Mit einem solchen Widerhall hat "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo wohl nicht gerechnet. Nach seiner doppelten Stimmabgabe ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ist eine doppelte Stimmabgabe bei der EU-Wahl wirklich so schlimm? Politikwissenschaftler Oliver Schwarz hat Antworten.
Die AfD hat Strafanzeige gegen di Lorenzo gestellt. "Ein namhafter deutscher Journalist" habe mit einer doppelten Stimmabgabe gegen das Gesetz verstossen. "Dieser Rechtsbruch ist nicht hinnehmbar und muss geahndet werden", zitiert die "Bild"-Zeitung die sächsische AfD-Vorsitzende
Doch mit einer harten Strafe muss der "Zeit"-Chefredakteur wohl nicht rechnen. "Die Hamburger Staatsanwaltschaft muss ermitteln, weil es eine Aussage vor einem Millionenpublikum gab", erläutert der Politikwissenschaftler Oliver Schwarz von der Universität Duisburg-Essen. "Aber es geht um keinen Wahlbetrug im grossen Stil, sondern um eine einzelne Verfehlung. Das Strafverfahren wird wahrscheinlich eingestellt, gegebenenfalls gegen eine Geldauflage."
Wolfgang Schäuble poltert gegen doppelte Staatsbürgerschaft
Schon bei der sonntäglichen Diskussionsrunde von
Das sieht Oliver Schwarz ganz anders: "Es wäre falsch, die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft neu zu entfachen. Es handelt sich hier um ein technisches Problem. Und wenn die AfD Strafanzeige gestellt hat, geht es sicher darum, dass der Wahlkampf weitergeführt wird."
Mittlerweile bedauert di Lorenzo sein Fehlverhalten. Der "Bild" sagte er: "Mir war nicht bewusst, dass man bei der Europawahl nicht in zwei Ländern abstimmen darf. Hätte ich es gewusst, hätte ich es nicht getan und natürlich auch nicht in der Sendung von Günther Jauch erzählt. Mir tut das aufrichtig leid."
Ist die EU-Wahl wegen der Doppelstimmen ungültig?
Trotzdem bleibt der Dünkel: Durch di Lorenzo und andere Doppelwähler könnte die EU-Wahl verfälscht sein. "Der Bundeswahlleiter will den einzelnen Fall nachkontrollieren lassen. Im Nachhinein ist es zudem wegen des Wahlgeheimnisses schwierig, nachzuvollziehen, wer im Ganzen doppelt gewählt hat", gibt Oliver Schwarz zu bedenken. "Aber die Wahl ist trotzdem völlig rechtmässig verlaufen."
In der EU gibt es acht Millionen Bürger, die sich nicht im Herkunftsland befinden und die damit doppelt abstimmen könnten. Bei rund 400 Millionen Wahlberechtigten machen also die potenziellen Zweifach-Urnengänger zwei Prozent aus. "Aber es ist eine grosse Herausforderung, die EU-Ausländer überhaupt zur Wahl zu motivieren. In Deutschland sind nur 171.500 EU-Bürger in die Wahlregister eingetragen, von denen nur ein geringer Bruchteil doppelt wählen wird." Eine grosse Gefahr durch Mehrfachstimmen sieht der Politikwissenschaftler von der Universität Duisburg also nicht gegeben.
Trotzdem mahnt der Wissenschaftler Reformen an. "Das Problem ist, dass es 28 verschiedene nationale Methoden gibt, die Wahlregister zu führen. Wir brauchen ein einheitliches europäisches Wahlrecht. Die Europawahlen sollten also an einem Tag stattfinden. Es sollte dasselbe Wahlsystem gelten, eine gerechte Sitzzuteilung geben und die Stimmauszählung sollte auf derselben Grundlage erfolgen."
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