Der Wahlkampf ist vorbei. Jetzt muss sich der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras der Realität stellen. Dabei wird ihm die überraschende Koalition mit den Rechtspopulisten kaum eine Hilfe sein. Denn sie ist schon jetzt zum Scheitern verurteilt.

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Es ist ein Szenario, das so in Deutschland kaum vorstellbar wäre: Die Linke koaliert mit der AfD, um an die Macht zu kommen. Für Griechenland kein Problem. Dort koalierte die radikale Linke Syriza mit der radikalen Rechten "Unabhängige Griechen". Das Linksbündnis um Alexis Tsipras und den neuen Koalitionspartner verbindet eigentlich nur eines: Der Wunsch nach einem weiteren Schuldenschnitt für ihr Land. Doch genau darauf wird sich Europa kaum einlassen.

Ein Schuldenschnitt, wie ihn Syriza und die "Unabhängigen Griechen" fordern, hält Julian Rappold, Politikwissenschaftler bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik für unwahrscheinlich: "Das ist weder von deutscher Seite noch von anderen europäischen Partnern verhandelbar", stellt der Politikwissenschaftler klar. Tsipras' einzige Chance, langfristig Schulden abzubauen, liegt in längeren Laufzeiten der Kredite und einer weiteren Reduzierung der ohnehin schon niedrigen Zinsen.

Zudem provoziert Tsipras mit dieser politischen Liaison. "Sie lässt darauf schliessen, dass er die Konfrontation mit den europäischen Geldgebern sucht", folgert Rappolt. Dabei ist er auf deren Hilfe angewiesen. Sein Land sitzt immer noch auf Schulden in Höhe von 174 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung.

Ob die neue Koalition mit den Rechtspopulisten halten kann, hängt davon ab, inwieweit sie dennoch einen erfolgreichen Deal mit den europäischen Geldgebern aushandeln könne, vermutet der Griechenland-Experte. Denn andere Schnittmengen gebe es nicht: "Sie stimmen eigentlich nur darin überein, dass sie sich uneinig sind." Doch beide hätten ein Interesse daran, sich gegenüber ihren Landsleuten gut verkaufen zu können. "Die 'Unabhängigen Griechen' wollen sich als Patrioten präsentieren, die in einer schwierigen Phase Verantwortung in ihrem Land übernehmen", erläutert er weiter.

Alexis Tsipras' Pläne kosten Griechenland zwölf Milliarden

Dabei droht Tsipras' Wahlprogramm, wenn es denn von den Rechtspopulisten mitgetragen wird, das Land in ein neuerliches Defizit zu stürzen. Alles soll anders werden unter seiner Regie. Das Ende des von der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds auferlegten Sparkurses soll nur der Anfang eines Programms sein, mit dem Tsipras das ganze Land umkrempeln will.

Mit einem ambitionierten Sozialpaket sollen die Griechen wieder "ein Leben in Würde" führen können. Dazu gehören subventionierte Strompreise für gut 300.000 einkommensschwache Haushalte. Zudem soll der öffentliche Nahverkehr verbilligt werden. Auch den Pensionären will Tsipras unter die Arme greifen und verspricht Bonuszahlungen für jene, deren Bezüge monatlich unter 700 Euro liegen. Bereits von Samaras durchgesetzte Rentenkürzungen werden aufgehoben. Der Mindestlohn, der im Zuge der Strukturreformen und Sparmassnahmen ebenfalls Kürzungen zum Opfer fiel, soll von derzeit 586 auf 751 Euro aufgestockt werden.

Alles in allem kosten diese Pläne das Land zwölf Milliarden Euro. Das Geld dafür will Tsipras aus dem Europäischen Strukturfonds beantragen, ausserdem verspricht er ein Ende der Steuerhinterziehung – die im Zuge der Krise das ganze Land erfasst hat. Vor allem die wenigen Reichen des Landes, etwa die Reederei-Milliardäre, sollen künftig tiefer in die Tasche greifen müssen.

Räumt Tsipras mit der Klientelpolitik auf?

An diesen Punkten haben sich schon andere Regierungen vergeblich abgearbeitet. Doch Tsipras hat einen entscheidenden Vorteil – mit dem er auch bei den europäischen Geldgebern punkten könnte: "Er gehört nicht zum alten politischen Establishment", erklärt Rappold. "Als Outsider, der in diese Kaste stösst, könnte er mit der Klientelpolitik aufräumen." Doch selbst wenn es Tsipras gelingt, dies in die Tat umzusetzen, reicht das Geld kaum aus, um die teuren Sozialausgaben zu decken.

Zusätzlich kündigte Tsipras ein Ende der Entlassungen aus Griechenlands aufgeblasenem Beamtenapparat an. Privatisierungen maroder Staatsunternehmen will der Syriza-Chef stoppen, bereits abgeschlossene Übergaben an Investoren gar wieder rückgängig machen. Dabei hat schon die Vorgängerregierung unter Antonis Samaras viel weniger umgesetzt, als von der Troika verlangt wurde.

50 Milliarden Euro sollte dieser Schritt durch die Abstossung unrentabler Firmen in die Staatskasse holen. Tatsächlich waren es nur elf Milliarden. Lohnkürzungen von Staatsbediensteten wurden zwar umgesetzt, dann aber wieder nach und nach durch kleinere Gesetze rückgängig gemacht. Ein Fortschritt bei der Bekämpfung von Korruption ist kaum zu verzeichnen, ausserdem lässt die Reform des Gerichtssystems auf sich warten: der Wunsch aus Brüssel nach mehr Transparenz stiess in Athen bislang auf taube Ohren. "Die vergangenen fünf Jahre zeigen, dass die bisherigen Regierungen gescheitert sind", sagt auch Rappold. "Entweder weil sie nicht wollten oder weil sie nicht konnten", folgert er.

Regierung in Athen steht jetzt schon unter Druck

Hier bietet sich für Tsipras die Gelegenheit, das kritische Europa hinter sich zu bringen. "Das ist vielleicht Tsipras' einziges Ass im Ärmel", so Rappold. Nur wenn er den europäischen Geldgebern glaubhaft versichern könne, dass er der einzige Partner sei, der die notwendigen strukturellen Reformen tatsächlich durchführen könne, habe er eine Chance.

Denn ihre Unterstützung hat Tsipras bitter nötig. Bis zum Frühjahr werden acht Milliarden an Rückzahlungen der laufenden Kredite und deren Zinsen fällig. Bis Jahresende folgen weitere elf Milliarden Euro. Summen, die das Land nicht aufbringen kann. Nur mit Mühe hat Vorgänger Samaras den Haushalt konsolidieren können.

Doch Reserven für Zusatzausgaben gibt es nicht. Hinzu kommt, dass die Geldgeber kaum einen Zahlungsaufschub gewähren werden oder überhaupt können: Die Europäische Zentralbank darf auf die Rückzahlung gar nicht verzichten, denn das käme einer unmittelbaren Schuldenfinanzierung gleich – eine klare Überschreitung ihres Mandats.

Zudem läuft Ende Februar das bereits verlängerte Hilfspaket über insgesamt 240 Milliarden Euro aus. Dann droht Griechenland eine neuerliche Zahlungskrise. Keine Frage – die junge Koalition steht unter Druck. Was sie zusammenhält, ist eine Forderung, die schon jetzt zum Scheitern verurteilt ist.

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