- Unter dem Eindruck der Maskenaffäre sind die Christdemokraten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf historische Tiefstände gefallen.
- Politikwissenschaftlerin Ursula Münch sieht einen Grund für die Wahlschlappen auch bei der Bundesregierung in Berlin.
- Ampel-Koalitionen in den beiden Bundesländern könnten der Union ein wichtiges Argument im Bundestagswahlkampf rauben.
Desaströs, bitter, enttäuschend – so haben CDU-Politikerinnen und -Politiker am Sonntagabend die Landtagswahlen im Südwesten kommentiert. Die zwei ersten Abstimmungen des Superwahljahrs haben für die Christdemokraten zwei historische Tiefstände gebracht: In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben sie die schlechtesten Ergebnisse der Landesgeschichte eingefahren. Die Schwarzen haben nach diesen Wahlen gleich mehrere Gründe, schwarzzusehen.
Hat die Briefwahl Schlimmeres verhindert?
Die CDU hat in unterschiedliche Richtungen Wählerinnen und Wähler abgegeben. In beiden Bundesländern verlor sie vor allem bei den Älteren an Grüne beziehungsweise SPD. Zudem muss sich die CDU – wie schon die CSU in Bayern – mit einer neuen konservativ-bürgerlichen Konkurrenz auseinandersetzen: Die Freien Wähler schnitten gut ab, schafften in Rheinland-Pfalz mit 5,4 Prozent sogar den Sprung in den Landtag.
Möglicherweise hat die Briefwahl sogar Schlimmeres verhindert. Wegen der Corona-Pandemie haben so viele Wählende ihre Stimmen per Brief abgegeben wie nie zuvor. Viele von ihnen dürften schon abgestimmt haben, bevor die jüngsten Korruptionsvorwürfe gegen Unionsabgeordnete für Aufsehen sorgten. Bisher gibt es zwar keine Landesstatistiken zur Verteilung der Briefwahlstimmen. In Rheinland-Pfalz weisen manche Kommunen sie aber gesondert aus. In den Grossstädten Kaiserslautern und Ludwigshafen lagen die Briefwahlergebnisse der CDU zum Beispiel leicht über den Gesamtergebnissen.
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"Nicht mehr zufrieden mit Bundesregierung"
"Es hat sich mal wieder gezeigt, wie schnell sich Stimmungen ändern können", sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing glaubt nicht, dass die Wahlschlappen der CDU allein mit der Maskenaffäre oder landespolitischen Besonderheiten zu erklären sind. "Das ist auch das Signal, dass man mit dem Regierungshandeln auf Bundesebene nicht mehr zufrieden ist."
Die Union profitierte zunächst noch von der grossen Zustimmung der Bevölkerung zur Pandemiepolitik der Bundesregierung. Inzwischen ist das weniger der Fall. "Die aktuelle Unzufriedenheit mit der Corona-Politik wird überwiegend dem Bund angelastet: dem mässig kompetent wirkenden Bundeskabinett und vor allem den Ministerinnen und Ministern von CDU und der CSU", so Münch. Die Union sei stets die Partei gewesen, bei der viele Menschen auf Regierungserfahrung und Handlungsfähigkeit vertrauten. "Jetzt hat man den Eindruck, dass die Umsetzung nicht mehr klappt. Wer wie Gesundheitsminister Jens Spahn vor einem halben Jahr noch der grosse Star war, verliert genauso schnell an Zuspruch."
Krisenmanagement von Laschet gefragt
Im Fokus steht nun der neue Mann an der CDU-Spitze: Zwar schiebt niemand in der Union Armin Laschet die direkte Verantwortung für die Wahlniederlagen zu. Die Zeitung "Die Welt" fordert aber, der CDU-Chef müsse jetzt eine öffentliche Rolle finden. Die Süddeutsche Zeitung wiederum bezweifelt, dass
Trotzdem ist jetzt Krisenmanagement von ihm gefragt. Parallel dazu muss der CDU-Vorsitzende aber auch das grösste Bundesland Nordrhein-Westfalen regieren. Daher wird in Parteikreisen spekuliert, Laschet könnte das Amt als Landesvater aufgeben, um sich ganz dem nahenden Bundestagswahlkampf zu widmen. Politikwissenschaftlerin Ursula Münch bezweifelt jedoch, dass ihm dieser Schritt nutzen würde: Damit würde Laschet sich des Handlungsfelds als Ministerpräsident berauben – zudem habe er in Berlin kein Regierungsamt, in dem er sich profilieren könnte.
Kanzlerkandidat weiter offen
Unklar ist aus Münchs Sicht noch, wie sich die Wahlschlappen im Südwesten auf die Kandidatenfrage auswirken: Zieht Armin Laschet oder Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef
Allerdings ist keineswegs sicher, ob Söder überhaupt von Bayern nach Berlin wechseln will – und die Lust könnte nach Einschätzung der Politikwissenschaftlerin nach dem gestrigen Wahlabend eher gesunken sein: "Je unsicherer ein Wahlerfolg für die Union wird, desto riskanter wird die Geschichte. Warum sollte Markus Söder das machen?"
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Ampel-Bündnisse in zwei Bundesländern möglich
Ein weiteres Problem für CDU und CSU: Seit Sonntagabend ist eine "unionsfreie" Regierungskonstellation verstärkt in der Diskussion, nämlich die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen. In Rheinland-Pfalz könnte das Dreierbündnis weiterregieren. Auch in Baden-Württemberg zeigen sich die Liberalen inzwischen offen für Grün-Rot-Gelb.
Dann wäre die CDU in Mainz und Stuttgart nicht einmal als kleinerer Regierungspartner im Boot. Aus Sicht von Ursula Münch ist die Diskussion über die Ampel für die Union aber auch aus Wahlkampfsicht fatal: Vor allem die CSU warne schon seit Wochen vor einem rot-rot-grünen Linksbündnis im Bund. "Das greift jetzt nicht mehr – zumindest dann nicht, wenn die FDP auch im Bund den Eindruck erweckt, dass sie für eine Ampel zur Verfügung stünde", so Münch.
Die Liberalen haben ihre Begeisterung für ein solches Bündnis zwar immer wieder gedämpft. Doch allein die Diskussion über die Ampel könnte es der Union schwerer machen, die Drohkulisse vor einer rot-rot-grünen Bundesregierung aufrechtzuerhalten.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Prof. Dr. Ursula Münch, Akademie für Politische Bildung Tutzing
- Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: "Wahl zum 17. Landtag von Baden-Württemberg am 14. März 2021"
- Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz: "Landtagswahl 2021 – Vorläufiges Endergebnis"
- Süddeutsche Zeitung vom 15. März: "Düstere Stimmung bei den Schwarzen"
- Welt.de: "Absturz der CDU. Die Schonzeit für Laschet ist vorbei"
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