Keine Interviews mehr, keine Inserate: Christian Kern ruft einen Boykott von "Österreich" und "Oe24.at" aus. Das Blatt reagiert mit einer spöttischen Stellungnahme.

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Christian Kern (SPÖ) inseriert ab sofort nicht mehr in der Gratiszeitung "Österreich". "Nur, weil ich bei einer Wahl kandidiere, heisst das noch lange nicht, dass ich alles mitmachen muss", argumentiert der Bundeskanzler.

"Österreich" führe eine Kampagne gegen seine Person, schreibt Kern auf Facebook. Schon vergangene Woche hatte der Kanzler angekündigt, dem Boulevardblatt keine Interviews mehr zu geben.

Kern ortet "Angriff auf politische Kultur"

Jeden Tag würden "verleumdende Texte und abwertende Fotomontagen veröffentlicht", moniert Kern. "Offenbar erwartet sich der Herausgeber dadurch mit anderen Kandidaten bessere Geschäfte. Die moralische Qualifikation in diesem Fall überlasse ich gerne anderen."

Es sei sein Recht zu sagen, er mache das nicht mit. Konkret bedeutet das: "Keine Interviews mit mir in 'Österreich', keine TV-Diskussionen auf oe24. Und natürlich auch keine Wahlkampf-Inserate."

Klar sei, dass ein Politiker kritische Berichterstattung aushalten müsse. "Aber hier geht es nicht um kritische Berichterstattung, sondern um eine Kampagne und um einen Angriff auf die politische Kultur im Land."

Antwort von "Österreich"

Wolfgang Fellner, Herausgeber des Boulevardblatts, reagierte mit einem umfangreichen Statement. Kern habe am Montagabend Inserate in Höhe einer "atemberaubenden Summe von 50.000 Euro (das Jahresvolumen einer grösseren Pizzeria)" storniert, "die weder den Wahlsieg noch den wirtschaftlichen Erfolg von 'Österreich' beeinflussen werden."

Es stehe Kern frei, im Rahmen seines Wahlkampfs zu inserieren, wo er wolle. "Schon problematischer wird es, wenn der Kanzler offen mitteilt, dass das Inseraten-Storno nur deshalb erfolgt, weil 'Österreich' über ihn kritisch berichtet", schreibt Fellner.

Auch über Kurz habe man ein internes Strategiepapier veröffentlicht - dieser habe "deutlich professioneller und souveräner reagiert" als Kern.

Es sei eine journalistische Pflicht, beide Dokumente zu veröffentlichten. "Selbstverständlich ist es auch nicht 'privat', wenn das eigene (!) Wahlkampfteam in diesem 'Dossier' eine Schwachstellenanalyse des eigenen Spitzenkandidaten anfertigt", argumentiert der Herausgeber.

Man werde Christian Kern "bis zur Wahl genauso fair behandeln" wie die anderen Kandidaten, "aber ein Kanzler sollte kein Mimoserl sein".

Kern in internem Papier als "Prinzessin" betitelt

Kerns Schritte folgten auf die Veröffentlichung eines internen Dokuments, das von einem Mitarbeiter von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer verfasst worden sein soll - laut "Österreich" im Auftrag des mittlerweile gefeuerten Beraters Tal Silberstein. Die "Kronen-Zeitung" hatte zuvor bereits Auszüge daraus veröffentlicht.

Silberstein habe wissen wollen, ob die SPÖ fit für Neuwahlen sei, schrieb das Boulevardblatt. Ergebnis: Die SPÖ sei "nur bedingt kampagnenfähig". Zudem wird Kanzler Kern in dem Dokument als "Prinzessin" und "ungemein eitel" bezeichnet. Mediale Schelte halte er kaum aus und reagiere "nervös, um nicht zu sagen panisch".

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