Im US-amerikanischen Wahlkampf wird derzeit vor allem über die öffentliche Sicherheit in den Städten diskutiert. Präsident Donald Trump verspricht Recht und Ordnung. Ob ihm das politisch nützt, ist allerdings unklar.

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Der 4. September 1968 war ein Wendepunkt im damaligen US-Wahlkampf: Richard Nixon besuchte die Millionenstadt Chicago, wo es im April zuvor zu heftigen Unruhen wegen der Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King gekommen war. Nixon präsentierte sich in der Stadt als Kandidat, der für Recht und Ordnung sorgt. Am Wahltag passierte dann das Unerwartete: Der Staat Illinois, zu dem Chicago gehört und der als Demokraten-Hochburg gilt, ging an den Republikaner Nixon – und sicherte ihm damit die knappe Wahl zum US-Präsidenten.

An den Wahlkampf 1968 wird in den USA nun häufiger erinnert. Denn den Wahlkampfslogan "Law and Order" – Recht und Ordnung – hat nun auch Präsident Donald Trump für sich entdeckt. Seit Proteste gegen Diskriminierung und Polizeigewalt in mehreren Städten teils in Gewalt umgeschlagen sind, hat Trump die öffentliche Sicherheit zum zentralen Thema seiner Kampagne erklärt. Die Demonstranten bezeichnete er als inländische Terroristen. Den oppositionellen Demokraten wirft er vor, die von ihnen regierten Bundesstaaten und Städte nicht im Griff zu haben.

Das jüngste Beispiel ist die Stadt Kenosha in Wisconsin. Am 23. August war dem 29-jährigen Schwarzen Jakob Blake bei einer Polizeikontrolle siebenmal in den Rücken geschossen worden. Danach kam es in der Stadt zu teils gewaltsamen Ausschreitungen. Bei seinem Besuch in Kenosha stellte sich Trump demonstrativ auf die Seite der Polizei.

Biden musste "nachlegen"

Trump kann damit für sich behaupten, als erster vor Ort gewesen zu sein. Sein demokratischer Konkurrent Joe Biden reiste erst am Donnerstag nach Wisconsin, traf sich unter anderem mit der Familie von Blake und rief sein Land zur Versöhnung auf. Der Herausforderer setzte damit einen anderen Ton als der Präsident – auch wenn Biden sich zuvor ebenfalls gegen jegliche Form von Gewalt ausgesprochen hatte.

"Es gab durchaus Kritik, dass das Thema beim Parteitag der Demokraten nicht aufgegriffen wurde", sagt Philipp Adorf, Politikwissenschaftler und USA-Experte an der Universität Bonn, im Gespräch mit unserer Redaktion."Biden hat das erkannt und vor kurzem gesagt, dass Plünderungen und Gewalt das Land nur weiter spalten und die verantwortlichen Akteure strafrechtlich verfolgt werden müssen."

Wisconsin spielt wichtige Rolle bei Wahl

Dass sich das alles im Bundesstaat Wisconsin abspielt, könnte Trump durchaus in die Hände spielen. 2016 hatte er bei der Wahl zwar landesweit weniger Stimmen bekommen als seine Konkurrentin Hillary Clinton. Doch bei der US-Präsidentschaftswahl zählen nicht die reinen Stimmen, sondern die Einzelergebnisse in den Bundesstaaten.

Staaten, in denen es knapp zugeht, sind dabei besonders umkämpft. Zu diesen Staaten gehört Wisconsin. "Trump war 2016 der erste Republikaner seit 1984, der den Staat bei einer Präsidentenwahl gewinnen konnte", erklärt Adorf. Das muss er auch jetzt wieder schaffen. "Wenn Biden Wisconsin zurückerobert, wird es für Trump sehr schwer, die Wahl zu gewinnen."

Auch wenn Trump von den Ausschreitungen und der Unsicherheit vieler Menschen profitieren will, gelingt ihm das zumindest in Wisconsin derzeit nur bedingt. Ausgerechnet der Trump-freundliche Fernsehsender "Fox News" veröffentlichte in dieser Woche eine Umfrage, in der Biden in Wisconsin acht Prozentpunkte vor Trump liegt. Die Kompetenz, die Probleme rund um Sicherheit und Ordnung zu lösen, trauen die Befragten der Umfrage ebenfalls mehrheitlich Biden zu.

Recht und Ordnung? "Was jetzt passiert, passiert in Trumps Amerika"

Auf Bundesebene hat Trump in den vergangenen Tagen etwas Boden gut gemacht. Die Nachrichtenseite "Real Clear Politics" errechnet regelmässig den Durchschnitt aus mehreren aktuellen Umfragen. Demnach stieg der Anteil der Wähler, die im November Trump wählen wollen, seit Mitte Juli von 40,1 auf 42,4 Prozent. Damit liegt der Amtsinhaber aber immer noch deutlich hinter Joe Biden, der derzeit einen Durchschnitt von 49,6 Prozent erreicht.

"Die Sicherheit hat in den vergangenen zwei Wochen die meisten Schlagzeilen gemacht", sagt Politikwissenschaftler Adorf. "Wir haben aber gesehen, dass im Wahlkampf auch andere Themen schnell wieder relevant werden können."

Die Corona-Pandemie und die sozialen Proteste könnten seiner Einschätzung nach in den kommenden Wochen wieder grössere Bedeutung erlangen. "Selbst wenn das Thema Sicherheit wichtig bleiben sollte, muss es Trump nicht unbedingt nützen. Wenn es in Umfragen darum geht, wer das Land besser befrieden kann, hat Biden einen Vorsprung."

US-Wahl 2020: Trump-Vergleich mit Nixon hinkt

Der häufig gezogene Vergleich zu Nixons erfolgreicher Law-and-Order-Kampagne 1968 hinkt ohnehin. Denn es bestehen auch Unterschiede: Nixon trat damals nach achtjähriger Regierungszeit der Demokraten als Vertreter der Opposition an.

"Das Problem für Trump ist: Er ist momentan der Präsident", betont Adorf. "Auch wenn die Bundesstaaten in den USA weitreichende Kompetenzen haben, trägt er schlussendlich die Verantwortung für die Politik. Das, was jetzt passiert, passiert in Trumps Amerika."

Über den Experten: Dr. Philipp Adorf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er forscht unter anderem zur Republikanischen Partei und zum demografischen Wandel in den USA.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Philipp Adorf, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
  • Fox News: Fox News Poll: Biden tops Trump among likely voters in key states
  • Real Clear Politics: Polls – General Election Trump vs. Biden
  • The Washington Post: The "law and order" campaign that won Richard Nixon the White House 50 years ago

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