Donald Trump ist 78 und will noch einmal US-Präsident werden. Zuletzt fiel er immer wieder durch merkwürdige Wahlkampfauftritte auf. In den USA wird spekuliert: Leidet Trump an kognitivem Verfall?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Thomas Fritz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Er verwechselte US-Präsident Joe Biden mehrfach mit Barack Obama, nannte Viktor Orbán den Ministerpräsidenten der Türkei, lobte die Penisgrösse einer verstorbenen Golflegende und liess bei einer Wahlkampfveranstaltung fast 40 Minuten lang Musik spielen, zu der er hin und her wippte.

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Donald Trump sorgte im Wahlkampf zuletzt immer wieder mit bizarren Auftritten für Schlagzeilen. Bei der Präsidentschaftswahl am 5. November will der Ex-Präsident zum zweiten Mal ins Weisse Haus einziehen. Wenn es ihm gelingt, wäre er bei Amtsantritt so alt, wie kein anderes US-Staatsoberhaupt zuvor zu diesem Zeitpunkt.

Mediziner äussern sich zu Trumps Zustand

Es mehren sich die Stimmen, die beim republikanischen Kandidaten Anzeichen geistigen Verfalls beobachten. Bislang war dies vor allem beim Amtsinhaber Joe Biden ein Kritikpunkt, der sich Ende Juli nach einem desolaten Auftritt im ersten TV-Duell gegen Trump als Kandidat der Demokraten zurückzog. Trump hatte die Zweifel an Bidens geistiger Tauglichkeit zuvor genüsslich befeuert.

Inzwischen aber hat Biden sich bekanntlich zurückgezogen. Und nun ist Trump im Vergleich zur demokratischen Ersatzkandidatin Kamala Harris (60) der Ältere. "Ich sehe bei Trump Anzeichen von kognitivem Verfall", urteilte Barack Obamas früherer Leibarzt Jeffrey Kuhlman gegenüber dem "Spiegel". Der Mediziner Ben Michaelis will dem TV-Sender PBS zufolge "Anzeichen von Demenz" erkannt haben. Und der Psychologe John Gartner diagnostizierte beim Videoportal Youtube eine Demenz sogar "mit absoluter Sicherheit".

Der Bioethiker und Internist Willam Andereck würde so weit nicht gehen. "Ich bin ohne persönliche Untersuchung nicht in der Lage, eine spezifische Diagnose von Trumps kognitivem Verfall zu stellen", schränkt der Mediziner ein. Dies gebietet die Goldwater-Regel. "Ich muss mich bei meiner Analyse auf seine öffentlichen Äusserungen und sein Verhalten stützen. Klar ist jedoch, dass etwas nicht stimmt." Bei Trump sei das "Gefälle des kognitiven Verfalls sehr hoch", schreibt Andereck im San Francisco Chronicle.

Mit 80 leidet jeder sechste Amerikaner an Demenz

Im Alter von 80 Jahren ist jeder sechste Amerikaner von der Krankheit betroffen, der Rest leidet unter normalen altersbedingten kognitiven Einschränkungen. Mediziner beobachten bei Trump eine dramatische Abnahme des Redeflusses, einen verringerten Wortschatz und den übermässigen Gebrauch von Superlativen und Füllwörtern.

Hatte er sich noch bis zu dessen Rückzug über Bidens Geisteszustand lustig gemacht, wirkt Trump im Wahlkampf gegen Kamala Harris plötzlich selbst wie ein alter Mann. Das zeigte sich auch beim einzigen TV-Duell im September. Trump, der zugegebenermassen immer noch energiegeladener auftritt als viele seiner Altersgenossen, wiederholte seine ewig gleichen Wahlkampfslogans, fiel durch abschweifende oder unzusammenhängende Äusserungen auf.

Harris gewann das Duell laut Umfragen klar. "Sie würden sich Sorgen machen, wenn Opa sich plötzlich so verhalten würde", spottete kürzlich der ehemalige US-Präsident Obama.

Trump brüstet sich mit Kognitionstest

Trump tut wenig, um die Skeptiker zu beruhigen. Sein Team weigert sich, den aktuellen Gesundheitsbericht zu veröffentlichen und verweist auf frühere Untersuchungen. Trump selbst sagte kürzlich, er habe "zweimal kognitive Tests gemacht, und ich habe sie mit Bravour bestanden. Das heisst, eine perfekte Punktzahl". Eine der Untersuchungen liegt sechs Jahre zurück. In dem fünfminütigen Test musste er unter anderem Tiere erkennen oder rückwärts zählen. Eine ausführliche kognitive Untersuchung kann Stunden dauern.

Die Amerikaner sind in Bezug aufs Trumps Zustand zunehmend skeptisch. Zwischen Februar und Oktober stieg die Zahl der Befragten, die ihn für zu alt für das Präsidentenamt halten, von 35 auf 44 Prozent. "Das ist eine Person, die für das mächtigste Amt der Welt kandidiert. Und ich denke, wir sollten uns sehr genau überlegen, wen wir in dieses Amt setzen", sagt Mediziner Michaelis.

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Gedächtnisverlust, Kommunikationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen, schlechtes Urteilsvermögen und Persönlichkeitsveränderungen – alles Anzeichen von Demenz – wären für den Lenker des mächtigsten Landes der Welt keine wünschenswerten Eigenschaften. Auch seine Probleme, zwischen Wahrheit und Fiktion zu unterscheiden, die in den Medien meist als Lügen bezeichnet werden, könnten in Wahrheit "unspezifische Anzeichen für geistigen Verfall" sein, vermutet Willam Andereck.

Gegenseitige Vorwürfe prägen in den USA inzwischen den Wahlkampf. Harris forderte Trump laut US-Medien kürzlich zu einem kognitiven Test heraus, nachdem sie erklärt hatte, sie würde sich ebenfalls einer Untersuchung unterziehen. Trump hatte Harris zuvor aufgefordert, "einen Test zur kognitiven Ausdauer und Beweglichkeit" zu absolvieren und ihr Probleme "bei der Beantwortung selbst der einfachsten Fragen" unterstellt.

Trump selbst ist dieser Aufforderung bislang aber nicht nachgekommen. Die Zweifel an seiner geistigen Eignung für das höchste Staatsamt der USA, sie werden bleiben.

Verwendete Quellen

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