• Am vergangenen Wochenende brach ein unbekannter Mann in die Wohnung der US-Politikerin Nancy Pelosi ein und verletzte deren Mann schwer.
  • Die Stimmung im Land ist aufgeheizt.
  • Am 8. November finden in den USA die Halbzeitwahlen (Midterm Elections) statt.
Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es ist eine Schlüsselszene in der Präsidentschaft von Donald Trump: Am 4. Februar 2020 hält der 45. US-Präsident seine Ansprache zur Lage der Nation. Eine Rede voller Vorwürfe und Selbstbeweihräucherung. Eine Rede, die viele unabhängige Beobachter als des Amtes nicht würdig beurteilten.

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Die Ansprache ist gerade zu Ende, als im Hintergrund eine Frau demonstrativ das Redemanuskript zerreisst. Es ist die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Später sagte die langjährige Abgeordnete in einem Interview, das sei die höflichere Alternative gewesen mit Trumps "dreckiger" Rede umzugehen.

Aktionen wie diese sind es, die Pelosi zur Zielscheibe für rechte Trump-Anhänger gemacht haben. Die langjährige Abgeordnete war während der Amtszeit von Donald Trump zu seiner erbittertsten Gegenspielerin im Kongress geworden. Zwei Amtsenthebungsverfahren veranlasste das Repräsentantenhaus während Pelosis Amtszeit gegen den US-Präsidenten, die beide am Veto des Senats scheiterten. Immer wieder erhielt sie seitdem zahlreiche Morddrohungen. Für rechte Republikaner steht die 82-Jährige für alles, was sie an der Regierung in Washington hassen.

Aufgrund der Bedrohungslage steht die 82-jährige Politikerin daher Tag und Nacht unter Polizeischutz – nicht aber ihre Familie. Am vergangenen Wochenende wurde ihr Mann Opfer eines Angriffs, der eigentlich Pelosi gegolten hatte. Ein bekennender Trump-Anhänger war in das gemeinsame Haus in San Francisco eingedrungen und hatte nach der Sprecherin des Repräsentantenhauses verlangt, die nicht zu Hause war. Stattdessen schlug der Angreifer mehrfach auf Pelosis Mann mit einem Hammer ein, so, dass dieser mit einem Schädelbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Es ist der vorläufige gewalttätige Höhepunkt der Anfeindungen gegen die Italo-Amerikanerin.

Von der Hausfrau zur feministischen Pionierin

In die Politik wurde Nancy D'Alesandrol, so ihr Mädchenname, geradezu hineingeboren. Ihr Vater war Bürgermeister von Baltimore und Mitglied der Demokratischen Partei. Nach ihrem Studium der Politikwissenschaft machte Pelosi Praktika im Büro eines Abgeordneten und engagierte sich ehrenamtlich.

An sich war der Weg in die Politik geebnet, aber es waren die 1960er-Jahre. Pelosi heiratete einen Investment-Banker, zog mit ihm nach San Francisco, brachte fünf Kinder zur Welt und war zunächst einmal Hausfrau und Mutter. Bis sie eines Tages vom Bürgermeister von San Francisco gefragt wurde, ob sie nicht Lust hätte, in der Bibliothekskommission mitzuarbeiten.

Von hier an arbeitete sich die ehrgeizige Pionierin innerhalb der Partei nach oben, 1987 kandidierte sie erstmals für den Kongress und gewann. Seither verteidigt sie ihren Wahlkreis in San Francisco, der ohnehin seit den 1940er-Jahren durchgehend demokratisch wählt. Ernsthafte Gegenkandidaten kamen lediglich aus ihrer eigenen Partei und auch die hatten nie wirklich eine Chance gegen die durchsetzungsfähige Netzwerkerin.

Pelosi machte sich einen Namen als Anwältin der Rechte von Homosexuellen und entschiedene Gegnerin der Invasion im Irak 2003. Als Belohnung für ihre Ausdauer und Durchsetzungskraft wurde sie 2006, nachdem die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen hatten, zur ersten weiblichen Sprecherin in der US-Geschichte gewählt.

Umstrittene Figur auch innerhalb der eigenen Partei

Pelosi nutzte ihre Position. Während der Präsidentschaft Barack Obamas wurde sie zu einer der grössten Verbündeten des charismatischen Politikers im Kongress. Beobachtern zufolge war die Gesundheitsreform, die den Namen des Präsidenten trägt, letztlich nur auf das Engagement und die Sturheit Pelosis zurückzuführen, die die erforderlichen Mehrheiten organisierte.

Dabei machte sie sich nicht nur Freunde. Nachdem die Demokraten 2011 ihre Mehrheit verloren hatten, wurde Pelosi Anführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus und zur Zielscheibe der Republikaner. In Wahlkämpfen fokussierten Kandidaten der Republikanischen Partei sich überproportional auf die Sprecherin der Demokraten. Allein 2018 waren ein Drittel aller TV-Spots von Republikanern ausdrücklich gegen Pelosi gerichtet.

Aber auch in ihrer eigenen Partei häuften sich Stimmen, die die Führung kritisierten. Für viele Abgeordnete war die altgediente Parteisoldatin ein klassisches Beispiel der Abgehobenheit der Eliten, die zum Wahlsieg Trumps geführt habe.

Pelosi, die in den politischen Adel hineingeboren sei, habe keinen Bezug mehr zur Wählerschaft und sei zu lange im Amt, um noch wirklich ein Gespür für die Themen zu haben, die die Menschen bewegen. Es brauche frischen Wind, so der Vorwurf vieler junger Abgeordneter nach den Kongress-Wahlen 2018.

Ist Pelosi zu alt für eine weitere Amtszeit?

Auch bei den diesjährigen Halbzeitwahlen spielt das Alter Pelosis eine Rolle: Mit 82 Jahren ist sie drei Jahre älter als Präsident Joe Biden, dem nachgesagt wird, für eine zweite Amtszeit nicht die nötige Fitness zu haben. Auch gegen Pelosi werden Stimmen innerhalb der Demokratischen Partei laut, sie solle jüngeren Parteimitgliedern den Vorzug lassen.

Bei den letzten Kongress-Wahlen hatte Pelosi angekündigt, nur noch bis 2022 als Sprecherin des Repräsentantenhauses zu kandidieren. Zuletzt war davon nichts mehr zu hören. Stattdessen bekräftigte sie, zu den Halbzeitwahlen anzutreten und den Wahlkampf der Demokraten hierfür anzuführen. Gut möglich, dass Pelosi wie auch Biden keine Alternative zu sich selbst sieht.

Dabei gibt es innerhalb ihrer Partei populäre Nachwuchs-Politikerinnen wie Alexandria Ocasio-Cortez, die 2019 überraschend das Mandat in New York gewann. Viel wahrscheinlicher ist den aktuellen Umfragen zufolge aber, dass ein anderer Abgeordneter aus Kalifornien Pelosis Amt übernimmt. Dann nämlich, wenn wie erwartet die Republikaner die Mehrheit der Sitze gewinnen.

Kevin McCarthy ist aktuell der Anführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus und kommt aus Bakersfield, 300 Meilen (circa 483 Kilometer) von Pelosis Wahlkreis San Francisco entfernt. Wenn die Prognosen stimmen, wird er wahrscheinlich das Amt des Sprechers übernehmen oder seine Parteikollegin Marjorie Taylor Greene. Verschiedenen US-Medien zufolge könnte die Italo-Amerikanerin Pelosi dann US-Botschafterin in Rom werden. Die Stelle ist seit Juli vakant und angeblich hält Biden sie offen bis zu den Wahlen, als letzten Gefallen für die Grande Dame der Demokraten.

Verwendete Quellen:

  • tagesschau.de: Ehemann Nancy Pelosis attackiert
  • cnn.com: Pelosi will stay around to lead House Democrats through the next election – and perhaps beyond
  • time.com: Nancy Pelosi Ripped Up a Copy of Trump's State of the Union Address
  • time.com: Nancy Pelosi Doesn’t Care What You Think of Her. And She Isn’t Going Anywhere
  • latimes.com: What the end of the Pelosi era could cost California
  • fivethirtyeight.com: Aktuelle Umfragen zu den Halbzeitwahlen
  • foxbusiness.com: Pelosi seeks ambassadorship to Italy if GOP wins House majority in midterms
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