Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf ein Personaltableau für die künftigen EU-Spitzenposten geeinigt, doch die Vorschläge des Europäischen Rates sind keineswegs Selbstläufer. Vor allem Ursula von der Leyen ist umstritten.

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Nachdem die europäischen Staats- und Regierungschefs ihre Vorschläge für das künftige EU-Spitzenpersonal vorgelegt haben, stimmt am Mittwoch (ab 9:00 Uhr) das Europaparlament über seinen künftigen Präsidenten ab.

Nach den Vorstellungen des Rates soll ein Kandidat der Sozialisten für die erste Hälfte der Amtszeit gewählt werden. Zur Mitte der Amtsperiode solle dann der Kandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) gewählt werden.

Nach Darstellung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll dies der EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl, Manfred Weber (CSU), sein. Die Sozialisten schlugen inzwischen den Italiener David-Maria Sassoli vor.

Ausgang der Wahl der Parlamentspräsidenten offen

Ob die Parlamentarier allerdings den Vorschlägen der Staats- und Regierungschefs folgen, ist offen. Die Europäischen Grünen schlugen die deutsche Europaabgeordnete Ska Keller für die Nachfolge von Antonio Tajani vor.

Die Linksfraktion tritt mit der spanischen Abgeordneten Sira Rego von der Partei Izquierda Unida an und die rechte EKR mit ihrem Vorsitzenden Jan Zahradil aus der Tschechischen Republik.

Ein Kandidat benötigt die absolute Mehrheit, um die Wahl zu gewinnen. Es kann maximal vier Wahlgänge geben, am letzten dürfen nur noch die zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen teilnehmen.

Das Amt des Parlamentspräsidenten wird für zweieinhalb Jahre besetzt. Er kann danach aber ein zweites Mal gewählt werden.

Es regt sich Widerstand gegen Ursula von der Leyen

Nach zähem Ringen verständigten sich die Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend auf ihrem Sondergipfel in Brüssel auf ein Tableau für das künftige europäische Spitzenpersonal.

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) soll demnach neue Kommissionspräsidentin werden. Kanzlerin Angela Merkel musste sich enthalten, weil der Koalitionspartner SPD nicht mitzog.

Auch im EU-Parlament, das von der Leyen wählen müsste, regte sich sofort Widerspruch. Von der Leyen wolle bereits an diesem Mittwoch nach Strassburg kommen und Gespräche mit den Fraktionen führen, erfuhr dpa aus EVP-Kreisen.

Von der Leyen könnte, wenn sie denn vom Parlament bestätigt wird, die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission werden. Ratspräsident wird der liberale belgische Ministerpräsident Charles Michel, der spanische Aussenminister Josep Borrell soll EU-Aussenbeauftragter werden.

Der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans, der zwischenzeitig als Kommissionspräsident gehandelt wurde, behält sein Amt als Vizepräsident. Die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, wird Präsidentin der Europäischen Zentralbank.

Weber stellt sich hinter Nominierung von der Leyens

Weber gab am Dienstagabend sein Mandat als Spitzenkandidat der EVP zurück. Er stellte sich zugleich hinter die Nominierung von der Leyens.

Weber wollte eigentlich selbst Kommissionschef werden und sagte, es sei ein schwerer Tag für ihn. Wichtig sei, dass mit von der Leyen eine Politikerin aus seiner Parteienfamilie kommen soll. Er habe von der Leyen in die EVP-Fraktion eingeladen.

Weber sprach von einem "traurigen Tag für die europäische Demokratie". Und: "Dieses Paket ist nicht mein Paket. Aber ich trage es loyal mit."

Das Europaparlament stimmt nicht nur über seinen Präsidenten ab, sondern - voraussichtlich Mitte Juli - auch über die künftige Kommissionschefin.

Ob von der Leyen hier eine Mehrheit bekommt, ist offen. Grüne, Linke und die AfD äusserten bereits heftige Kritik. Die Kommission würde dann "seeuntüchtig wie die Gorch Fock", sagte der AfD-Vorsitzende und Europa-Abgeordnete Jörg Meuthen in Anspielung auf das marode Segelschulschiff der Bundeswehr. Der SPD-Europapolitiker Udo Bullmann wetterte, der Deal sei nicht akzeptabel.

Droht nun eine neue Regierungskrise in Berlin?

Auch die kommissarische SPD-Spitze lehnt die Personalie von der Leyen strikt ab. "Damit würde der Versuch, die Europäische Union zu demokratisieren, ad absurdum geführt", kritisierten Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel. Zu möglichen Konsequenzen für die grosse Koalition in Berlin äusserten sich die kommissarischen SPD-Chefs aber nicht.

Im Umfeld sozialdemokratischer Regierungsmitglieder hiess es recht lapidar, eine Koalitionskrise werde deswegen wohl nicht heraufziehen. Merkel sei im Rat nach dem vereinbarten klassischen Verfahren für solche Situationen vorgegangen und habe sich eben wegen der Uneinigkeit in der Koalition enthalten.

Sollte die SPD die Koalition wegen dieser Entscheidung verlassen, müsste sie den Menschen im folgenden Wahlkampf erklären, dass sie wegen der ersten deutschen Frau an der Spitze der Kommission ausgestiegen sei.

An diesem Mittwoch (9:30 Uhr) kommt Merkel wie gewohnt mit ihrem schwarz-roten Kabinett zusammen. Dann wird sich zeigen, wie sich diese Entscheidung auf die Koalitionsarbeit auswirkt.

Vier Namen für Nachfolge von der Leyens im Gespräch

Und wer könnte von der Leyen am Kabinettstisch nachfolgen, wenn sie tatsächlich nach Brüssel wechselt? Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus der Union sind Gesundheitsminister Jens Spahn sowie die Verteidigungsexperten Johann Wadephul und Henning Otte (alle CDU) für das Amt im Gespräch.

Auch Ex-CDU-Generalsekretär und Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber hat demnach Chancen auf das Amt. Er habe sich in der Truppe grosse Beliebtheit erworben, hiess es aus mehreren Quellen.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die in Spekulationen ebenfalls als mögliche Nachfolgerin von der Leyens genannt worden war, habe abgelehnt, hiess es nach diesen Informationen. (jwo/dpa)  © dpa

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