Im gestrigen TV-Duell auf ORF ging es zeitweise heftig zur Sache. Vor allem Heinz-Christian Strache wollte die Gunst der Stunde nutzen, sich profilieren und von Sebastian Kurz und dessen türkiser Bewegung abheben. Der Aussenminister liess sich davon nur wenig beeindrucken - und reichte dem FPÖ-Chef sogar das eine oder andere Mal die Hand.
"Sitzt hier die neue grosse Koalition?", wollte ORF-Moderator Tarek Leitner zu Beginn von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wissen.
Für den Aussenminister gebe es mit dem FPÖ-Chef prinzipiell eine "ordentliche Gesprächsbasis".
Zudem, legte Strache nach, stehe hinter Kurz eine alte ÖVP, "die dieser versucht, mit türkisem Anstrich zu verstecken."
Spendenvorwürfe für Sebastian Kurz "schwachsinnig"
Der FPÖ-Chef griff dann auch gleich noch das Thema Spenden an, ortete bei den Kurz-Grossspendern "Geschäftsinteressen" und "Verstrickungen" und nannte auch den Namen des Immobilienunternehmers Georg Muzicant.
Hier müsse man schon überlegen, mit welchen Erwartungen diese Spenden verknüpft sein könnten, so Strache. "Ich bin es ja gewohnt, dass in diesem Wahlkampf jeden Tag ein neuer Vorwurf kommt", entgegnete Kurz. Zu vermuten, es gebe hier Einflussnahmen, sei jedoch "schwachsinnig".
Der Aussenminister warf dann wiederum Strache vor, Muzicant lediglich seines "jüdischen Backgrounds" wegen herausgegriffen zu haben und kritisierte dessen "Anpatzen". Die Leute hätten diesen Stil satt, so der ÖVP-Chef.
"Migration & Integration" - ein "Heimspiel" für FPÖ und ÖVP
"Ich bin zufrieden mit dem, was ich durchgesetzt habe", so der Integrationsminister, der die Schliessung der Westbalkanroute und das Vollverschleierungsverbot als Beispiele brachte, plötzlich aber auch sein Gegenüber lobte.
"Was stimmt, ist, dass Herr Strache hier bereits früh Probleme aufzeigte." Vor dem Hintergrund des an diesem Abend nicht wahnsinnig staatsmännisch agierenden FPÖ-Mannes ein durchaus überraschender Zeitpunkt - ein erstes Reichen der Hand.
Ein Hauch von einem Koalitionsflirt am Ende? Luft nach oben gebe es aber dennoch bei der FPÖ, fügte Kurz dann aber hinzu.
Heinz-Christian Strache redet sich in Rage
Strache war indes so gar nicht auf Kuschelkurs programmiert. Das Reiten einer nächsten Attacke schien ihm die ungleich bessere Idee zu sein.
"Sie haben damals Sätze wie 'Der Islam gehört zu Österreich', 'Wir brauchen mehr Willkommenskultur' und 'Der durchschnittliche Zuwanderer ist gebildeter als der durchschnittliche Österreicher' gesagt", so Strache.
Auch einen Tweet des ÖVP-Chefs, in dem dieser den österreichischen Muslimen zum Opferfest gratulierte, zückte er. "An diesem Tag, so der FPÖ-Bundesparteiobmann, gebe es Tierquälereien und Schächtungen.
"Sie versuchen da ein Bild zu zeichnen, als würden Sie mit einem Vertreter des linken Flügels der SPÖ an einem Tisch sitzen", entgegnete Kurz schmunzelnd. Die Österreicher hätten schon ein klares Bild von seiner Arbeit als Integrationsminister.
Seine Maximen: "Integration durch Leistung" und "Illegale Migration stoppen". Kurz' Antwort auf Straches Taferl? Ein Zetterl. Eines mit einem Zitat von Norbert Hofer, der Kurz' gelobt habe, was Strache nicht sonderlich interessierte.
Er wollte lieber noch erwähnen, dass es der ungarische Staatschef Viktor Orban gewesen sei, der die Grenzen geschlossen habe, und nicht der ÖVP-Chef.
"Herr Strache, Sie streben ein Regierungsamt an, da sollten Sie es mit Fakten genauer nehmen, damit Sie sich in Europa nicht lächerlich machen", züngelte Kurz zurück.
Einigkeit hinsichtlich der "Bonzenmauer"
Sogar die ursprünglich vorgesehene Anti-Terror-Mauer vor dem Bundeskanzleramt, die von der rot-schwarzen Regierung geplant wurde, war für Strache am gestrigen Abend ein willkommenes Angriffs-Vehikel.
Bis heute gebe es keine nachhaltigen Grenzkontrollen in Österreich. "Die eigene Bevölkerung wollte man nicht schützen, sich selbst mit einer Bonzenmauer im Regierungsviertel aber schon."
Kurz verstand diese Kritik und bestätigte, dass der Mauerplan ein Fehler gewesen sei.
Auch das Thema "CETA" wurde mit Verve diskutiert
Die Debatte gewann zusehends an Schärfe. Beim Thema "CETA" warnte der FPÖ-Chef vor einer Aufweichung geltender Standard - für Kurz unbegründet.
Ihm bereiteten mehr die Partner der FPÖ in Brüssel, Front National und die AfD Sorgen, weshalb der ÖVP-Chef Strache auch nahelegte, diese Kooperationen zu überdenken.
Österreich habe 2018 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Da reiche es nicht kritisch zu sein. "Wenn Sie hier mit AfD und Front National zusammenarbeiten, können wir in Brüssel nichts verändern", meinte der Aussenminister.
Auf zum nächsten Thema: Die Pensionen
"Haben Sie sich in dieser Sache tatsächlich angenähert?", wollte ORF-Mann Leitner wissen. Die Pensionen seien in den letzten Jahren stetig gesunken, so der FPÖ-Chef, der dafür die Wirtschaftsflüchtlinge verantwortlich macht.
Auch Kurz bog somit rasch zu den Flüchtlingen ab. Er wolle deren Mindestsicherung kürzen, was Strache aber nicht reicht. Er propagiert eine Umstellung auf Sachleistungen.
Was folgten, waren Chaos und Durcheinander
"Hätten wir die Grenzen gesichert, hätten wir jetzt nicht Mehrkosten von zehn Milliarden Euro", kritisierte Strache. Und noch einmal lobte Kurz die Qualitäten seines Gegenübers hinsichtlich des Aufzeigens von Problemen.
"Aber sollte ich gewählt werden, habe ich die Kraft, in all diesen Bereichen einzugreifen", liess er Strache wissen. Danach hatten es Tarek Leitner und die Zuseher schwer.
Strache fiel Kurz ins Wort, der plauderte munter weiter, was den Moderator dazu nötigte, ein Wörtchen mitzureden.
Das Ergebnis: Für eine gute Minute parlierten alle drei Herren gleichzeitig.
Finales Thema des Abends: Wer bekäme welches Ressort unter Schwarz-Blau
In einer Regierung würde Strache das Innenressort fordern, liessen sich dort doch die Inhalte der FPÖ am besten umsetzen. Auch das Aussenministerium hätte man gerne.
Kurz hingegen hielt sich in dieser Frage zurück. Er wisse aber, dass es im Hintergrund bereits massive Gespräche für eine rot-blaue Regierung gebe.
Strache konterte: "Ich habe Ihnen einen Notariatsakt vorgelegt, um rot-schwarz auszuschliessen. Den haben sie nicht unterschrieben."
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