- Mit viel Geld unterstützt Donald Trump loyale Kandidatinnen und Kandidaten bei den Midterm-Wahlen.
- Der Ausgang der Wahlen ist aber in entscheidenden Bundesstaaten nach wie vor offen.
- Im Hintergrund versuchen die Republikaner die Wahlgesetze zu ihren Gunsten zu verändern.
Donald Trumps Macht über seine Partei trat selten so deutlich zutage, wie am 16. August 2022, dem Tag der republikanischen Vorwahlen im US-Bundesstaat Wyoming. Der einwohnermässig kleinste Staat der USA schickt nur eine einzige Abgeordnete ins US-Repräsentantenhaus. Und seit 2017 ist das Liz Cheney, Tochter von Dick Cheney, dem ehemaligen Vizepräsidenten unter George W. Bush.
Eigentlich hätte ihr die Kandidatur für die republikanische Partei sicher sein müssen. Vor zwei Jahren gewann sie die Vorwahlen noch haushoch mit knapp 74 Prozent der Stimmen. Aber dieses Mal war alles anders. Cheney ist eine von nur 10 republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus, die nach dem Sturm aufs Kapitol für die Amtsenthebung
"Die Trump-Welt war so organisiert und mobilisiert, wie ich es vorher noch nie gesehen hatte, um Cheney in die Knie zu zwingen", sagt Andy Surabian, Chef-Stratege der Anti-Cheney-Kampagne, der Nachrichtenplattform Politico. Cheney ist Trumps schärfste Kritikerin und die ranghöchste Republikanerin im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich mit dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 befasst.
Donald Trump weiss den harten Kern der Republikaner hinter sich
Donald Trump wollte an Cheney ein Exempel statuieren. Die Botschaft: Wer sich gegen ihn stellt, wird vernichtet. Trumps Mittel der Macht: die sogenannten MAGA-Republicans – der Teil der republikanischen Wähler, die sich Trump und seinem Slogan, Make America Great Again, komplett verschrieben haben. Laut Meinungsumfragen sind das etwas mehr als 40 Prozent aller Republikaner. Rund einem Drittel ist der Ex-Präsident sogar wichtiger als die republikanische Partei.
An dieser Unterstützung ändern laut einer Umfrage der New York Times die zahlreichen Gerichtsverfahren, die mittlerweile gegen Trump und seine Firma laufen, ebenso wenig wie die Enthüllungen des Untersuchungsausschusses zum Sturm auf das Kapitol oder die Durchsuchung von Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida. FBI-Ermittler beschlagnahmten dort kistenweise teils streng geheime Unterlagen, die der ehemalige Präsident bei seinem Auszug aus dem Weissen Haus hatte mitgehen lassen. Ganz im Gegenteil: Trump konnte das Medieninteresse sogar nutzen, um Spenden in Millionenhöhe einzusammeln.
Spendengeld stärkt Donald Trumps Position in der Partei
Geldeintreiben liegt Donald Trump. Auch darauf begründet sich seine Macht innerhalb der Partei. Seine diversen Wahlkampf-Fonds hatten Mitte des Jahres rund 100 Millionen US-Dollar im Säckel. Geld, das Trump unter anderem auch dafür nutzt, um im ganzen Land Kandidatinnen und Kandidaten zu unterstützen, die ihm gegenüber loyal sind.
650.000 US-Dollar investierte Trump beispielsweise in den Wahlkampf von Cheneys Widersacherin Harriet Hageman – mehr als jeder andere. Mit Erfolg: Cheney verlor die Vorwahl und damit die Chance auf eine Kandidatur um ihren Sitz im Repräsentantenhaus krachend mit nur 29 Prozent der Stimmen.
Und auch andernorts mischt Donald Trump kräftig mit. Insgesamt hat sein Wahlkampf-Fonds Make America Great Again Inc. bereits mehr als achteinhalb Millionen Dollar für Wahlwerbung in Rennen um Senatssitze ausgegeben. Die Republikaner hoffen, die Mehrheit im Senat zurückzugewinnen, die sie vor zwei Jahren überraschend verloren haben. Entscheidend für Sieg oder Niederlage werden die Bundesstaaten Georgia, Pennsylvania und Nevada sein.
In allen drei Staaten gehen Trump-Kandidaten an den Start. Der Ausgang steht jedoch auf Messers Schneide. In Pennsylvania und Georgia liegen die Republikaner Umfragen zufolge zurück, nur in Nevada hat Trumps Favorit leicht die Nase vorn.
Republikaner tun sich bei Midterm-Wahlen schwerer als gedacht
Normalerweise müssten die Republikaner bei diesen Wahlen leichtes Spiel haben. Historisch gewinnt bei den Zwischenwahlen fast immer die Partei, die nicht den Präsidenten stellt. Und Angriffsfläche bietet Joe Biden genug: Inflation, Flüchtlingskrise, Waffengewalt.
Trotzdem tun sich die Republikaner schwer. Auch weil viele von Donald Trumps Kandidaten so skandalgeplagt oder extrem sind, dass sich sogar republikanische Wähler von ihnen abwenden. Selbst der ranghöchste Republikaner im US-Senat, Minderheitenführer und Trump-Erzfeind Mitch McConnell hat sich jüngst öffentlich über die "Qualität der Kandidaten" beschwert.
Trumps künftiger Einfluss in der Partei wird auch vom Wahlausgang abhängen. "Wenn Trumps Kandidaten verlieren, wird er dafür verantwortlich gemacht werden", sagt der ehemalige republikanische Parteistratege Doug Heye dem Fernsehsender NBC.
Ron DeSantis und Mike Pence bringen sich gegen Donald Trump in Stellung
Nachfolger stehen bereits in den Startlöchern. Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis spielt schon länger mehr oder minder unverhohlen mit dem Gedanken, in das Rennen um die Präsidentschaft in zwei Jahren einzusteigen. Auch Trumps ehemaligem Vize-Präsidenten
Und dann ist da ja noch Liz Cheney. Alles werde sie tun, sagte sie vor kurzem der Zeitung Texas Tribune, um eine Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus zu verhindern. Noch ist nicht ganz klar, wie sie das bewerkstelligen will. Eine Möglichkeit wäre, in den republikanischen Vorwahlen 2024 gegen Trump anzutreten.
Gewinnen kann sie einen solchen Vergleich nicht, da sind sich Experten einig. "Trump verfügt nach wie vor über eine kontrollierende Mehrheit in der republikanischen Partei. Die Partei hat sich nach seinem Ebenbild neu erschaffen", sagt Sarah Longwell, Gründerin der Trump-kritischen Gruppe "Republican Accountability Project" dem Nachrichtenmagazin The Atlantic.
Die andere Alternative ist, dass Cheney 2024 als Anführerin einer unabhängigen Anti-Trump-Bewegung in die Schlacht zieht, in der Hoffnung so viele moderate Republikaner auf ihre Seite zu ziehen, dass Trump keine Chance auf eine Mehrheit hat. Einen Hinweis darauf, dass sie das vorhat, gab sie vor kurzem im US-Fernsehen.
Die Partei müsse wegkommen von dem gefährlichen und toxischen Ort, an dem sie sich gerade befinde, sagte Cheney in einem NBC-Interview, "ansonsten wird die Partei zerbrechen und es wird eine neue konservative Partei entstehen."
Wählerwille soll in den USA keine Rolle mehr spielen
Doch Donald Trump und seine Mitstreiter sind schon einen Schritt weiter. Mit Hochdruck arbeiten sie daran, dass sie auf eine Mehrheit der Stimmen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen gar nicht mehr angewiesen sind. "Sie sind dabei, Loyalisten in Schlüsselämtern zu platzieren," sagt Jodi Vittori, Politikprofessorin an der Georgetown Universität in Washington DC der Zeitung USA Today.
Loyalisten wie Jim Marchant. Marchant führt eine Gruppe von ultra-rechten Kandidaten an, die in verschiedenen Staaten für das Amt des Staatssekretärs kandidieren und die allesamt die Legitimität der letzten Präsidentschaftswahl abstreiten. Knapp zwei Drittel aller republikanischen Wähler sehen das genauso. Marchant und seine Kolleginnen und Kollegen wollen Donald Trump zurück ins Amt zu bringen, zur Not auch gegen den Willen der Mehrheit der Wähler.
Als Staatssekretäre könnten sie über das Wahlprozedere in den Bundesstaaten bestimmen. Dem US-Sender NBC sagte Marchant, er schliesse nicht aus, 2024 pro-Trump-Wahlleute nach Washington schicken zu wollen, egal, wie die Wahl ausgeht.
Viktor Orbán als Vorbild für Donald Trumps Republikaner
Unterstützung könnten Kandidaten wie Marchant dabei vom obersten Gerichtshof bekommen. Der wird bis zum nächsten Sommer darüber entscheiden, ob die Parlamente der Bundesstaaten die Macht haben sollten, über alle Wahlregularien eigenständig zu entscheiden. Sollte das Gericht dem stattgeben wäre es ein "Erdbeben", sagt Rick Hasen, Wahlrechtsexperte an der Universität von Kalifornien der Nachrichtenplattform Politico.
Die Parlamente der Bundesstaaten "könnten dann in entscheidenden Staaten pro-Trump Wahlleute bestimmen, egal, wie der Wählerwille ausfällt", sagt Lawrence Rosenthal, Leiter des Center for Right Wing Studies an der Universität von Kalifornien in Berkeley gegenüber USA Today. Ein Einspruch vor Gericht wäre dann nicht mehr möglich. Vier der neun obersten Bundesrichter scheinen bisher zumindest teilweise mit dieser Sichtweise zu sympathisieren. Zwei von ihnen wurden von Donald Trump ins Amt gebracht.
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Das Ziel, so Rosenthal, sei eine Situation, wie sie Viktor Orbán in Ungarn schon heute verwirklicht hat. "Dort ist es für die Regierungspartei fast unmöglich Wahlen zu verlieren", so Rosenthal. "Das ist der Versuch, die Regeln so zu verändern, dass die Republikaner bei Präsidentschaftswahlen nur noch sehr schwer verlieren können."
Im Frühjahr hat sich die Elite der Republikanischen Partei wie jedes Jahr zu ihrem Parteikongress getroffen. Ehrengast in diesem Jahr: Viktor Orbán.
Verwendete Quellen:
- nbcnews.com: Poll: Most U.S. Republicans reject "MAGA" label
- nbcnews.com: GOP loyalty to Trump over party dips to new low in NBC poll
- nbcnews.com: McConnell says Republicans may not win Senate control, citing "candidate quality"
- nytimes.com: Donald Trump approval poll
- opensecrets.com: 2022 federal midterm election spending on track to top $9.3 billion
- opensecrets.com: State-level midterm election fundraising on track to exceed $7 billion
- opensecrets.com: Trump’s political operation raised over $500 million after 2020 election despite increased scrutiny
- politico.com: How Team Trump systematically snuffed out Liz Cheney's reign in Congress
- politico.com: GOP pushes for an ‘earthquake in American electoral power’
- theatlantic.com: Liz Cheney Already Has a 2024 Strategy
- cnn.com: Liz Cheney’s doomsday prediction on a third Trump presidential bid
- theguardian.com: The most terrifying case of all is about to be heard by the US supreme court
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