Enge Vertraute des US-Präsidenten halten dessen Rückzug aus dem Rennen um die Präsidentschaft offenbar inzwischen für möglich. Biden kündigte daraufhin eine Fortsetzung seines Wahlkampfs an.
Im US-Wahlkampf mehren sich die Anzeichen, dass der demokratische
Biden kündigt Fortsetzung des Wahlkampfs an
Biden hat sich nach einer Infektion mit dem Coronavirus in sein Privathaus in Rehoboth Delaware zurückgezogen. Er nimmt derzeit keine öffentlichen Termine wahr. Der Demokrat kündigte am Freitag allerdings an, nach seiner Corona-Erkrankung in der kommenden Woche seine Wahlkampftermine wieder aufnehmen zu wollen. "Gemeinsam werden wir gewinnen", erklärte Biden. Er kritisierte zugleich die "düstere" Rede seines Rivalen
Zuvor hatte bereits Bidens Wahlkampfteam dessen Rückzug aus dem Rennen um das Weisse Haus ausgeschlossen. Biden bleibe "absolut" im Rennen und sei "entschlossener denn je, Trump zu besiegen", sagte Wahlkampfmanagerin Jen O'Malley Dillon dem Sender MSNBC. Biden sei "eindeutig die beste Person, um gegen Donald Trump anzutreten", betonte sie. "Sie haben es wieder und wieder vom Präsidenten selbst gehört: Er tritt an, um zu gewinnen, er ist unser Kandidat und er wird unser Präsident für eine zweite Amtszeit sein", sagte die Wahlkampfmanagerin.
Gleichzeitig räumte O'Malley Dillon ein, dass die vergangenen Wochen für das Wahlkampfteam "schwierig" gewesen seien. "Wir haben einen gewissen Rückgang der Unterstützung festgestellt" - aber das Ausmass sei gering, erklärte sie weiter.
US-Medien: Biden-Umfeld hält dessen Rückzug für möglich
US-Medien hatten zuvor berichtet, dass der gesundheitlich angeschlagene Biden nunmehr doch einen Ausstieg aus dem Präsidentschaftswahlkampf erwäge. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf mehrere Personen aus dem nahen Umfeld des Demokraten, der 81-Jährige scheine allmählich zu akzeptieren, dass er seinen Wahlkampf womöglich aufgeben müsse. Er habe jedoch noch keine Entscheidung getroffen.
Eine der Personen sagte dem Bericht zufolge, es wäre keine Überraschung, wenn er statt seiner selbst die Stellvertreterin Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin für die Wahl im November vorschlagen würde. Ähnliche Stimmen zitierte auch "The Hill". In diesem Bericht hiess es ausserdem, gut vernetzte Kenner der Demokratischen Partei gingen davon aus, dass Biden zeitnah eine Ankündigung zu seiner politischen Zukunft machen könnte.
Der Sender NBC News berichtete, Mitglieder aus Bidens Familie hätten darüber beraten, wie ein mögliches Ausstiegsszenario im Falle einer Rückzugentscheidung aussehen könnte. Der Sender berief sich dabei auf zwei anonyme mit den Gesprächen vertraute Quellen. Überlegungen zu den Auswirkungen auf den Wahlkampf, auf Bidens Gesundheit, die Familie und die Stabilität des Landes stünden bei den Diskussionen im Vordergrund, hiess es dort.
Nach dem Attentat auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump war die Debatte über Bidens Fitness für eine zweite Amtszeit kurzzeitig in den Hintergrund getreten - sie kam aber im Laufe der Woche mit voller Wucht zurück. Die Corona-Infektion des Präsidenten kam dann noch hinzu. Sie dürfte Biden, der eine Wahlkampfreise abbrechen musste, Zeit zum Nachdenken geben.
Vize Kamala Harris steht als mögliche Nachfolgerin im Fokus
Als die Diskussionen um einen möglichen Biden-Ersatz entbrannte, fiel der Name von Bidens Vizepräsidentin, die im Amt auffällig blass geblieben war, nicht als Erstes. Doch in den vergangenen Tagen richteten sich die Augen der Demokraten zunehmend auf Harris. Einige ihrer Parteikollegen begannen, die Leistung der 59-Jährigen öffentlich zu loben.
Biden selbst pries die Verdienste seiner Stellvertreterin bei einer Wahlkampfrede vor schwarzen Wählerinnen und Wählern auffallend offensiv an. Er sagte: "Sie ist nicht nur eine grossartige Vizepräsidentin, sie könnte auch Präsidentin der Vereinigten Staaten sein." Mehrfach betonte er, was Harris und er gemeinsam für das Land erreicht hätten.
Harris ist die erste Schwarze, die den Eid als US-Vizepräsidentin abgelegt hat. Ihr Vater wanderte einst aus Jamaika ein, um Wirtschaft zu studieren. Ihre Mutter - eine Krebsforscherin und Bürgerrechtlerin - kam aus Indien. Als Vize gilt Harris als natürliche Nachfolgerin Bidens. Die Demokraten bräuchten gute Gründe, die erste schwarze Vizepräsidentin einfach zu übergehen.
Auch Trump und seine Republikaner haben sich im Wahlkampf bereits auf Harris eingeschossen. "Die Demokraten beginnen, sich hinter Kamala Harris zu versammeln, da es nicht mehr zu leugnen ist, dass Joe Biden ungeeignet für das Amt ist", hiess es in einer bereits vor mehr als zwei Wochen verschickten Werbemail für Trump.
Bedenken von ganz oben in der Partei
Dass nicht öffentliche Wortmeldungen der einflussreichsten Demokraten im Land in den vergangenen Tagen quasi parallel nach aussen drangen, dürfte kein Zufall sein.
Die "Washington Post" berichtete, der frühere Präsident Barack Obama, dessen Vize Biden damals war, habe vertrauten Personen gesagt, dass Bidens Chancen auf einen Wahlsieg stark gesunken seien und dieser sein Festhalten an der Kandidatur überdenken solle.
CNN berichtete, die Spitzenpolitikerin und enge Vertraute Bidens, Nancy Pelosi habe dem Präsidenten in einem persönlichen Gespräch gesagt, er könne Trump im Rennen ums Weisse Haus nicht schlagen. Sie hat sich öffentlich bislang zwar nicht offen gegen ihn gestellt, ihm aber auch nicht den Rücken gestärkt.
Im Vertrauen sollen neben Pelosi und Obama auch andere Spitzen-Demokraten den Daumen über Biden gesenkt haben. Die beiden führenden Demokraten im US-Kongress, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, warnten Biden übereinstimmenden Medienberichten zufolge davor, an seiner Präsidentschaftsbewerbung festzuhalten.
Kontrastprogramm bei den Republikanern
Bidens republikanischer Kontrahent Trump liess sich am Donnerstagabend (Ortszeit) mit einem grossen Spektakel auf dem Parteitag in Milwaukee feiern und präsentierte sich nach dem Attentat auf ihn stärker denn je. In seiner mit Spannung erwarteten Rede nahm der 78-Jährige unter grossem Jubel die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei an. Trump sprach auch über die Schreckmomente des Attentates. "Ich stehe hier vor euch, in dieser Arena, nur durch die Gnade des allmächtigen Gottes", sagt er.
Dann driftete er ab in seine übliche Wahlkampfrhetorik, hetzte unter anderem minutenlang gegen Migranten und benutzte in diesem Kontext entmenschlichende Sprache. Bidens Wahlkampfteam warnte nach Trumps Rede vor einer erneuten Präsidentschaft des Republikaners, der eine "noch extremere Vision für das Land" verfolge. (Christiane Jacke, Magdalena Tröndle, Luzia Geier und Julia Naue, dpa/ank)
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