Knapp drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in den USA kämpft Donald Trump mit einem gefährlichen Stimmungstief. Dieses ist weniger das Verdienst seiner Herausforderin Hillary Clinton als vielmehr selbstverschuldet. Der Republikaner hat es sich auf der Zielgeraden mit einer der wichtigsten Wählergruppen verscherzt: den Frauen.

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Einen Kandidaten wie Donald Trump hat es im Kampf um das Weisse Haus noch nicht gegeben. Populistische Parolen, vermengt mit falschen Tatsachenbehauptungen, sind sein Stilmittel. Damit hatte er es mit weitem Abstand zum offiziellen Kandidaten der republikanischen Partei im Präsidentschaftswahlkampf der USA gebracht.

Skandalöse Äusserungen wie etwa sein pauschaler Vergewaltigungsvorwurf gegenüber Mexikanern, der Affront gegen die Familie eines gefallen US-Soldaten oder die Androhung des Einsatzes atomarer Waffen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" - manchmal perlte die Kritik an Trump ab wie Wasser an Teflon, manchmal führte sie zu einem Stimmungseinbruch, aus dem sich der Republikaner aber wieder berappeln konnte.

Bei der Aufholjagd direkt ins Fettnäpfchen

Die renommierte Wahlprognose-Plattform "FiveThirtyEight.com" zeigt in einer Grafik die schwankenden Siegchancen von Hillary Clinton und Donald Trump im Verlauf des Wahlkampfes. Im Juli hatte Trump gegenüber der Demokratin mächtig Boden gutgemacht. Anfang August lagen beide sogar beinahe gleichauf. Doch dann brüskierte Trump die Eltern eines gefallenen US-Soldaten.

Ein Tabubruch, nicht nur für die vielen amerikanischen Kriegsveteranen. Trumps Siegchancen schwanden in der Folge massiv. Erneut machte ein Satz die Runde, den man in diesem beispiellosen Wahlkampf nicht zum ersten Mal gehört hatte: "Das war ein Skandal zu viel." Doch weit gefehlt! "FiveThirtyEight" dokumentiert anschaulich, wie Trump auch diese Scharte wieder auswetzen und gegenüber Clinton aufholen konnte.

Ende September, so schien es, würde sich ein ähnliches Szenario bieten wie zuvor im August: Clintons Siegchancen schwanden, während Trumps' stiegen. Doch dann wurde der republikanische Präsidentschaftskandidat von der Vergangenheit eingeholt. In einem Video aus dem Jahr 2005 äusserte sich Trump auf obszöne Art und Weise über seinen Umgang mit Frauen.

Zwar hatte es bereits zuvor Diskussionen über das Frauenbild des Milliardärs gegeben, doch schien sein als eher harmlose Macho-Attitüde wahrgenommenes Verhalten seiner Kandidatur nicht nachhaltig zu schaden.

Die jetzt bekannt gewordenen Aussagen in dem Video gingen aber weit darüber hinaus. Sie dokumentierten ein Geschlechterverständnis, für das es auch nach Meinung des mächtigen Republikaners Paul Ryan schlichtweg keine Entschuldigung mehr gab: "Ich bin angeekelt von dem, was ich gehört habe", meinte der Präsident des US-Repräsentantenhauses.

Dass es Trump dennoch mit Rechtfertigungen versuchte, die sexistischen Entgleisungen als "Umkleidekabinen-Trashtalk" bagatellisierte und erklärte: "Es gibt niemanden, wirklich niemanden, der mehr Respekt vor Frauen hat als ich!", machte die Sache eher schlimmer als besser. Die Chancen auf einen Wahlsieg des Republikaners sanken auf den tiefsten Wert seit Monaten.

Affront gegen Frauen: War's das für Trump?

Und nicht wenige vermuten, dass sich Trump von diesem einen Skandal nun tatsächlich nicht mehr erholen wird, da er es sich mit einer signifikanten Wählerklientel völlig verscherzt haben dürfte: mit Frauen.

Zwar stehen demokratische Präsidentschaftskandidaten in der Gunst der Frauen traditionell ohnehin höher als republikanische, aber der sogenannte "Gender-Gap", die Kluft zwischen wahlberechtigten Frauen und Männern, war lange nicht mehr so hoch wie in diesem US-Wahlkampf zwischen Trump und Clinton. Das dokumentiert die Daten-Plattform "FiveThirtyEight".

Einen ähnlichen Vorteil bei weiblichen Wählern hatte nur der demokratische Präsidentschaftskandidat von 1996 - ironischerweise hiess der Bill Clinton. Um einen Demokraten zu finden, der Hillary Clintons weibliche Unterstützung im Präsidentschaftswahlkampf noch toppen kann, muss man schon weit in die Vergangenheit zurückblicken. Nicht etwa auf Frauenschwarm John F. Kennedy, sondern auf dessen eher biederen Nachfolger Lyndon B. Johnson, der 1964 mit einem Erdrutschsieg die Wahl fürs Weisse Haus gewann.

Dass die Erfolgschancen Trumps drei Wochen vor der Wahl am 8. November so dramatisch schlecht sind, das zeigen die Daten, ist vor allem der mangelnden Unterstützung weiblicher Wähler geschuldet.

Dies mag keine neue Erkenntnis sein. Doch mit der Enthüllung des Skandal-Videos scheint Trump exakt diese ihm abgewandte Wählergruppe zusätzlich gegen sich mobilisiert zu haben. "Das Wahlverhalten unter Männern wirkt mit Blick auf den 'Gender-Gap' normal. Das Wahlverhalten der Frauen nicht", meint Harry Enten, Vize-Chef von "FiveThirtyEight".

Man wisse allerdings nicht, ob Clintons Zuspruch unter Frauen "ein Votum pro Clinton oder eher kontra Trump" sei, erklärt Enten und resümiert: "Wahrscheinlich beides."

Nate Silver, angesehener Gründer der Datenplattform "FiveThirtyEight", bringt es so auf den Punkt: "Wenn Trump die Wahl verliert, das lässt sich jetzt schon sagen, dann nur, weil die Frauen gegen ihn gestimmt haben."

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