Ein deutliches Ergebnis bei Frankreichs Parlamentswahlen – allerdings ganz anders als erwartet: Die Linken werden stärkste Kraft, die Rechten schwächeln. Für Macron beginnen jetzt schwierige Wochen.

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Nach dem überraschenden Ausgang der Parlamentswahl in Frankreich beginnen am Montag die politischen Gespräche über das weitere Vorgehen. Nachdem bei der Wahl am Sonntag kein Bündnis die absolute Mehrheit errungen hat, zeichnet sich nicht ab, wer die nächste Regierung anführen wird.

Premierminister Gabriel Attal hatte noch am Wahlabend angekündigt, am Montag bei Präsident Emmanuel Macron seinen Rücktritt einzureichen. Ungewiss ist auch, was das Ergebnis für Deutschland und Europa heisst.

Die Nouveau Front Populaire aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen könnte nach Angaben der Institute Ipsos und Ifop auf 177 bis 192 der 577 Sitze kommen – und sorgte damit für eine grosse Überraschung.

© AFP/THORSTEN EBERDING

Das Mitte-Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron und Attal hingegen sackt demnach von zuvor 250 auf nun 152 bis 169 Mandate ab. Das Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen und seine Verbündeten wachsen von zuletzt 88 auf 138 bis 145 Sitze – und dürfte somit nur auf dem dritten Platz landen. Die absolute Mehrheit von 289 Sitzen dürfte aber keine der Gruppierungen erreichen.

In Städten im ganzen Land kam es in der Nacht bei Kundgebungen zu Ausschreitungen. In Paris versammelten sich Tausende Menschen auf der Place de la République im Zentrum der Hauptstadt, um den Sieg des Linksbündnisses zu feiern. Dabei geriet ein Teil der Demonstranten nach Medienberichten mit Ordnungskräften aneinander, die daraufhin Tränengas einsetzen. Barrikaden aus Holz wurden in Brand gesetzt. Auch in Lille, Rennes und Nantes kam es zu Auseinandersetzungen.

Linke sieht Regierungsverantwortung – trotz tiefer Gräben

Frankreichs gespaltene Linke hatte sich erst vor wenigen Wochen für die Wahl zum Nouveau Front Populaire zusammengeschlossen. Bei der Europawahl Anfang Juni waren die Parteien noch einzeln angetreten. Streit gibt es innerhalb der Linken vor allem über die altlinke Führungsikone Jean-Luc Mélenchon. Der Populist, der mit euroskeptischen Aussagen auffällt und einen klar propalästinensischen Kurs fährt, wird selbst in seiner Partei heftig kritisiert.

Eine klare Führung hat das Bündnis aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen nicht. Auch ein gemeinsames Programm gibt es nicht.

Einen Regierungsanspruch meldeten die Linken nach ihrem Überraschungssieg dennoch an. "Wir haben gewonnen und jetzt werden wir regieren", sagte Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier. Auch der Gründer der französischen Linkspartei Mélenchon verlangte von Macron, das Linksbündnis zum Regieren aufzufordern.

Le Pen schaut nach vorne

Eigentlich war mit einem haushohen Sieg des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen gerechnet worden. Nach der ersten Wahlrunde vor einer Woche sahen Prognosen das RN noch knapp unter der absoluten Mehrheit und damit möglicherweise in der Lage, die nächste Regierung zu stellen. Eine Regierung der Rechtsnationalen – wohl das Schreckszenario für Deutschland und die EU – scheint vorerst abgewendet. Deutlich zugelegt hat das RN dennoch.

Le Pen gab sich nach den ersten Hochrechnungen gelassen: "Die Flut steigt weiter und unser Sieg ist heute nur aufgeschoben." Auch RN-Chef Jordan Bardella sagte, seine Partei sei die einzige Alternative zur angeblichen "Einheitspartei" des linken Lagers und der Mitte-Kräfte.

Linke und Macrons Mitte-Kräfte hatten vor der zweiten Wahlrunde eine Zweckallianz gebildet. Um sich in Wahlkreisen, in denen drei Kandidaten in die zweite Runde kamen, nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen und dem RN so lokal zum Sieg zu verhelfen, zogen sich etliche Kandidaten der Linken und der Liberalen zurück. Ihre Wählerschaft riefen sie dazu auf, in jedem Fall gegen das RN zu stimmen.

Grosse Koalition oder Minderheitsregierung?

Wie es weitergeht, ist vorerst unklar. Ob die Linken alleine eine Minderheitsregierung auf die Beine stellen können, ist ungewiss. Die anderen Fraktionen könnten eine solche Regierung per Misstrauensvotum stürzen.

Die Linken könnten auch versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen – entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Grossen Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte. Der Chef der Sozialisten, Olivier Faure, erklärte zudem bereits, es solle keine "Koalition der Gegensätze" geben.

Unklar ist, ob Staatschef Macron Attals Rücktritt annehmen und einen Linken zum Premier ernennen wird. In einer solchen Konstellation würde Macron an Macht einbüssen, der Premier, der die Regierungsgeschäfte leitet, würde wichtiger.

Was dies für Deutschland und Europa hiesse, hinge wohl stark davon ab, wer auf den Posten käme. Das Linksbündnis vertritt bei vielen grossen politischen Themen sehr unterschiedliche Positionen.

Ungewisse Zukunft

Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung übergangsweise die Amtsgeschäfte führen oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und eine Neuwahl sind erst im Juli 2025 wieder möglich. (dpa/tas)

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