66,8 Prozent der Stimmenden und alle Kantone haben die rechtlichen Grundlagen für schnellere und günstigere Asylverfahren angenommen. Die SVP, die das Referendum gegen die Revision ergriffen hatte, muss eine weitere Niederlage in einem Kernthema hinnehmen.
Dass das Stimmvolk die Reform gutgeheissen hat, ist eine bittere Niederlage für die rechts-konservative Schweizerische Volkspartei (SVP) und bereits die zweite in diesem Jahr zur Ausländer- und Asylpolitik. Im Februar hatten 59 Prozent der Stimmenden die Durchsetzungs-Initiative abgelehnt, damals nach einem heftigen Abstimmungskampf.
Die Stimmbeteiligung lag bei zirka 46 Prozent. "Ein mittlerer Wert, der nicht in die Geschichte eingehen wird. Bei fünf Vorlagen kann man allerdings fast von einer Enttäuschung sprechen", sagte Claude Longchamp vom Forschungsinistitut gfs.Bern.
Freude und Erleichterung
"Mit diesem Entscheid erhält die SVP-Asyl-Polemik endlich eine Abfuhr, und das Schweizer Asylrecht wird für Schutz suchende Menschen verbessert, bilanziert Miriam Behrens, Direktorin der Schweizerischen Flüchtlingshilfe das Abstimmungsergebnis. Behrens fordert nach dem deutlichen Ja mehr Mittel für die Integration von Personen, die einen positiven Asylentscheid erhalten haben. "Es braucht mehr Geld für Sprachkurse, um die Flüchtlinge, die bleiben dürfen, möglichst rasch in die Gesellschaft zu integrieren."
Erfreut über das Ja zur Asylgesetzrevision zeigte sich auch Hans-Jürg Käser, Präsident der Kantonalen Polizeidirektorenkonferenz. "Mit den schnelleren Verfahren in Bundeszentren werden wir entlastet", sagte Käser.
Dass Verfahren künftig im Schnitt nur noch halb so lange dauern würden als heute und die Rahmenbedingungen für Bundeszentren geschafft seien, bezeichnet Käser als wichtige Schritte. "Wenn drei von fünf Asylverfahren künftig in Bundeszentren stattfinden, bedeutet dies einen kleineren Aufwand für die Kantone."
Die Sozialdemokraten (SP) und die Grünen werten das klare Ja zur Asylgesetzrevision als Niederlage für die SVP. Das Resultat zeige, dass die rechte Politik im Bundeshaus nicht dem Willen der Bevölkerung entspreche.
"Das deutliche Ja zum Asylgesetz ist ein Sieg der lösungsorientierten Politik über die Problembewirtschaftung", liess sich der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth zitieren. Die Schweiz habe nun erstmals eine Asylreform, die den Asylsuchenden mehr Vor- als Nachteile bringe.
Die Grünen hatten sich für ein "kritisches Ja" zur Revision ausgesprochen und sind entsprechend zurückhaltend in ihrer Reaktion. "Wir werden die Neustrukturierung des Asylwesens entsprechend aufmerksam begleiten", teilte die Partei mit.
Die Medien sind schuld"
SVP-Parteipräsident Albert Rösti will die deutliche Niederlage seiner Partei bei der Asylgesetzrevision nicht überbewerten. "Das war kein Plebiszit pro oder kontra SVP, sondern eine sachliche Diskussion", sagte er nach der zweiten SVP-Niederlage in diesem Jahr zur Ausländerpolitik.
Die Gegenargumente der SVP hätten beim Volk nicht verfangen, erklärte Rösti im Schweizer Fernsehen SRF, ohne auf die Gründe der deutlichen Schlappe einzugehen. Dafür forderte er stärkere Grenzkontrollen.
Nicht überrascht über das deutliche Resultat ist der Aargauer Nationalrat Andreas Glarner, verantwortlich für das Asyl- und Migrationsdossier der SVP: "Der Bundesrat hat eine Propagandamaschine geschaffen und das Volk damit hinters Licht geführt." Der in Sachen Asylpolitik als Hardliner geltende Glarner sagte, die SVP werde "ganz bald" vorweisen können, dass die Asylverfahren nicht schneller gingen, nicht günstiger seien und am Schluss die Gemeinden das Schlamassel hätten. "Dann werden wir den Bundesrat damit konfrontieren."
Thomas Aeschi, Nationalrat und Vizepräsident der SVP-Fraktion, spricht von "falschen Argumenten der Bundesverwaltung, die das Volk überzeugt hätten. Und das liege letztlich an den Medien: "Die Mehrheit der Medien war für das Gesetz und nicht wie wir dagegen."
Einmaliges Szenario
Erstmals an diesem Abstimmungssonntag wurde eine Revision des Asylgesetzes von der politischen Linken unterstützt, während die Rechte dieses mit einem Referendum bekämpfte. Denn seit den 1990er-Jahren macht sich die SVP für Verschärfungen des Gesetzes stark – Asyl, Ausländer, Migration gehören zu ihren Kernthemen.
Die Linke hingegen, die jeweils im Namen der humanitären Tradition der Schweiz argumentiert, musste sich regelmässig geschlagen geben. Mehrmals wurden Referenden, die sie gegen weitere Verschärfungen des Asylgesetzes eingereicht hatte, an der Urne abgeschmettert.
Pro und Kontra
Der Bundesrat und alle grossen Parteien ausser der SVP unterstützten die Vorlage. Für die Mehrheit der Linken, aber auch für verschiedene NGO wie etwa die Flüchtlingshilfe oder Amnesty International, war die Revision akzeptabel, weil sie den Asylsuchenden von Anfang an einen besseren rechtlichen Schutz und eine Verbesserung der Prüfungsverfahren ihrer Gesuche biete. Zudem sei das neue System günstiger und entlaste Gemeinden und Kantone.
Aus Sicht der SVP, die gegen die 2015 vom Parlament verabschiedete Revision das Referendum ergriffen hatte, sind beschleunigte Verfahren kontraproduktiv, weil sie mehr Asylbewerber anziehen könnten. Besonders kritisierte die rechtskonservative Partei die kostenlosen Rechtsberater, oder "Gratisanwälte", wie sie diese nennt, die den Asylbewerbern zur Seite gestellt werden. Zudem befürchtete die SVP, dass für den Bau von Asylzentren Grundstückbesitzer enteignet werden könnten.
Auch ein Komitee der Linken bekämpfte die Revision des Asylgesetzes. Das Komitee sprach von einer "dramatischen Verschärfung" des Asylrechts, die das Leben der Flüchtlinge noch mehr gefährden würde. © swissinfo.ch
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