In den USA ist es ein Ritual, dass nach einer Präsidentschaftswahl der Wahlverlierer in einer "Concession Speech" seine Niederlage eingesteht und dem zukünftigen Präsident alles Gute wünscht. Doch wie wird es dieses Mal sein? Bricht Donald Trump das erste Mal seit über 100 Jahren mit dieser Tradition und schadet damit der Demokratie in dem Land?
Mittlerweile steht es fest: Der 46. Präsident der Vereinigten Staaten wird
In einem blauen Anzug und mit Schlips steht George W. Bush im Oval Office und hält sich den Hörer eines Schnurtelefons ans Ohr. Es ist das Jahr 2004, am anderen Ende der Leitung: Der Demokrat John Kerry, der seine Niederlage im Präsidentschaftsrennen eingesteht. Ein ähnliches Bild auf einer 20 Jahre älteren Aufnahme: Ronald Reagan steht mit Telefonhörer in der Hand neben seiner Frau Nancy, als Herausforderer Walter Mondale (Demokrat) den Wahlsieger anruft.
Die Liste könnte man lange fortführen: Das erste offizielle und öffentliche Eingeständnis einer Wahlniederlage lässt sich auf das Jahr 1896 zurückdatieren – als William Jennings Bryan (Demokrat) dem William McKinley (Republikaner) zwei Tage nach der Wahl ein gratulierendes Telegramm sandte. Seitdem hat sich die Praxis des sogenannten "Concession Statement" als Tradition etabliert. Wird auch
Vorwürfe von Wahlbetrug
Schliesslich ist der politische Brauch seit Ende des 19. Jahrhunderts ungebrochen: Theodore Roosevelt gegenüber Woodrow Wilson, Adlai Stevenson gegenüber Dwight Eisenhower oder Hubert Humphrey gegenüber Richard Nixon – sie alle räumten ein: Der andere ist der Sieger. Was zunächst als Telegramm oder telefonisch erfolgte, wurde mit Radio und TV einem immer grösseren Publikum zuteil und entwickelte sich zur "Concession Speech" – einer öffentlichen Rede vor der Presse.
Dass Donald Trump ebenfalls eine solche Rede halten wird, darf als unwahrscheinlich gelten. Schliesslich wäre die Voraussetzung, dass er seine Wahlniederlage akzeptiert. Der Nachrichtensender CNN war der erste, der am 7. November um 17:30 Uhr (mitteleuropäischer Zeit) den Sieg von Joe Biden verkündete. Zwar haben auch knapp eine Woche nach der Wahl noch nicht alle Staaten die Stimmen ausgezählt, fest steht aber, dass Biden mindestens 279 Wahlmännerstimmen gewinnen konnte – für einen Sieg braucht es 270.
Trump hält nichts von politischen Traditionen
Trump will das nicht akzeptieren. Er plant Klagen gegen das Wahlergebnis und twitterte: "Ich habe diese Wahl gewonnen!". Immer wieder stellt er Behauptungen von Wahlmanipulation auf – ohne Beweise zu liefern. "Sie wollen uns die Wahl stehlen", behauptete Trump beispielsweise in einer Pressekonferenz im Weissen Haus und sprach von "illegalen Stimmen".
Mehrere TV-Sender brachen als Reaktion die Übertragung ab. Während bereits internationale Glückwünsche von Staats- und Regierungschefs wie
Dass Trump um Traditionen und Gepflogenheiten nicht viel gibt, hat er bereits während seiner Amtszeit mehrfach unter Beweis gestellt: Anders als üblich legte er etwa seine Steuererklärung nicht offen, hielt kein Haustier im Weissen Haus und verkaufte seine Unternehmen nach der Amtsübernahme nicht. Ebenso wenig besuchte er – wie üblich – am Weihnachtstag verwundete Soldaten und nutzte die Rede zur Lage an die Nation, um die Vorgängerregierung unter Barack Obama zu kritisieren.
Kann Niederlagen nicht eingestehen
Was gemeinhin als "custom of courtesy" – als Brauch der Höflichkeit – gilt, dürfte Trump daher wenig interessieren. Schliesslich verweigerte er auch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel den Handschlag, lief vor der britischen Queen an der Leibgarde vorbei, beleidigte andere Staatschefs ebenso wie Pressevertreter und Parteikollegen.
Auch, dass er Niederlagen und Fehler nicht eingestehen kann, machte Trump immer wieder deutlich: Dass beispielsweise bei seiner Inauguration nicht – wie von ihm behauptet – anderthalb Millionen Zuschauer anwesend waren, sondern schätzungsweise 250.000 Menschen, wollte Trump nie eingestehen. Obwohl Faktenchecker ihn immer wieder korrigierten, gestand Trump auch die Unwahrheit von über 22.000 Behauptungen, die die "Washington Post" ihm als Fake News zuschreibt, nicht ein.
Keine rechtliche Verpflichtung
Üblicherweise geht der öffentlichen Rede ein privates Telefonat voraus. So auch 2016: Hillary Clinton telefonierte noch in der Wahlnacht mit dem damaligen Sieger Donald Trump und verkündete am Folgetag: "Donald Trump wird unser Präsident sein. Wir schulden ihm Unvoreingenommenheit und die Chance zu führen. Unser demokratischer Rechtsstaat schützt die friedvolle Machtübergabe. Wir respektieren das nicht nur. Wir halten es in Ehre."
Fakt ist aber: Die "Concession Speech" ist gewachsene Tradition, nicht aber rechtliche oder verfassungsmässige Pflicht eines Wahlverlierers. Trump steht also offen, ob er den Brauch fortsetzt. Üblicherweise nutzen geschlagene Kandidaten die Rede aber nicht nur, um eine Niederlage einzugestehen, sondern noch aus weiteren Gründen: Sie bedanken sich etwa bei ihren Unterstützern, betonen Wahlkampf-Erfolge wie die öffentliche Thematisierung bestimmter Probleme, gratulieren dem neuen Präsidenten und geben ihm Ratschläge mit auf den Weg.
Zeitpunkt für Rede ist strittig
Weil es sich um eine Tradition und keine gesetzliche Vorschrift handelt, fehlen Vorgaben zum angemessenen Zeitpunkt für eine "Concession Speech". Während der vermeintliche Sieger es noch scheuen mag, sich als neu gewählter Präsidenten zu erklären, hemmt den Verlierer die kleinste Hoffnung, das Ergebnis könne sich doch noch zu seinen Gunsten drehen.
Abschreckend wirkte zumindest das Wahljahr 2000:
Später wurde Bush durch den Supreme Court dennoch zum Präsidenten ernannt. Obwohl Al Gore die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nicht mittrug, sagte er wenig später vor laufender Kamera: "Unserer Einheit als Volk und der Stärke unserer Demokratie zuliebe, biete ich mein Eingeständnis an" und zitierte zudem den demokratischen Senator Stephen Douglas mit den Worten: "Parteizugehörigkeit muss sich Patriotismus ergeben. Ich stehe Ihnen bei, Mr. President, und Gott segne Sie"
Demokratie droht Schaden
Auch in anderen Reden stellten sich die Verlierer im Sinne der Nation hinter den neuen Präsidenten. So sagte Bush 1992 "Das Volk hat gesprochen und wir respektieren die Majestät der demokratischen Nation" und Bryan liess 1896 verlauten: "Wir haben die Frage dem amerikanischen Volk übergeben und sein Wille ist das Gesetz." Während der 77-jährige Biden schon im Vorfeld der Wahl immer wieder bekräftigte, er würde den Willen des Volkes respektieren, liess sich Trump kein Versprechen abringen, er würde eine Wahlniederlage anerkennen.
Sollte Trump mit der Tradition brechen, droht der Demokrate Schaden: "Auch wenn die Concession Speech nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, handelt es sich um eine wichtige Norm. Sie signalisiert die Unterstützung des unterlegenen Kandidaten", sagte der Politikwissenschaftler Renan Levine von der Universität Toronto im kanadischen TV-Programm "Global News". Die Botschaft müsse lauten: "Wir haben gekämpft, wir haben es versucht, aber die Regierung muss weitergeführt werden und nun ist das andere Team dafür verantwortlich. Wir hoffen, dass es erfolgreich ist."
Die Tradition gebe es weltweit in vielen Demokratien. "Donald Trump scheint die Bedeutung nicht zu verstehen, die das Befolgen der Norm für eine funktionierende Demokratie hat", so der Experte. Trump setze sein Ego über die Normen. "Das überrascht nicht, ist aber sehr bedauerlich", kommentierte Levine.
Verwendete Quellen:
- Slate.com: When Did Losing Candidates Start Calling the Winner to Concede?
- DW.com: Will Donald Trump respect tradition with a concession speech?
- CNN.com: Biden defeats Trump in an election he made about character of the nation and the President
- Twitter-Profil von Donald Trump
- Deutschlandfunk.de: „Parteipolitische Polarisierung ist grosses Problem für die US-Politik“
- Washingtonpost.com: In 1,316 days, President Trump has made 22,247 false or misleading claims.
- Youtube.com (Kanal: Global News): Trump not making concession speech damages democracy: expert
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