Am 14. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Die Freien Wähler könnten Koalitionspartner der CSU werden – sollten sich sich aktuelle Umfrageergebnisse bewahrheiten. Wir haben mit dem Generalsekretär der FW, Professor Michael Piazolo, über die wichtigsten Ziele seiner Partei und Schnittmengen mit der CSU gesprochen.

Ein Interview
von Fabienne Rzitki

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Herr Piazolo, was sind die drei wichtigsten politischen Ziele der Freien Wähler?

Michael Piazolo: Wir wollen für die Menschen in der Stadt und auf dem Land gleichwertige Lebensverhältnisse. Das heisst, wir wollen Städte wie München entschleunigen und zugleich den ländlichen Raum weiterentwickeln.

Das zweite grosse Ziel ist, die Wohnungsnot zu bekämpfen. Gerade in Ballungszentren ist das mittlerweile ein grosses Problem.

Besonders am Herzen liegt uns auch das Thema Bildung. Das fängt schon bei den Kleinen an. Wir wollen kostenlose Kindertagesstätten und eine bessere Bezahlung des Personals.

Viele Menschen können sich schon jetzt Wohnen nicht mehr leisten. Was wollen Sie gegen steigende Mieten tun?

Es gibt nicht die eine Lösung, sondern es muss über viele Einzelmassnahmen nachgedacht werden. Luxussanierungen, die die Mieten in die Höhe treiben, können wir erschweren, indem wir die Gebiete mit preiswertem Wohnraum erweitern.

Um das zu erreichen, gibt es zum Beispiel in München die Erhaltungssatzung. (Anm.d.Red.: Dabei handelt es sich um eine baurechtliche Satzung. Sie ist ein wichtiges Instrument, um bestehende Wohnungen vor Umwandlungen und Luxussanierungen zu schützen). Ausserdem müssen wir den Menschen finanzielle Anreize bieten. Das Baukindergeld, das es jetzt gibt, ist eine Möglichkeit. Auch Genossenschaftsmodelle sind eine Option.

Während andere Parteien den Wohnungsbau in Städten wie München unbedingt fördern wollen, überrascht Ihre Partei mit einem konservativ-bewahrenden Konzept. Bauen ist für Sie nicht die Lösung?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Neubauen auf Teufel komm raus gar nichts bringt. Denn das würde Wohnen nur noch teurer machen. Die Preise würden wegen der hohen Mieten bei Neubauten in die Höhe schnellen. Die Erwerbskosten für Eigentumswohnungen liegen teilweise schon jetzt bei 15.000 Euro pro Quadratmeter.

Ausserdem haben wir in Städten wie München gar nicht so viel Raum für Neubauten. Auf der anderen Seite vereinsamen auf dem Land viele Ortskerne. Hier müssen wir einen Ausgleich schaffen. Der Siedlungsdruck auf die Städte könnte durch die Bauentwicklung im ländlichen Raum und mehr Arbeitsplätze abgemildert werden.

Dazu gehört allerdings auch eine gut funktionierende Infrastruktur …

Das ist eins der Kernprobleme. Die CSU plant für einige Städte ein 365-Euro-Jahresticket. Das ist zwar ganz nett gemeint, aber zunächst müsste man den Nahverkehr ausbauen. Die Systeme sind schon jetzt völlig überfüllt. Da würde ein günstigeres Ticket die Situation weiter verschärfen.

Was wir also brauchen, sind bessere Bus- und Bahnverbindungen. Gerade auch im ländlichen Raum müssen die Bedingungen so gestaltet werden, dass die Menschen dort bleiben können. Dazu gehört auch eine flächendeckende Breitbandversorgung.

Ein grosses Problem ist der zunehmende Verkehr in den Städten. Welche Lösungsansätze bieten die Freien Wähler?

Man muss den Verkehr aus den Grossstädten rausbringen. Es gibt viele Pendler, die etliche Kilometer mit dem Auto zur Arbeit fahren, weil sie sich Wohnen in der Grossstadt nicht leisten können.

Nur, wenn es keine vernünftige Zug- oder Busverbindung gibt, dann nehmen sie das Auto. Das wiederum führt zu einer höheren Feinstaubbelastung. Sie sehen also, die Probleme greifen alle ineinander: Wohnen, Verkehr, Umweltschutz, Arbeitsplätze.

Die Freien Wähler wollen kostenlose Kitas und eine bessere Bezahlung für das Personal. Wie viel würde das kosten und wie soll es finanziert werden?

Es kommt darauf an, wie es angelegt wird. Wir rechnen mit bis zu 400 Millionen Euro, die über Steuern finanziert werden. Aber wir wollen nicht jede Kita kostenfrei machen. Kinderbetreuungsstätten, die 900 Euro im Monat kosten, weil sie dreisprachig erziehen, gehören nicht dazu.

Finanzieren wollen wir Kindertagesstätten, die bis zu 400 Euro kosten und eine Betreuungszeit von fünf bis sechs Stunden haben.

Wie stehen Sie zur Asylpolitik der CSU?

Wir sehen die Ankerzentren sehr kritisch, weil wir befürchten, dass sich dort Probleme potenzieren, wenn man dort Menschen festhält. Wir lehnen auch die bayerische Grenzpolizei ab, weil für den Grenzschutz die Bundespolizei zuständig ist. Die bisherige Schleierfahndung war völlig ausreichend. Das alles wirkt sehr aktionistisch.

Bei aller Kritik sind wir dennoch für Abschiebungen. Wer keinen Anspruch auf Asyl hat, der muss zurückgeführt werden. Wir sind für Abschiebungen in sichere Drittstaaten bei Bewerbern, deren Asylantrag abgelehnt worden ist. Diese Verfahren müssen schneller ablaufen. Es kann nicht sein, dass einige fünf oder sieben Jahre dauern.

Aktuellen Umfragen zufolge könnte die AfD drittstärkste Kraft im bayerischen Landtag werden. Wie bewerten Sie das?

Wir alle fänden es schrecklich, wenn die AfD in den Landtag kommt, weil sie sich im Lauf der letzten Monate immer mehr radikalisiert hat. Den Wählern muss klar sein, wen oder was sie damit vielleicht wählen. Hier geht es nicht mehr nur um Protest.

Die AfD ist nicht einfach nur national-konservativ. Viele Aussagen, die von deren Mitgliedern getätigt werden, sind rechtsradikal. Die AfD will das parlamentarische System in vielen Bereichen untergraben. Dieser Herausforderung müssen wir uns als Politiker stellen.

Es ergibt keinen Sinn, sich wegzuducken. Wir müssen das Thema offensiv angehen. Sollte die AfD in den Landtag kommen, dann hoffe ich, dass das eine einmalige Geschichte bleibt.

Wie erklären Sie sich das Erstarken der AfD in Bayern?

Es verwundert, dass sie vor allem dort stark ist, wo es wenige Migranten gibt. Das Migrationsthema kann demnach nicht der einzige Grund sein. Es liegt wohl viel eher daran, dass unter der CSU in Bayern und im Bund viele Probleme nicht angegangen wurden.

Das betrifft Themen wie den Pflegenotstand und den Wohnungsmangel. Die Menschen vertrauen den etablierten Parteien nicht mehr und protestieren, indem sie die AfD wählen. Dabei hat die Partei selbst keine Konzepte, wie sie die Probleme angehen beziehungsweise lösen will.

Der Hilfeschrei, der sich im Protest äussert, wird verpuffen, weil es vonseiten der AfD keine Hilfe geben wird. Aus dieser Ecke werden nur noch mehr Probleme kommen.

Wie gross ist Ihre Hoffnung, demnächst in Bayern mitregieren zu können?

Das entscheidet der Wähler. Wir legen allerdings in den Umfragen zu und hoffen, dass dieser Trend anhält. Wenn die Möglichkeit besteht, mitgestalten zu können und wenn es inhaltlich passt, dann würden wir gerne Verantwortung übernehmen und mitregieren.

Wo sehen Sie Schnittmengen mit der CSU und wo Differenzen?

Freie Wähler und die CSU sind in der bürgerlichen Mitte angesiedelt. Die CSU ist etwas nach rechts gedriftet, versucht da aber gerade einzulenken. Schnittmengen gibt es bei grundsätzlichen Themen wie Bildung oder der Weiterentwicklung von Stadt und Land.

Die Unterschiede liegen bei Grossprojekten wie der dritten Startbahn am Münchner Flughafen, den Stromtrassen oder dem Weltraumprogramm der CSU. Das alles sehen wir kritisch, weil es uns zunächst einmal darum geht, die wirklich wichtigen Probleme zu lösen. Wir sehen uns näher an den Problemen, die die Menschen beschäftigen. Das erdet uns.

Auch die Sprache und der Umgang in der CSU und in der Union gefallen uns nicht. Ich erinnere an den Machtkampf zwischen Horst Seehofer und Markus Söder, Angela Merkel und Horst Seehofer. Das ist nicht unser politischer Stil.

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