Manfred Weber und Frans Timmermans wollen EU-Kommissionspräsident werden. In der ARD-Wahlarena sind sie erstmals vor deutschem Publikum gegeneinander angetreten – und präsentierten sich dabei höchst unterschiedlich: der eine sehr besonnen, der andere ziemlich energisch.

Eine Kritik

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Schon bei der ersten Zuschauerfrage zeigt sich, wie unterschiedlich die Kontrahenten in dieses Duell gehen. Ein Student will zu Beginn der ARD-Wahlarena zur Europawahl am Dienstagabend wissen, warum das Durchschnittsalter der christ- wie der sozialdemokratischen Abgeordneten so hoch sei: "Wie wollen Sie die junge Generation vertreten, wenn Sie sie gar nicht abbilden?"

CSU-Politiker Manfred Weber antwortet höflich und etwas ausweichend: Politiker müssten der Jugend vor allem gut zuhören. Die Antwort von Frans Timmermans fällt knapper und konkreter aus: "Auch 16- und 17-Jährige sollten an Wahlen teilnehmen können", ruft der Sozialdemokrat.

Heimatverbundener gegen Sprachtalent

Weber und Timmermans stellen sich in der Sendung 90 Minuten lang den Fragen der Zuschauer. Beide sind überzeugte Europäer, beide wollen nach den Wahlen zum EU-Parlament am 26. Mai Präsident der EU-Kommission werden. Ansonsten haben sie aber wenig gemeinsam.

Manfred Weber, Niederbayer und Spitzenkandidat der europäischen Christdemokraten und Konservativen, ist mit 46 für Politikerverhältnisse noch relativ jung. Er gilt als seriös und ruhig, betont in Wahlwerbespots gerne seine ländliche Herkunft und seinen christlichen Glauben.

Der 58-jährige Niederländer Timmermans war schon Aussenminister seines Landes und ist derzeit Vize-Präsident der EU-Kommission. Ein Mann mit Temperament und Erfahrung also – und ein Sprachtalent: Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten spricht sieben Sprachen fliessend und hat keine Probleme, den Fragemarathon in Deutsch zu absolvieren.

Timmermans punktet bei Klimaschutz

Zunächst geht es in der Sendung um Klimaschutz – ein Thema, bei dem der Sozialdemokrat eher den Applaus auf seiner Seite hat. Ein 19-Jähriger fragt: Was wollen die beiden Politiker zu einer "ernstgemeinten Wende" hin zu mehr Klimaschutz beitragen?

"Ich werde als Kommissionspräsident persönlich die Verantwortung übernehmen", verspricht Timmermans. Er setzt auf eine CO2- und eine Kerosinsteuer, einen sozialverträglichen Kohleausstieg – auch in Ländern wie Polen und der Slowakei.

Weber gibt sich vorsichtiger und weniger konkret: Der Klimawandel treibe alle um, beteuert er. Aber die Reduzierung von Treibhausgasen müsse so erfolgen, dass die Bevölkerung nicht darunter zu leiden habe.

"Merkel hat Europa gerettet"

Weber eher besonnen und nachdenklich, Timmermans dagegen energisch und angriffslustig – diese Rollen nehmen die beiden Kontrahenten auch danach ein. Die europäischen Christdemokraten seien "die Dinos" in Sachen Klimaschutz, lästert Timmermans. Er verpackt seine Statements oft in einprägsame Slogans.

"Was wir jetzt brauchen, ist eine Versöhnung von Europa und Afrika", sagt er auf die Frage, wie Europa Fluchtursachen verhindern könne. Timmermans schlägt zum Beispiel ein "massives Erasmus-Programm" für afrikanische Studenten vor.

Bei diesem Thema hat er für die deutsche Bundeskanzlerin und Webers Parteifreundin Merkel ein ausdrückliches Lob übrig. Die Flüchtlingskrise 2015 sei für Europa schwierig gewesen, sagt Timmermans. Doch der Kontinent habe menschlich reagiert, auch wegen der deutschen Kanzlerin: "Sie hat Europa damals gerettet – mit ihrer Menschlichkeit."

Weber nach und nach angriffslustiger

Im Laufe der Sendung kommt Manfred Weber dann aber immer stärker aus der Defensive, greift seinerseits auch Timmermans an. Etwa als ein Zuschauer fragt, warum es so lange dauere, die europäischen Aussengrenzen effektiv zu überwachen.

Die EU habe gerade einen Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex auf 10.000 Beamte beschlossen, antwortet Weber – und kritisiert: "Die Sozialdemokraten waren im EU-Parlament nicht in der Lage, Frontex ein stärkeres Mandat zu geben."

Korruptionsbekämpfung, IS-Rückkehrer, Agrarsubventionen, EU-weite Steuern: Die Themen sind vielfältig, die Positionen von Weber und Timmermans immer wieder gegensätzlich. Der niederländische Sozialdemokrat spricht sich etwa für eine europaweite Arbeitslosen-Rückversicherung aus, mit der Sozialsysteme in wirtschaftlich kriselnden Staaten unterstützt werden können.

Der Konservative Weber hält das für falsch: "Wenn die Menschen in anderen Staaten früher in Rente gehen, kann die dortige Regierung nicht zum Nachbarn gehen und sagen: Das musst du jetzt finanzieren."

Beide wollen mehr Frauen in Kommission

Der Zuschauer kann sich an diesem Abend durchaus ein gutes Bild von der EU-Politik machen: Die Kandidaten treten nicht nur unterschiedlich auf, sie vertreten teils auch andere Auffassungen über Aufgaben und Schwerpunkte des Staatenverbunds.

In einem Punkt sind sie sich aber einig – in einem Versprechen, an dem man sie als EU-Kommissionspräsidenten messen können wird: Sowohl Weber als auch Timmermans wollen dafür sorgen, dass die nächste 28-köpfige Kommission je zur Hälfte aus Männern und Frauen bestehen wird.

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