In wenigen Tagen wird in Frankreich die Nationalversammlung neu gewählt. Welche Rechte und Pflichten hat das französische Parlament überhaupt?
Die französische Nationalversammlung hat im politischen Leben Frankreichs eine geringere Bedeutung als beispielsweise der Bundestag in Deutschland oder des österreichischen Nationalrats. Das liegt an der starken Rolle des Präsidenten, der sich nicht vor dem Parlament verantworten muss.
Bei Auslandseinsätzen etwa muss der Präsident die Nationalversammlung lediglich informieren, spätestens drei Tage nach Beginn eines Einsatzes. Erst die Verlängerung eines Einsatzes muss von den Abgeordneten genehmigt werden.
Nationalversammlung hat eine lange Geschichte
Historisch geht die Nationalversammlung auf die Französische Revolution zurück. Ihr erster bedeutender Akt war die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte im August 1789. Heute bildet sie gemeinsam mit dem Senat das französische Parlament. Sie ist die einflussreichere der beiden Kammern und hat bei der Abstimmung über Gesetzestexte das letzte Wort.
Die 577 Abgeordneten vertreten jeweils ihre Wahlkreise. Sie halten sich in Sitzungsperioden üblicherweise von Dienstag bis Mittwoch oder Donnerstag in Paris auf und den Rest der Zeit in ihren Wahlkreisen. Abgeordnete dürfen nicht mehr wie früher üblich gleichzeitig Bürgermeister oder EU-Abgeordnete sein.
Allerdings können Regierungsmitglieder bei der Wahl als Kandidatin oder Kandidat antreten und dann ihren Stellvertreter in die Nationalversammlung schicken. Falls sie vorzeitig aus der Regierung ausscheiden sollten, haben sie immer noch ihren Platz als Abgeordnete. Sollten sie die Wahl allerdings verlieren, räumen sie üblicherweise auch den Kabinettsposten.
Die Nationalversammlung kann Gesetze vorschlagen, debattieren und verabschieden. Sie soll ausserdem die Arbeit der Regierung kontrollieren, unter anderem durch die "Fragen an die Regierung". Im Unterschied zum Senat hat sie das Recht auf ein Misstrauensvotum gegen den Premierminister.
Macron hat keinen Zugriff auf die Nationalversammlung
Wegen der strikten Gewaltenteilung hat der Präsident keinen Zugang zur Nationalversammlung. Seit 2008 hat der Präsident aber das Recht, beide Kammern des Parlaments zusammenzurufen und vor dem sogenannten Konvent eine Rede zu halten. Präsident Emmanuel Macron hat dies bislang zweimal getan.
Der Konvent tritt auch zusammen, um Verfassungsänderungen zu beschliessen, zuletzt im März zur Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung.
Wenn Abgeordnete eines Wahlbündnisses mindestens 15 Abgeordnete in der Nationalversammlung haben, können sie eine Fraktion bilden.
Die Nationalversammlung tagt im Palais Bourbon an der Seine. Seine neoklassizistische Fassade mit dem Säulengang spiegelt die Fassade der gegenüber liegenden Kirche La Madeleine. Die Sitzungen ziehen sich oft bis spät in die Nacht. Es gibt immer wieder Kritik in Frankreich, dass über heikle Gesetze mitten in der Nacht oder zu Ferienzeiten abgestimmt wird.
In der von Macron am 9. Juni aufgelösten Nationalversammlung hatte das Regierungslager 250 Sitze, die Opposition verfügte über 320 Sitze. Innerhalb der Opposition stellte die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) mit 88 Abgeordneten die grösste Gruppe. Zuletzt waren 37 Prozent der Abgeordneten weiblich. (afp/the)
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