- Nachdem die Regierung der nationalen Einheit von Ministerpräsident Mario Draghi gescheitert ist, finden in Italien am 25. September vorgezogene Parlamentswahlen statt.
- Ein rechtspopulistisches Wahlbündnis liegt in den Umfragen vorne.
- Ein Wahlsieg der postfaschistischen Kandidatin Giorgia Meloni scheint wahrscheinlich.
Keine 18 Monate hielt die Regierung der nationalen Einheit, die der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi in Italien gebildet hatte. Er war am 13. Februar 2021 als Nachfolger von Giuseppe Conte als Ministerpräsident vereidigt worden, nachdem dieser keine Mehrheit mehr im Parlament hinter sich hatte und zurückgetreten war.
Draghi hatte sich während seiner Amtszeit massgeblich auf die Unterstützung der Parteien Movimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung), Partito Democratico, Lega Nord und Forza Italia verlassen und notwendige Reformen unter anderem bei der Zerschlagung von Monopolen auf den Weg gebracht. Dafür hatte er zuletzt international viel Lob bekommen, in Italien waren seine Entscheidungen hingegen umstritten. Schliesslich entzog ihm die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung im Juli dieses Jahres die Unterstützung und es wurden Neuwahlen angesetzt.
Wie die Wahl des Parlaments am 25. September ausgehen wird, ist zwar noch unklar, allerdings deuten die Zeichen auf einen Sieg des Wahlbündnisses aus Rechtspopulisten und Postfaschisten hin. Laut einer von der Tageszeitung "La Repubblica" veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Dire-Tecnè liegt der rechtspopulistische Block vorn, der aus der Lega Nord, den Fratelli d’Italia und der Forza Italia besteht.
Demnach würden die Fratelli d’Italia von
Insgesamt würde der Block fast 50 Prozent der Stimmen erhalten, eine Mehrheit im Parlament scheint möglich und Giorgia Meloni als erste Regierungschefin Italiens durchaus wahrscheinlich. Aber was für Ziele verfolgen diese verschiedenen Parteien und was würde das für Deutschland und Europa bedeuten?
Italien-Experte: "Wird sich wohl erst am Wahltag entscheiden, wer gewinnt"
Italien-Experte Sebastian Heinrich ist zurückhaltend, was die Umfragen und deren Auslegung in Deutschland betrifft: "Die Umfragen in Italien sind extrem volatil, weil die Parteienlandschaft extrem zerbrechlich ist. Ausserdem ist Briefwahl in Italien nicht möglich. Deshalb kann sich bis zum Wahltag noch viel verändern."
Auch sei unklar, ob es wirklich zu einer Koalition des rechten Blocks kommen würde. Die Wahlbündnisse sind aufgrund des Wahlrechts erforderlich, sagen aber nicht unbedingt etwas darüber aus, wer am Ende miteinander koaliert. "Das hat man auch bei der letzten Wahl gesehen, bei der die Lega Nord ebenfalls mit der Forza Italia angetreten war. Am Ende hat die Lega mit der Fünf-Sterne-Bewegung zusammen regiert", so Heinrich.
Selbst wenn es wirklich zu einem Bündnis der drei rechtspopulistischen Parteien kommen würde, sei die Machtverteilung nicht klar: "Salvini und Berlusconi sind sehr machtbewusst, es ist fraglich, ob sie Meloni wirklich den Vortritt lassen."
Auch inhaltlich gebe es zwischen den drei Parteien erhebliche Differenzen: "Das Wahlbündnis ist alles andere als eine politische Einheit, das zeigt sich auch bei der Aussenpolitik. Während Berlusconi und Salvini für ihre Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin bekannt sind, sind die Fratelli d’Italia ganz klar pro Ukraine positioniert."
Innenpolitisch gebe es hingegen gemeinsame Standpunkte, was den Umgang mit Frauenrechten und Minderheiten anbelangt. Hier wäre ein Rückschritt zu erwarten. Salvini und Meloni hatten sich für eine Stärkung der traditionellen Familie ausgesprochen und gegen die Stärkung der Rechte von Minderheiten und Frauen.
Die Chefin der Fratelli d‘Italia hatte bei einer Veranstaltung in Spanien zuletzt verkündet: "Ja zur natürlichen Familie, nein zu den LGBT-Lobbys. Ja zur sexuellen Identität, nein zur Gender-Ideologie. Ja zur Lebenskultur, nein zum Abgrund des Todes. Ja zur Universalität des Kreuzes, nein zur Gewalt des Islamismus!"
EU-Austritt unwahrscheinlich
Auch wenn die Parteien von Meloni, Berlusconi und Salvini rechtspopulistisch und nationalistisch orientiert sind, sieht Italien-Experte Heinrich keine Gefahr für die EU oder die Zusammenarbeit zwischen Italien und Deutschland, sollte das Bündnis die Wahl gewinnen.
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Zum einen seien mit Giuseppe Conte und der Fünf-Sterne-Bewegung auch zuletzt europaskeptische Politiker und Parteien in der Regierung gewesen, die dann in der Praxis sehr kooperativ mit der EU und Deutschland zusammengearbeitet hätten. Zum anderen hätten die institutionellen Rahmenbedingungen in Italien dafür gesorgt, dass das Land letztlich pro-europäisch regiert wurde, so Heinrich.
"In der Vergangenheit hat der italienische Staatspräsident Vorhaben, die sich gegen die EU gerichtet haben, gerne wieder einkassiert mit der Begründung, die Zugehörigkeit zur Europäischen Union sei in der Verfassung verankert." So gesehen mache er sich wenig Sorgen, dass Italien unter einer rechtspopulistischen Regierung aus der EU austritt oder einen klar anti-europäischen Kurs einschlägt.
"Man darf auch nicht vergessen, dass insbesondere der Norden Italiens, der eine Machtbasis für die Lega Nord und die Fratelli d’Italia bildet, seinen Wohlstand zu einem erheblichen Teil auch der Möglichkeit verdankt, Produkte in den Rest der EU zu exportieren oder aus der EU zu importieren", erläutert Heinrich.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Sebastian Heinrich
- Derstandard.de: Umfrage in Italien: Rechtspopulistin Meloni knapp vorn
- N-tv.de: Wie die radikale Rechte Italien umkrempeln will
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