Clinton oder Trump: Was Schweizer Interessen angeht, dürfte es wahrscheinlich keine allzu grosse Rolle spielen, wer das Rennen macht. Die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind geprägt von Handelsfragen sowie langwierigen Bank- und Steuerstreitigkeiten.

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Schweizer Banken – das Thema

Etwa ein Dutzend Schweizer Banken stehen immer noch im Visier der US-Behörden, weil sie US-Staatsangehörigen bei der Hinterziehung von Steuern geholfen haben sollen. Könnten diese Fälle die Beziehungen unter einem neuen Präsidenten belasten?

Nein, meint die freisinnige Parlamentarierin Christa Markwalder, Präsidentin des Parlamentarischen Vereins Schweiz-USA: "Das Thema hat sich beruhigt, auch wenn das Schweizer Parlament die so genannte Lex USA [eine Vorlage der Regierung von 2013] abgelehnt hat."

Auch Roland Büchel, Parlamentsabgeordneter der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, ist der Ansicht, der Steuerstreit sei beigelegt. Beide Staaten hätten eine "neue Seite aufgeschlagen", sagt er, die Beziehungen seien heute wieder "viel besser".

Sein Parteikollege Luzi Stamm, ebenfalls Mitglied im Aussenpolitischen Komitee, zeigt sich hingegen skeptisch: "Ich bin enttäuscht darüber, wie die USA die Schweiz und andere Länder unter Druck gesetzt haben. In der Vergangenheit hörte ich immer wieder, man habe jetzt eine definitive Lösung [des Banken- und Steuerstreits] gefunden, doch dann begannen die Diskussionen immer wieder von neuem. Man kann den USA in dem Sinn nicht vertrauen."

Schweizer Banken – der Hintergrund

Nach einer Busse von 780 Millionen Dollar für die UBS 2009 verhängten die USA gegen mehr als 80 Banken Strafzahlungen von insgesamt mehr als 5 Milliarden Dollar im Streit um US-Staatsangehörige, die versucht hatten, Steuern zu umgehen.

Im Januar zog das US-Justizministerium einen Schlussstrich unter diesen Teil des "Schweizer Bankenprogramms". Aufgrund dieses 2013 ausgehandelten Vorgehens konnten Schweizer Banken, die einräumten, Konten von US-Steuerhinterziehern zu haben, mit den USA einen aussergerichtlichen Vergleich abschliessen.

Handel – das Thema

Die Geschäfts- und Handelsbeziehungen nehmen zu. 13,5% der Schweizer Exporte gingen im letzten Jahr in die USA (ohne Gold und Juwelen) – wertmässig lag die Zunahme bei 6%. Im Vergleich fielen die Schweizer Exporte weltweit 2015 um 2,6%, und die Ausfuhren nach Deutschland, dem grössten Einzelmarkt für Schweizer Güter, gingen um 5% zurück.

Ein Handelsthema, das einen Schatten auf die Beziehungen werfen könnte, ist die Transatlantische Handels- und Investitions-Partnerschaft (TTIP), ein umfassendes Freihandels-Abkommen zwischen den USA und der EU, über das derzeit verhandelt wird.

Die Schweiz befindet sich in einer "Warteschlaufe": Sie verfolgt die Gespräche, kann aber nicht direkt teilnehmen. Vorerst muss sie einfach abwarten und dann sehen, ob sie dem Abkommen allenfalls später beitreten könnte. Beamte sorgen sich, dass der Schweiz im Handels- und Investitionsbereich Nachteile erwachsen könnten.

Protektionistische und populistische Erklärungen von Kandidaten haben in der angeheizten Phase des Präsidentschaftswahlkampfs in den USA bei gewissen Schweizer Beobachtern Sorgen ausgelöst.

"Allgemein besteht der Eindruck, dass die USA ein Land sind, das klar für eine offene Handelspolitik steht, doch wenn man ganz bestimmte Fälle anschaut, auch jetzt im aktuellen Wahlkampf, kann man eine Bewegung sehen, die gegen die Öffnung der Märkte ist", sagt Markwalder. "Ich denke, der Protektionismus ist ein echtes Problem."

Handel – Trump oder Clinton?

Martin Naville, Direktor der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, ist überzeugt, dass die positive Handelspartnerschaft weitergehen wird, unabhängig davon, wer im November die Wahl um die Nachfolge von Barack Obama im Weissen Haus gewinnen wird.

Hillary Clinton könne einen politischen Leistungsausweis als Senatorin und Aussenministerin vorweisen und würde wahrscheinlich die Politik von Barack Obama fortsetzen, der internationalem Handel gegenüber eine offene Haltung habe, glaubt Naville. "Sie ist sich voll bewusst, dass dies Stellen und Reichtum schafft, und nicht, wenn man die Grenzen für den Handel dicht macht."

Im Gegensatz zu einigen anderen Beobachtern ist Naville entspannt, was die Aussicht von Donald Trump als Präsident angeht: "Es gab viel Wahlkampf-Rhetorik von Trump. Das hat viele Leute alarmiert, aber er will nicht zu einem grossen Hammer greifen und alles zerschlagen. Er mag mit seinen Kommentaren ein wandelndes Pulverfass sein, gewisse Leute mögen seinen Stil vielleicht nicht, aber er ist viel zu pragmatisch, um die Welt verändern zu wollen."

"Zudem haben der Kongress und der Oberste Gerichtshof grundsätzlich mehr Einfluss auf den Aussenhandel als wer auch immer im Weissen Haus sitzt."

Berufsbildung – das Thema

Die Obama-Administration hat Interesse am Schweizer System der Berufsausbildung und Lehre und wandte sich für Rat und Unterstützung an Bern. Ziel der Regierung Obama ist es, die Zahl der jungen Menschen zu verdoppeln, die einen solchen Ausbildungsweg verfolgen. Im September letzten Jahres unterzeichneten die beiden Länder eine Absichtserklärung zur verstärkten Zusammenarbeit in der Berufsbildung.

Beim zweiten internationalen Berufsbildungskongress in Winterthur letzten Monat dankte der Vize-Arbeitsminister der USA, Chris Lu, der Schweiz und bezeichnete die Vereinbarung von 2015 als "historisches Engagement zur Zusammenarbeit mit unseren Kollegen, die wirklich die Experten sind, was Berufslehren angeht". Schweizer Unternehmen wie Nestlé, Bühler und Zürich Versicherung fördern in den USA Berufslehren aktiv.

Berufsbildung – Blick nach vorn

Suzi Levine, die US-Botschafterin in Bern, ist der Ansicht, dass sich das Modell des Schweizer Lehrlingswesens am besten eignet, um in den USA adaptiert zu werden. Sie räumt aber ein, dass es schwierig sei, abzuschätzen, wie die Dinge sich unter einer neuen Regierung weiter entwickeln werden. Es gebe aber für die Berufsbildungspläne in den USA "von beiden Parteien enorme Unterstützung".

Geistiges Eigentum – das Thema

Ein Bereich, bei dem Probleme aufkommen könnten, ist der Schutz des geistigen Eigentums. Obschon die Schweiz diese Gesetze anwendet, haben das Büro des US-Handelsbeauftragten, unterstützt von der Lobby der US-Film- und Musikindustrie, dieses Jahr darauf bestanden, dass die Schweiz auf eine Schwarze Liste der US-Regierung gesetzt wird. Inhaber von Urheberrechten in den USA, erklären, sie hätten ihre Rechte gegen Online-Verletzungen in der Schweiz nicht durchsetzen können. Die USA sind der Ansicht, dass die Schweiz ein zunehmend populäres Gastland für Websites mit Raubkopien von Musik, Film und Videospielen geworden ist.

Geistiges Eigentum – hartnäckiger Trump?

Das Büro des US-Handelsbeauftragten führt die Schweiz, eine Verfechterin der geistigen Eigentumsrechte, in seinem jüngsten Bericht über den Schutz von US-Urheberrechten in der Welt (Special 301 Report on Protection of American Intellectual Property Rights Across the World) zusammen mit Ländern wie Brasilien, Kanada und der Türkei auf einer Beobachtungsliste. Dies rief bei einigen Beobachtern Stirnrunzeln hervor.

Nach Angaben der Online-Publikation Intellectual Property Watch sind der Bericht und die Schwarze Liste zwar eher als eine Art Agenda für das weitere Vorgehen zu sehen, aber in "seltenen Fällen" könnte es zu Sanktionen kommen. Und in einer weit herum beachteten Rede über Wirtschaftsfragen drohte Trump im letzten Monat damit, er würde "jede rechtmässige Macht des Präsidenten nutzen, um Handelsstreitigkeiten zu beseitigen".

Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch

Mehr zur US-Wahl 2016

USA-Schweiz
Zwischen 1700 und 2015 wanderten insgesamt etwa 460'000 Schweizer und Schweizerinnen in die USA aus. Die Zahl der US-Staatsangehörigen mit Schweizer Wurzeln wird auf etwa eine Million geschätzt. 2015 lebten insgesamt 80'218 Schweizer Bürgerinnen und Bürger in den Vereinigten Staaten, das waren etwa 10% der gesamten Auslandschweizergemeinde weltweit.
Ab dem 19. Jahrhundert entwickelte sich zwischen den beiden "Schwesterrepubliken" – der Schweiz und den USA – ein freundschaftliches Verhältnis auf der Grundlage gemeinsamer Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte.
1822 eröffnete die Schweiz ihre ersten Konsulate in den USA, in Washington und in New York. 60 Jahre später wurde die Botschaft in Washington eröffnet, die erste Schweizer Botschaft ausserhalb Europas.
In den vergangenen Jahrzehnten wirkte die Schweiz im Rahmen ihrer "Guten Dienste" als diplomatische Mediatorin und als Fazilitatorin und vertrat als Schutzmacht unter anderem die Interessen der USA in Iran (seit 1980). Von 1961 bis August 2015 hatte sie zudem die Interessen der USA in Kuba vertreten, sowie ab 1991 bis August 2015 auch jene Kubas in den USA.
Daneben übt sie heute noch Schutzmachtmandate für Iran in Ägypten, sowie für Russland in Georgien und umgekehrt aus, und seit Februar 2016 für Iran in Saudi-Arabien und umgekehrt.
"Die Schweiz ist bekannt für ihr grosses Engagement zur Lösung globaler Probleme. Und sie ist immer bereit, zu helfen", erklärte US-Aussenminister John Kerry im Januar dieses Jahres, als er sich für die Schweizer Bemühungen als Gastgeberin der Verhandlungen mit Iran im Atomstreit bedankte.
Quelle: Schweizer Aussenministerium

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