Sie geizen nicht mit Kritik an der CSU, würden nach den Landtagswahlen aber gerne mit ihr koalieren: FDP und Freie Wähler könnten in Bayern bald Teil der Regierung werden. Wofür stehen die beiden Parteien?
Hinter den Kulissen laufen die Planungen für eine Regierungsbeteiligung angeblich bereits auf Hochtouren: Die bayerische FDP etwa wolle sich nach den Landtagswahlen das Ministerium für Wirtschaft und Innovation sichern, berichtet der "Münchner Merkur".
Und
Derzeit deutet vieles darauf hin, dass die CSU bei den bayerischen Landtagswahlen am 14. Oktober ihre absolute Mehrheit verliert – und dann könnte die Stunde der beiden kleinen Parteien schlagen.
Freie Wähler: Politik für ländliche Gebiete
Seit zehn Jahren sitzen die Freien Wähler im bayerischen Landtag – ihre starke Stellung dort ist bundesweit eine Besonderheit. Und sie speist sich zu einem Grossteil aus der Unzufriedenheit mit der CSU-Alleinregierung.
Denn eigentlich sind die Freien Wähler Fleisch aus dem Fleische der Christsozialen und vertreten eher konservative Positionen.
Allerdings legen sie den Finger dort in die Wunde, wo Versäumnisse der Landesregierung sichtbar werden. Etwa wenn es um kaputte Strassen, zu wenig Kinderbetreuung oder mangelnde Internetversorgung auf dem Land geht.
"Die Freien Wähler verfolgen eine Politik, die den Fokus auf ländliche Gebiete legt", sagt Michael Weigl, Politikwissenschaftler an der Universität Passau, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Dabei stehe eine eher pragmatische Politik im Vordergrund. "Es gibt relativ wenig grosse Entwürfe, dafür schaut die Partei eher nach Themen, die den Leuten unter den Nägeln brennen."
Verankert in den Kommunen
Bei den derzeit besonders häufig diskutierten Themen Einwanderung und Flüchtlinge stehen die Freien Wähler der amtierenden Landesregierung eigentlich nahe. "Allerdings wollen sie dem CSU-Kurs manche Spitze nehmen", sagt Weigl.
So wollen die Freien Wähler zum Beispiel an Grenzkontrollen festhalten, den Familiennachzug von Flüchtlingen "deutlich begrenzen" und Zuwanderer frühestens nach fünf Jahren Sozialleistungen zugestehen. Gleichzeitig bekennen sie sich zum Asylrecht für politisch Verfolgte – und wollen Menschen mit Bleiberecht schneller in Arbeit bringen.
Ausserdem hat sich die Partei gegen das umstrittene Polizeiaufgabengesetz ausgesprochen.
Für bürgerliche Wähler, die mit der CSU unzufrieden sind, ist die Partei des Vorsitzenden Hubert Aiwanger offenbar eine Alternative. Gerade für Menschen, die den scharfen Kurs von CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer ablehnen. "Die CSU hat diesen Wahlkampf emotionalisiert und polarisiert. Davon profitiert aber nicht sie selbst, sondern die anderen Parteien", glaubt Weigl.
Den Freien Wählern kommt ein weiterer Umstand zugute: Im Gegensatz zur FDP sind sie in den Kommunen gut vernetzt.
Denn die Landespartei ist aus dem Dachverband der unabhängigen Wählergruppen hervorgegangen, die bei Kommunalwahlen in Bayern seit jeher eine feste Grösse sind und in zahlreichen Gemeinden und Kreisen regieren.
Diese Verankerung sei für die Freien Wähler ein grosser Vorteil, sagt Michael Weigl. Der Experte weist allerdings auch auf ein häufiges Missverständnis hin: Formal haben die Wählergruppen vor Ort nichts mit der Landespartei zu tun, manche davon unterstützen die Aiwanger-Truppe noch nicht einmal explizit.
FDP: Betont dynamisch
Anders sieht es für die Liberalen aus: "Die FDP hat in Bayern traditionell einen sehr schweren Stand, sie verfügt auch über einen eher schwachen Organisationsgrad", erklärt Michael Weigl.
"Die Hochburgen, die sie hier in den 1950er-Jahren noch hatte, sind längst abgeschliffen. Die Partei ist noch stärker als andere vom Bundestrend abhängig." Da der derzeit nicht allzu schlecht aussieht, kann die FDP aber auf den Sprung in den bayerischen Landtag hoffen, in dem sie derzeit nicht vertreten ist.
Ähnlich wie die Freien Wähler stellt sich die FDP als bürgerliche Alternative zur CSU dar: Inhaltlich finden sich zwar Überschneidungen, die Liberalen setzen aber eher auf Ausgleich statt Schärfe, geben sich weltoffen und dynamisch.
"Angstmacherei ist die Schlachtbank des Fortschritts", lautet ein Slogan auf den Wahlplakaten. Der erst 37-jährige Spitzenkandidat Martin Hagen schlägt zwar die Gründung eines "Asyl-Ministeriums" vor, setzt ansonsten im Wahlkampf aber vor allem auf die Themen Bildung und Wirtschaft.
So sollen Kitas im Freistaat langfristig kostenlos werden. Die Liberalen wollen Gründer mit neuen Stipendien fördern und die Ladenöffnungszeiten an Werktagen freigeben. "Ähnlich wie die Grünen spricht die FDP vor allem städtische und besserverdienende Milieus an, allerdings mehr wirtschaftsorientierte Wähler", erklärt Michael Weigl.
Bündnis mit oder gegen die CSU?
Trotz der deutlichen Abgrenzung: Freie Wähler und FDP seien klar dem bürgerlichen Lager zuzuordnen, sagt der Politikwissenschaftler.
Deshalb hält er es auch für sehr unwahrscheinlich, dass die beiden Parteien nach den Landtagswahlen mit Grünen und SPD über eine wacklige Koalition gegen die CSU verhandeln würden.
Denkbar wäre eher, dass die beiden Bürgerlichen zu Königsmachern werden und ein Bündnis mit den Christsozialen schmieden. Zumindest die FDP müsste sich dann wohl überlegen, was sie anders machen will als beim letzten Mal: Nachdem die bayerischen Liberalen 2008 eine Koalition mit der CSU eingegangen war, waren sie 2013 klar aus dem Landtag geflogen.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Michael Weigl, Politikwissenschaftler Universität Passau
- "Augsburger Allgemeine": Hubert Aiwanger – Provokateur mit Ambitionen
- "Donaukurier": PAG – Schorer dafür, Gottstein dagegen
- "Merkur.de": FDP plant für mögliche Koalition in Bayern: Sattelberger soll Minister werden
- "Süddeutsche.de": Grosse Werte, kleiner Zuspruch
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