Hessen hat gewählt und ein Trend setzt sich weiter fort: Die GroKo-Parteien haben erneut deutlich in der Wählergunst verloren. Die Zusammenarbeit der Sozialdemokraten mit der Union in Berlin wankt heftig. Und selbst der hessische Ministerpräsident richtet deutliche Worte in Richtung Berlin.

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Nach den herben Verlusten für die SPD bei der hessischen Landtagswahl hat sich Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel enttäuscht gezeigt und die Bundespolitik in die Mitverantwortung genommen.

"Das ist eine bittere Niederlage, und da gibt's auch nichts dran herumzudeuteln", sagte er. Die SPD habe die Kompetenz für Themen wie Wohnen und Schulen zugeschrieben bekommen, aber dennoch das Rennen verloren.

"Das Ergebnis zeigt sehr eindeutig, dass die Möglichkeiten begrenzt sind, gegen einen übermächtigen Bundestrend mit den eigenen Themen im Land zu gewinnen", erklärte Schäfer-Gümbel. "Wir haben nicht nur keinen Rückenwind aus Berlin erhalten, sondern wir hatten regelmässig Sturmböen im Gesicht."

"Entsetzen" bei hessischer SPD

Die hessische SPD-Generalsekretärin Nancy Faeser zeigt sich vom Ergebnis ihrer Partei "entsetzt". "Mit diesem Ergebnis haben wir so nicht gerechnet", sagte Faeser.

Auch sie sieht den Grund für die herben Verluste in der Bundespolitik. Es habe nicht nur Gegenwind aus Berlin gegeben, sondern es seien "ganze Sturmböen gekommen".

Das Ergebnis sei eine Art Misstrauensvotum gegen die SPD. "Ich glaube, dass die SPD in einer tiefen Vertrauens- und Glaubenskrise ist", sagte Faeser.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, Günter Rudolph, hat die grosse Koalition in Berlin für das schlechte Abschneiden der SPD in Hessen verantwortlich gemacht.

"Die grosse Koalition hat sich mit sich selbst beschäftigt, statt Probleme zu lösen", sagte er im hr-Fernsehen. "Da war ein Orkan aus Berlin, der auf uns nieder gegangen ist."

Klingbeil: Die GroKo ist schuld, aber ...

Währenddessen hat SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ebenfalls eingeräumt, dass die historische Niederlage der SPD in Hessen auch auf die Berliner Regierungspolitik zurückgeht. Doch es müssten andere Schlüsse gezogen werden.

Das Ergebnis sei ein Signal für die Regierungsparteien in Berlin, dass es so mit der grossen Koalition nicht weitergehe könne, sagte Klingbeil am Sonntagabend in Berlin. "Es muss jetzt einen Klärungsprozess zwischen allen drei Koalitionsparteien geben." Die Frage sei, ob man die notwendige Kraft habe. "Es muss sich in Berlin deutlich etwas ändern."

Klingbeil zeigte Verständnis dafür, dass in der SPD die Diskussionen über einen Ausstieg aus der grossen Koalition zunähmen. Aber die Forderung, sich einfach aus der Regierung zu verabschieden, sei zu kurz gegriffen.

Die Parteiführung wolle schon an diesem Montag konkrete Vorschläge vorlegen, wie die Partei wieder stärker werden könne. Nötig seien "programmatische Klärungsprozesse", die man jetzt schnell angehen werde.

Nahles setzt GroKo Ultimatum

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles setzt der GroKo hingegen ein Ultimatum. "Der Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel", sagte sie in Berlin. Schwarz-Rot müsse nun einen "verbindlichen Fahrplan" vereinbaren - an dessen Umsetzung bis zur "Halbzeitbilanz" der Regierung werde sich entscheiden, ob die SPD in der Koalition noch "richtig aufgehoben" sei.

Zu den Verlusten der SPD in Hessen habe die Bundespolitik "erheblich" beigetragen, anaylsierte Nahles. "Es muss sich in der SPD etwas ändern." Diese Partei habe viel Arbeit vor sich. Es müsse wieder klar gemacht werden, wofür die Sozialdemokraten stünden.

Sie erwarte auch, dass die Union "inhaltliche und personelle" Konsequenzen ziehe, sagte Nahles ohne Details zu nennen. Die SPD wolle allerdings nicht warten, dass die Regierung in einen "vernünftigen Arbeitsmodus" komme, sondern sie wolle dies "sicherstellen". Dazu müsse nun der verbindliche Fahrplan festgelegt werden.

Volker Bouffier: "Weckruf für Berlin"

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) fordert Änderungen in Berlin und hofft die Bundesregierung hat den "Weckruf" gehört. "Die Botschaft, die man von Hessen natürlich nach Berlin geben kann und muss: Die Menschen möchten weniger Streit, sie möchten sachorientierte Arbeit", sagte er im Hessischen Rundfunk.

Und weiter: "Die grosse Koalition hat ja sogar einiges durchaus Ordentliches auf den Weg gebracht. Das ist aber kaum durchgedrungen - der Streit hat alles überlagert. Die Botschaft für Berlin ist völlig klar: ordentlich regieren." (mgb/dpa)

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