• Georgia hat sich als einer der am härtesten umkämpften Bundesstaaten in den USA entpuppt.
  • Selten haben Senatswahlen in den USA für so viel Aufsehen gesorgt.
  • Der Grund: Für die Biden-Präsidentschaft sind die beiden Sitze im Senat von entscheidender Bedeutung.

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Am Tag, an dem die Menschen in Georgia über die Zukunft der USA abstimmten, trug Verdaillia Turner blau: Maske, Ohrringe, Lidstrich. Blau ist die Farbe der US-Demokraten. Die 65-Jährige wählte ihr Outfit für den letzten Wahlkampfauftritt des demokratischen Kandidaten Raphael Warnock am Rand einer Schnellstrasse in Georgias Hauptstadt Atlanta nicht zufällig.

Turner will Stabilität für ihr Land, und sie wünscht sich Politiker mit Visionen und Mut statt mit ausgeprägter Liebe zum Rampenlicht. Aus ihrer Sicht gelingt das nur, wenn bei den Stichwahlen am Dienstag um zwei Sitze im US-Senat genügend Wähler für die Demokraten gestimmt haben.

Schicksalswahlen für beide Parteien

Nach Schliessung der Wahllokale kam es am Dienstagabend über Stunden zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Erst gegen 2.00 Uhr am Mittwochmorgen riefen US-Medien Warnock als Sieger im Rennen gegen die republikanische Noch-Senatorin Kelly Loeffler aus. Noch enger ist es in der zweiten Stichwahl, bei der der Demokrat Jon Ossoff den bisherigen Amtsinhaber David Perdue herausfordert.

Aktuell liegt Ossoff leicht vorne - und hat sich dabei selbst bereits zum Sieger der Stichwahl erklärt. Sollte Ossoffs Vorsprung jedoch knapp bleiben, könnte es zu einer Neuauszählung der Stimmen kommen - und das Ergebnis sich über Tage verzögern. Erst nach diesem Resultat steht fest, ob die Demokraten den Republikanern die Kontrolle über den mächtigen Senat abnehmen können.

Auch nach der Präsidentenwahl vom 3. November musste in Georgia neu ausgezählt werden, weil das Ergebnis so knapp war. Damals dauerte es eine Woche, bis klar war, dass der Demokrat Joe Biden in dem südlichen Bundesstaat gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump gewonnen hat - mit nur 11.779 Stimmen Vorsprung bei rund 7,2 Millionen registrierten Wählern. Seit 1992 war es keinem demokratischen Präsidentschaftskandidaten mehr gelungen, sich in Georgia durchzusetzen.

Demokraten und Republikaner erklärten die Abstimmungen am Dienstag gleichermassen zu Schicksalswahlen - und beide Lager blicken gebannt nach Georgia. Die Demokraten wollen nach der Amtseinführung Bidens am 20. Januar eine 180-Grad-Wende vom Trump-Kurs einleiten - um die gänzlich zu vollziehen, brauchen sie eine Mehrheit im Senat. Dafür müsste aber nach Warnock auch Ossoff die Stichwahl gewinnen.

Den Republikanern genügt dagegen ein einziger Sieg, um ihre knappe Mehrheit von dann 51 zu 49 Stimmen zu halten - und die aus ihrer Sicht "radikalen" Veränderungen zu verhindern, die Biden plant. Wählerinnen wie Victoria Perez fürchten totale Kontrolle durch die Demokraten. "Es wird nicht mehr ausgeglichen sein. Es wird alles nur noch demokratisch, liberal, demokratisch, liberal sein", sagte sie bei einer Wahlkampfveranstaltung der Republikaner, deren Farbe übrigens rot ist.

Bidens Hoffnung auf die Abkehr von Trump

"Ich brauche ihre Stimmen", sagte der künftige Präsident Biden am Wahltag einem Lokalsender mit Blick auf die demokratischen Kandidaten Warnock und Jon Ossoff. Er sei auf die beiden angewiesen, um höhere Direkthilfen für Bürger in der Corona-Pandemie durchsetzen, um Impfzentren aufbauen, um Covid-19-Impfungen kostenfrei verteilen zu können.

Abgesehen von konkreten Vorhaben benötigt Biden die Mehrheit im Senat auch, um etwa Oberste Richter oder bestimmte hohe Regierungsmitglieder ohne grössere Hindernisse ernennen zu können.

Trumps Ansinnen

Amtsinhaber Trump machte am Montagabend vor Tausenden Anhängern deutlich, warum er sich den Sieg der Republikaner Loeffler und Perdue vor allem wünschte: für seinen eigenen Machterhalt. "Kelly kämpft für mich, David kämpft für mich, das kann ich sagen", rief Trump der Menge zu, die gerade "Fight for Trump" ("Kämpfen für Trump") skandiert hatte.

Unter seinen Unterstützern im mehr als 100 Kilometer nördlich von Georgias Hauptstadt gelegenen Dalton waren nicht nur potenzielle Wähler aus Georgia. An den Auto-Kennzeichen war abzulesen, dass viele Trump-Fans aus anderen Bundesstaaten angereist waren, um ihren Präsidenten noch einmal zu sehen.

Störaktionen in Washington

Am (heutigen) Mittwoch will Trump erneut vor Anhängern sprechen, die wie er selbst gegen das Wahlergebnis Sturm laufen - dieses Mal in Washington, ganz in der Nähe des Weissen Hauses. Sein Auftritt ist kurz vor dem Beginn einer Kongresssitzung geplant, bei der Bidens Sieg besiegelt werden soll. Die Zusammenkunft zur Zertifizierung der Ergebnisse aus den Bundesstaaten ist normalerweise eine Formalie.

Dieses Mal haben aber mehrere Senatoren und Abgeordnete der Republikaner angekündigt, Einspruch gegen die Ergebnisse aus einigen Bundesstaaten einzulegen, was stundenlange Sitzungen und Abstimmungen nach sich ziehen und den USA erneut eine schlaflose Nacht bescheren könnte. Loeffler setzte im Wahlkampf in letzter Minute auf das Versprechen, sich der Störaktion anzuschliessen. "Dieser Präsident hat für uns gekämpft, wir kämpfen für ihn", sagte sie. "Georgia, wir müssen die Stellung halten!" Geholfen hat es ihr nicht.

Kämpfen wie der "Teufel"

Es gilt als ausgeschlossen, dass Trump Bidens Sieg in letzter Minute noch kippen kann. Auch unter seinen Republikanern im Kongress sind längst nicht alle einverstanden mit den Störern. Mehrheiten dafür, am Mittwoch tatsächlich einzelne Ergebnisse aus den Bundesstaaten zurückzuweisen, sind nicht absehbar - ohnehin wäre der Schritt fragwürdig.

Die Bundesstaaten haben ihre Ergebnisse fristgerecht zertifiziert. Selbst der mächtige Mehrheitsführer im Senat, der eigentlich Trump-treue Republikaner Mitch McConnell, hat Bidens Sieg nach langem Zögern anerkannt - und sich gegen die Störaktion gewandt.

Trump hat seine Niederlage immer noch nicht eingeräumt. Die Demokraten würden das Weisse Haus nicht erobern, sagte Trump am Montagabend in Georgia. "Wir werden wie der Teufel kämpfen." Trump stellt sich als Opfer massiven Wahlbetrugs dar, der ihm seiner Darstellung nach den Sieg gekostet hat. Beweise dafür gibt es nicht. Seine Anstrengungen, das Ergebnis zu seinen Gunsten zu drehen, gipfelten in einem Telefonat, in dem Trump Wahlverantwortliche in Georgia dazu aufforderte, genügend Stimmen zu "finden", um ihm dort doch noch den Sieg zu bescheren. Der Demokrat Ossoff sprach von einem "direkten Angriff auf unsere Demokratie".

Ein Bundesstaat für das ganze Land

Biden sagte am Montag, in seiner jahrzehntelangen Karriere als Berufspolitiker habe es noch nie eine vergleichbare Situation wie nun in Georgia gegeben. Ein einziger Bundesstaat könne den Kurs des gesamten Landes bestimmen. "Nicht nur für die nächsten vier Jahre, sondern für die nächste Generation", fügte er hinzu.

Die Unterstützerin der Demokraten, Verdaillia Turner, sagte, in den vergangenen Jahren hätten die Menschen in Georgia die Demokratie bedroht gesehen. Nun gebe es die Möglichkeit, voranzukommen und zu beweisen, wem sie gehöre: dem Volk. (dpa/kad)

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