 2014 bis 2016 machte Kraft eher mit Lustlosigkeit und Pannen von sich Reden. Als im September 2014 ein Gewitter Teile der Gegend um die Universitätsstadt Münster verwüstete, weilte die Landesmutter im Urlaub und war wegen mangelnden Handyempfangs nicht zu erreichen.
Nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht 2015 äusserte sie sich tagelang nicht. 2016 musste sie zudem einen privaten Schicksalsschlag verdauen, als ihre Mutter starb.
Erst im Wahlkampf fand Kraft wieder zu alter Stärke, stellte die "Süddeutsche Zeitung" fest. Doch da war es möglicherweise schon zu spät.
2. Schlechtes Bild in der Innenpolitik
Die SPD hatte einen Wahlkampf zum Thema soziale Gerechtigkeit führen wollen – konnte aber nicht verhindern, dass das Thema Sicherheit immer wieder eine zentrale Rolle spielte.
Ein Gebiet, auf dem die rot-grüne Landesregierung immer wieder mit Probleme zu kämpfen hatte: erst Hooligan-Krawalle, später die verhängnisvolle Silvesternacht mit den unzähligen Übergriffen auf Frauen in Köln, Integrationsprobleme in Stadtteilen wie Duisburg-Marxloh und nicht zuletzt immer wieder Meldungen über Terroristen, die im Bundesland untergetaucht sind.
Laut einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD waren 63 Prozent der Nordrhein-Westfalen mit der Kriminalitätsbekämpfung unzufrieden. Innenminister Ralf Jäger sah sich in seiner fast siebenjährigen Amtszeit immer wieder Rücktrittsforderungen ausgesetzt – aber Kraft hielt bis zum Ende an ihm fest.
3. Zu viel Siegesgewissheit, zu wenig Konkretes
Der Aufprall der SPD ist auch so hart, weil der Wahlsieg vor zwei Monaten noch so sicher schien. Nach der Ausrufung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat und Parteichef waren die Sozialdemokraten in Umfragen auch auf Bundesebene in kurzer Zeit an der CDU vorbeigezogen.
Der "Schulz-Hype" hatte die Genossen in einen Rausch versetzt – aber vielleicht wirkte er ab einem gewissen Zeitpunkt auch zu übertrieben?
Ziemlich schnell verfing jedenfalls die Kritik der politischen Gegner: Niemand wisse, wofür der Kanzlerkandidat eigentlich stehe, was genau er umsetzen wollte. Der SPD-Chef räumte am Sonntag ein, dass es Nachholbedarf gebe.
"Ich habe die Kritik schon auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern gehört, die gesagt haben: Ist ja nett, aber du musst konkreter werden", sagte Schulz in der ARD. Das habe er sich jetzt auch vorgenommen.
4. Zu viel Raum für den Gegner
Anfang des Jahres war die CDU angesichts der Umfragewerte von Schulz noch in Nervosität geraten. Jetzt hat sie – mal wieder – einen unerwartet deutlichen Wahlsieg errungen. Im SPD-Stammland reicht es sogar hauchdünn für Schwarz-Gelb.
Möglicherweise habe die SPD nicht mit der "Hemmungslosigkeit" der CDU gerechnet, mutmasste die "Süddeutsche Zeitung": Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte bei Wahlkampfauftritten deutlich die Silvesterereignisse von Köln – obwohl ihre Kritiker die auch mit ihrer eigenen Flüchtlingspolitik in Verbindung bringen.
Der Wahlsieg der CDU sei nicht unbedingt Ausdruck der eigenen Stärke, sagte der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer im Gespräch mit tagesschau.de. "In NRW hat sich der Satz bestätigt: Es wird keine gute Opposition gewählt, sondern eine schlechte Regierung abgewählt."
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