Das Wahl-Beben fällt stärker aus als erwartet. Die AfD vermasselt den etablierten Parteien am Super-Wahl-Sonntag die Koalitionsbildungen gehörig und sieht sich schon auf dem Weg zur Volkspartei. Wie die AfD ihre Arbeit als Opposition wahrnehmen will und wie die anderen Parteien jetzt reagieren müssen.

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Sie sprangen wie wild durch den Saal. Sie lagen sich in den Armen. Sie verspotteten CDU und SPD, buhten die Grünen aus. Euphorisiert. Das waren viele Anhänge der Alternative für Deutschland (AfD) in der Alten Reithalle in Stuttgart.

15,1 Prozent holten die Rechtspopulisten aus dem Stand bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. In Sachsen-Anhalt waren gar es 24,2 Prozent. Und auch in Rheinland-Pfalz gelang der Einzug ins Landesparlament deutlich.


Die etablierten Parteien sind gewarnt. Im Wahlkampf haben sie sich gegenseitig bekämpft, anstatt der AfD Einhalt zu gebieten. Der Erfolg der AfD ist auch ihr Versagen. Wie sie damit umgehen müssen und ob die Alternative für Deutschland an ihrer Aufgabe als parlamentarische Opposition zerbricht – Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wird die AfD auch künftig nur an Emotionen appellieren?

Ja. Die Partei selbst sieht die drei Landtagswahlen als Startschuss. Die Ergebnisse bestärken sie. Es war in Stuttgart aus den Gesichtern der Parteimitglieder abzulesen. Der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland war unter ihnen.

Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärte der 75-Jährige, dass das grosse Ziel die Bundestagswahl im Herbst 2017 sei. Vor der Bundestagswahl stehen die Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern an. Eine Abkehr von der Methodik ist nicht zu erwarten. Mehr noch: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist durch einen Teil der Wähler abgestraft worden.

Die Attacken auf sie dürften noch schärfer werden. Gauland bot einen Vorgeschmack auf das, was folgen dürfte: "Wir werden die alten Parteien vor uns hertreiben", rief er den Parteimitgliedern entgegen. "Das ist die Antwort auf Merkels moralischen Imperialismus.

Wird die AfD auch in den Parlamenten einen aggressiven Kurs fahren?

Nein. Die Befürchtungen der etablierten Parteien: Die AfD wird als Blockade-Opposition auftreten. Doch das greift zu kurz. "Ich werde in der Fraktion dafür werben, dass wir nein sagen, wo es angebracht ist und dass wir ja sagen, wo wir als Opposition vernünftige Gesetze mit durchsetzen", sagte der künftige Parlamentarier Rüdiger Klos im Gespräch mit unserer Redaktion.


Der Pforzheimer hatte das Direktmandat im Wahlkreis Mannheim Nord geholt. Sicher ist: Es wird viel kalkuliert werden. Gerade beim Thema Bildungspolitik, über das sich die Partei selbst definiert. Die AfD wird abwägen und blockieren, wo sie die Regierungsparteien diskreditieren kann und mitwirken, wofür sie sich selbst profilieren will.

Zerbricht die AfD an den Anforderungen, die auf sie als Opposition zukommen?

Es ist nicht ausgeschlossen. Ihr Problem: Der Wahlkampf ist vorüber. Sie wird sich auf Landesebene nicht mehr über die Flüchtlingspolitik profilieren können. Landesgesetzgebung ist meist viel unspektakulärer.

Intern warten ebenfalls Hindernisse. So ist die Partei in einen radikalen rechten und deutlich moderateren bürgerlich-konservativen Flügel geteilt. Diese Flügel müssen nun als Fraktionen Realpolitik machen. Zwist ist wahrscheinlich.


Die CDU erlebt das gerade. Konservative Mitglieder kritisieren Merkel für ihre angeblich sozialdemokratische Politik. Der innere Streit hat der CDU nachweislich geschadet.

Ein weiteres Problem der AfD: Viele der kommenden Parlamentarier sind landespolitisch völlig unerfahren. Sie sind Politik-Einsteiger, kommen teils aus anderen Parteien, wo sie sich nicht durchsetzen konnten oder aus der Kommunalpolitik.

Was sollen die anderen Parteien im Umgang mit der AfD jetzt tun?

Sie endlich ernst nehmen. Wer die Landespressekonferenzen und Interviews verfolgt hat, wunderte sich. Es ging meist nur darum, das eigene Scheitern zu verarbeiten oder sich eigenwillig stark zu reden. Vielmehr gilt es, die Schwächen des politischen Programms der AfD klar zu benennen.

Ein Beispiel ist das Streben nach Volksentscheiden wie in der Schweiz. Das ist zwar in der Tat sehr demokratisch, in einem riesigen Bundesstaat wie Deutschland mit dieser föderalen Struktur aber schlicht nicht umsetzbar.

Die Wahl hat gezeigt: Die Partei als Rechtspopulisten abzutun – was einzelne Mitglieder sicher sind – reicht nicht.


Wichtig ist ein einheitliches Auftreten. Streit bei den Regierungsbildungen wäre Gift. Diese müssen harmonisch und souverän ablaufen. Alles andere deutet der Wähler als Schwäche.

Zudem muss Pragmatismus die Eitelkeiten ersetzen. Die SPD verweist zurecht auf ihre Geschichte. Die Gegenwart lässt ein derartiges Selbstverständnis aber nicht mehr zu.

Wird die AfD wieder verschwinden?

"Das war nur ein Zwischenschritt, wir sind auf dem Weg zur Volkspartei", sagte Gauland im Gespräch mit unsere Redaktion.

Alarmierend ist, dass selbst das Votum für einen Schiessbefehl an der Grenze die Bürger nicht davon abgehalten hat, der AfD ihre Stimme zu geben.

Ein Vergleich: In Frankreich greift der rechtspopulistische Front Nationale nach der Präsidentschaft – und das, obwohl die Partei offen antisemitisch ist.

Aktuell kann wohl nur eines die AfD einbremsen: eine restriktivere Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Das muss man moralisch nicht gutheissen. Aber es gibt Realitäten. Diese zeigten sich nun an den Wahlurnen.


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