• Erst 100 Tage vor der Bundestagswahl stellte die CDU/CSU ihr Wahlprogramm vor - wir haben es für Sie zusammengefasst.
  • Es enthält unter anderem: Corona-bedingte Entlastungen für Unternehmen, eine vereinfachte Steuererklärung per App, das Ziel der Klimaneutralität ohne Verbote, "Rekordinvestitionen" in die Infrastruktur und mehr digitale Bildung.

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Eilig hatte es die Union bei der Vorstellung ihres Wahlprogramms nicht. Am 21. Juni, also weniger als 100 Tage vor der Bundestagswahl, stellten Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder ihr "Programm für Stabilität und Erneuerung" vor. FDP, SPD oder Grüne waren in diesem Jahr deutlich früher dran.

Ungewöhnlich ist der Zeitpunkt aber nicht. Zum einen war die Union auch in der Vergangenheit eher spät dran mit der Vorstellung ihrer Bundestagswahlprogramme. Zum anderen war lange Zeit unklar, wer für die Partei in den Bundestagswahlkampf zieht. Ein Programm ohne den passenden Kandidaten? Das hätte Fragen aufgeworfen.

Am Ende hat Laschet zwar den Wettbewerb um die Kanzlerkandidatur für sich entschieden, doch eine besondere Handschrift des NRW-Ministerpräsidenten lässt sich in dem 139 Seiten langen Papier nicht ausmachen. Das Programm ist CDU pur, es bleibt in vielen Fragen im Ungefähren und macht zugleich deutlich: An Inhalten wird eine Regierungsbildung mit der Union kaum scheitern.

Wirtschaft: Entlastungen für Unternehmen

Die Corona-Krise hat den Staatshaushalt massiv belastet. Um Betroffenen in Deutschland helfen zu können, haben Bund, Länder und Kommunen enorme Schulden aufgenommen - bis 2022 sollen es rund 650 Milliarden Euro sein, hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet.

Um die Wirtschaft in den kommenden Jahren wieder zu stimulieren, stellt die Union umfassende Entlastungen für Unternehmen in Aussicht. Von einem "Modernisierungsjahrzehnt" ist die Rede, das aus dem "Dickicht voller Vorschriften und Bedenken" führen soll. So wird die Erhöhung bestehender Steuern ausgeschlossen, genauso wie die Einführung neuer Steuern.

Eine Vermögens- oder Erbschaftssteuer, wie sie zum Beispiel von der SPD gefordert wird, soll es nicht geben. "Wir wollen die Steuerlast für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, perspektivisch auf 25 Prozent deckeln", heisst es dazu.

Unternehmen sollen von einem "Entfesselungspaket" profitieren, das Milliardenentlastungen bei bürokratischen Prozessen sowie die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vorsieht, und Gründer dürfen sich auf ein bürokratiefreies Jahr freuen, das Ausnahmen bei steuerrechtlichen Regeln und Dokumentationspflichten vorsieht.

Finanzen: Steuererklärung per App

Die Union strebt nach der Krise einen ausgeglichenen Haushalt an und will die Schuldenbremse wieder einsetzen, die im Zuge der Coronakrise gelockert worden war.

Dieser Festlegung war eine kontroverse Debatte in der Partei vorangegangen. So hatte Kanzleramtsminister Helge Braun noch im Januar für eine Gesetzesänderung geworben, die eine Lockerung der Verschuldungsregeln für die kommenden Jahre zugelassen hätte. Parteiintern zog er mit diesem Vorschlag Kritik aus dem wirtschaftsliberalen Flügel auf sich. In der Frage der Haushaltsdisziplin hat sich letzterer nun offenbar durchgesetzt.

Bei einem anderen Thema konnten die Etatisten einen Erfolg erringen: Von breiten Entlastungen bei den Bürgern ist im Wahlprogramm nicht die Rede, zumindest nicht über die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags hinaus. Dazu heisst es: "Wir werden den Solidaritätszuschlag für alle schrittweise abschaffen und gleichzeitig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer entlasten."

Was unter "entlasten" zu verstehen ist, ist deshalb interessant, weil Laschet zuletzt in Interviews betont hatte, keine Spielräume für breite Steuersenkungen zu sehen. Söder hatte ihm heftig widersprochen. Dass auf konkrete Vorschläge verzichtet wurde, kann deshalb als Formelkompromiss zwischen CDU und CSU bewertet werden.

Einig ist man sich indessen, dass die Steuererklärung einfacher werden soll und in Zukunft per App erledigt werden kann. Zudem soll die vorausgefüllte Steuererklärung verbessert werden.

Auf europäischer Ebene will sich die Union für die Schliessung von Steuerschlupflöchern einsetzen. Namentlich werden die grossen Digitalkonzerne erwähnt, die "ihre Steuern auch dort zahlen sollen, wo sie ihre Umsätze erzielen". Auch für eine europäische Finanztransaktionssteuer, die bereits in mehreren Anläufen gescheitert ist, wirbt die CDU – sofern sie Kleinanleger und Privatvorsorger nicht betrifft.

Klima: Neutral ohne Verbote

Die Union bekennt sich zu den Pariser Klimazielen und will Deutschland bis 2045 durch eine Mischung aus Anreizen und marktwirtschaftlichen Instrumenten klimaneutral machen. Der europäische Emissionshandel soll auf den Verkehr- und Wärmesektor ausgeweitet werden. Sämtliche Einnahmen aus dem Instrument sollen "in vollem Umfang" an die Bürger zurückfliessen, etwa über Entlastungen beim Strompreis. Auf Verbote zur Erreichung der Klimaziele will die Partei verzichten.

Zwar setzt die Union auf Technologieoffenheit, dennoch benennt sie den Einsatz von Wasserstoff gleich mehrmals als konkrete Einzeltechnologie zur Bekämpfung des Klimawandels. "Wasserstoff ermöglicht eine Dekarbonisierung auch da, wo erneuerbare Energie nicht direkt eingesetzt werden kann. Bedeutende industrielle Prozesse, etwa in der Stahl- und Zementindustrie, lassen sich nur mit Wasserstoff klimaneutral gestalten", heisst es. Bei der Herstellung von nachhaltigem Wasserstoff soll Deutschland einen Spitzenplatz einnehmen.

Nach US-amerikanischem Vorbild setzt sich die Partei für einen EU-Klimaaussenbeauftragten ein, der "Europa als globalen Akteur im Einsatz für den Klimaschutz positioniert."

Verkehr: "Rekordinvestitionen" in Bahn, Elektromobilität und Fluggesellschaften

Um die Mobilität als "Ausdruck individueller Freiheit" zu stärken, verspricht die Union "Rekordinvestitionen" in die Infrastruktur. Bei der Bahn sollen diese Investitionen in die Digitalisierung der Schiene fliessen. Ausserdem sollen künftig mehr Güter von der Strasse auf die Schiene verlagert werden. Als Einzelmassnahme, mit der der Zugverkehr gestärkt werden soll, wird der Nachtzug erwähnt. Er gehöre zum "Mobilitätsmix der Zukunft".

Deutschland soll Automobilstandort bleiben. Ein Dieselverbot lehnt die Partei ab. Gleichzeitig soll die Elektromobilität attraktiver werden, was konkret über einen Ausbau der Ladeinfrastruktur gelingen soll. Ladesäulen soll es in allen gewerblichen und öffentlichen Neubauten geben sowie in Parkhäusern. Das Ziel: Die nächste Ladesäule ist stets zehn Minuten Fahrtzeit entfernt.

Fliegen soll klimaneutral werden und preiswert bleiben. Fluggesellschaften, die ihre Flugzeuge mit synthetischen Kraftstoffen betanken, sollen von der Luftverkehrssteuer ausgenommen werden. Auch Flugtaxen finden als "Vision für die Zukunft" Erwähnung in dem Programm.

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Europa und Migration: Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeitsprinzip

Die Union bekennt sich zu Europa und bezeichnet die Gemeinschaft als "grösstes politisches Erfolgsprojekt unserer Zeit". Um Europas Rolle in der Welt zu stärken, soll die EU grössere sicherheits- und aussenpolitische Verantwortung übernehmen.

Das Einstimmigkeitsprinzip auf europäischer Ebene soll fallen. Es garantiert bisher, dass alle Staaten bei Beschlussfassung gleicher Meinung sein müssen. In der Realität führt diese Regel oft zu einer Verlangsamung von Entscheidungen, manchmal gar zur Entscheidungsunfähigkeit, zum Beispiel bei Massnahmen zur Steuergerechtigkeit. Die Union möchte deshalb Mehrheitsentscheidungen einführen, um "schneller als bisher zu gemeinsamen Positionen zu kommen."

Der Aufnahme neuer Mitglieder in die EU steht die Union nicht kompromisslos gegenüber, aber reserviert. Der innere Zusammenhalt dürfe "durch die Aufnahme neuer Mitglieder nicht geschwächt werden.". Eine Vollmitgliedschaft der Türkei werde es "nicht geben".

Eine Ausweitung des Familiennachzugs lehnt die Union ab, zudem sollen mehr Staaten als sichere Herkunftsländer eingestuft werden, in die leichter abgeschoben werden kann. Mit einem juristischen Kniff will die Union zudem Länder als sichere Herkunftsstaaten einordnen, bei denen eine Ausweisung bislang an den Bundesländern gescheitert war. Eine solche Einstufung, als sogenannter "kleiner sicherer Herkunftsstaat" im Sinne der EU-Asylverfahrensrichtlinie, "wäre ohne Zustimmung des Bundesrates möglich".

Innere Sicherheit: Öffentliche Kameras, Gesichtserkennung und Bodycams

Die Union versteht sich als Partei der inneren Sicherheit – entsprechend findet auch der Wunsch nach einem Ausbau der Sicherheitsbehörden Erwähnung im Wahlprogramm.

In der Öffentlichkeit sollen vermehrt Kameras zur Verbrechensbekämpfung- und Verhinderung zum Einsatz kommen, insbesondere an gefährdeten Punkten wie Bahnhöfen oder Stadien. Zudem will die Partei die automatisierte Gesichtserkennung vorantreiben, um die Identifizierung von Terroristen und Gefährdern zu verbessern.

Die Anwendung der umstrittenen Bodycams soll flächendeckend eingeführt werden. Einen eigenen Absatz widmet die Union gewaltsamen Angriffen auf Rettungskräfte. Diese sollen künftig härter bestraft werden, mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren.

Den Rechtsextremismus sieht die Partei als "grösste Bedrohung für unsere offene Gesellschaft und freiheitlich-demokratische Grundordnung". Für die Bekämpfung von rechtsextremen, ausländerfeindlichen oder antisemitischen Straftaten soll eine eigene Spezialeinheit der Polizei geschaffen werden, die neue Ermittlungsansätze prüfe.

Internationale Politik: Neustart der deutsch-amerikanischen Beziehung unter Joe Biden

Die Wahl des neuen US-Präsidenten Joe Biden sieht die Union als Chance für einen Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Bei Handelsfragen, bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und in der Forschung soll die Zusammenarbeit gestärkt werden. Zudem soll es ein deutsch-amerikanisches Jugendwerk geben.

Russland sei eine potentielle militärische Bedrohung, die zu Cyberangriffen, Desinformation und Propaganda greife, um gegen NATO-Staaten zu agitieren. Die EU und die NATO sollten mit grösserer politischer Geschlossenheit grössere Abschreckung bieten. Einem Dialog mit Russland steht die Union nicht gänzlich verschlossen gegenüber. Diesen soll es beim Klimaschutz und in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit geben.

Bildung: Digitalkompetenzen im Schulunterricht

Die Corona-Krise habe Schwächen in der digitalen Bildung offengelegt, heisst es im Wahlprogramm – das soll sich ändern. "Neben den Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen benötigen die Schülerinnen und Schüler digitale Kompetenzen." Digitale Kompetenzen sollten "umfassend" in den Unterricht integriert werden, das betreffe auch das Thema Medienkompetenz.

Defizite, die durch Bildungsausfall während der Corona-Krise entstanden sind, sollen durch ein Unterstützungsprogramm für die Jahre 2021 und 2022 in Höhe von einer Milliarde Euro aufgeholt werden. Mit einer weiteren Milliarde Euro soll Kindern und Jugendlichen geholfen werden, die sozialen und psychischen Folgen der Pandemie zu bewältigen. Dieses Geld soll in die frühe Bildung, Ferienfreizeiten, Familienerholung und zusätzliche Sozialarbeit investiert werden.

Kindergärten sollten zu "qualitativ hochwertigen Bildungsorten" weiterentwickelt werden und einen Beitrag leisten, um Herkunft und Bildungserfolg zu entkoppeln. Einen besonderen Fokus legt die Partei dabei auf die sprachliche Bildung. Sie sei "der Schlüssel zur Welt".

Verwendete Quelle:

  • Wahlprogramm der CDU / CSU zur Bundestagswahl 2021: Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Abgerufen am 21. Juli 2021.
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