• Nach den Krawallen am Kapitol kommt US-Präsident Trump seinen Kritikern mit einem späten, betont staatsmännischen Video entgegen.
  • Doch im US-Kongress werden Rufe nach seiner sofortigen Absetzung lauter.
  • Die Amtseinführung Bidens will Trump boykottieren.

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Der abgewählte US-Präsident Donald Trump hat angesichts von wachsendem Druck eine geordnete Amtsübergabe versprochen und den Sturm des Kapitols in Washington durch seine Anhänger nach einigem Zögern verurteilt. "Wie alle Amerikaner bin ich empört über die Gewalt, Gesetzlosigkeit und das Chaos", sagte Trump in einer Videobotschaft, die er am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter veröffentlichte. Es sei nun Zeit für "Heilung und Versöhnung". Trumps ernster Ton in der Videobotschaft markierte eine Abkehr von seiner zuletzt meist aggressiven Rhetorik und den unbelegten Behauptungen zu einem angeblichen Wahlbetrug. Bei den Demokraten nahmen trotzdem die Forderungen nach einer raschen Amtsenthebung Trumps noch vor dem Machtwechsel am 20. Januar zu.

Der Republikaner brach unterdessen mit einer langen politischen Tradition: Er werde nicht an der feierlichen Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden teilnehmen, erklärte Trump am Freitag per Tweet. Bidens Amtseinführung vor dem Kapitol soll angesichts der Corona-Pandemie ohne das sonst übliche Massenpublikum stattfinden. Frühere US-Präsidenten, darunter der Republikaner George W. Bush, haben bereits ihre Teilnahme an der Zeremonie zugesagt. Ob Vizepräsident Mike Pence teilnehmen würde, war zunächst noch unklar. Trumps Abwesenheit hat keine rechtliche Auswirkung - Biden wird auch ohne den Amtsvorgänger als neuer Präsident vereidigt werden.

Mindestens fünf Tote: Flagge am Kapitol auf Halbmast

Die Flaggen am Kapitol wurden am Freitag wegen der Krawalle vom Mittwoch auf halbmast gesetzt: Ein Polizist starb an den Folgen von Verletzungen, die er bei Zusammenstössen mit den Angreifern erlitten hatte. Damit kamen durch die Ausschreitungen mindestens fünf Menschen ums Leben. Eine Frau starb, nachdem sie im Kapitol von einem Polizisten angeschossen wurde. Eine weitere Frau und zwei Männer kamen laut Polizei infolge "medizinischer Notfälle" ums Leben.

Trump hatte die Stimmung unter seinen Anhängern bei einem Auftritt vor den Krawallen mit abermaligen Behauptungen des Wahlbetrugs angeheizt. Inmitten des Chaos hatte er die Angreifer am Mittwoch in einem Video zwar zum Abzug aufgerufen, zugleich aber Verständnis und Sympathie für sie gezeigt ("Wir lieben euch."). Erst einen Tag später - nachdem die politische Führungsriege in den USA, aber auch Regierungschefs aus anderen Ländern den Gewaltausbruch gebrandmarkt hatten - fand Trump deutlichere Worte. In seiner Videobotschaft sagte er nun, Gesetzesbrecher müssten bestraft werden.

Auch versprach Trump in dem Clip, sich der Amtsübergabe an den gewählten Präsidenten Joe Biden nicht weiter in den Weg zu stellen. "Eine neue Regierung wird am 20. Januar vereidigt werden", sagte er. "Ich konzentriere mich nun darauf, eine reibungslose, geordnete und nahtlose Machtübergabe zu gewährleisten." Auch das war ein Bruch mit Trumps Aussagen der vergangenen zwei Monate: Er hatte sich bislang ohne Beleg als Sieger der Wahl dargestellt. Zunächst unbestätigten US-Medienberichten zufolge will Trump das Weisse Haus bereits am 19. Januar räumen und mit dem Regierungsflieger Washington verlassen.

Angst vor einem atomaren Angriff unter Trump

Bis zur Vereidigung seines Nachfolgers am 20. Januar ist Trump weiter mit allen Befugnissen im Amt. Die Führung der Demokraten befürchtet, Trump könne die verbleibenden Tage nutzen, um Chaos zu stiften. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärte am Freitag, sie habe sich mit der Führung der US-Streitkräfte beraten, um einen "instabilen Präsidenten" daran zu hindern, "Militärschläge zu beginnen" oder einen "atomaren Angriff" zu befehlen.

Nach dem gewaltsamen Sturm des Kapitols durch Anhänger Trumps hatten Pelosi und der oberste Demokrat im Senat, Chuck Schumer, gefordert, Trump sofort aus dem Amt zu entfernen. Auch zwei Republikaner sprachen sich öffentlich dafür aus.

Der Zusatzartikel 25 der US-Verfassung erlaubt es, den Präsidenten für unfähig zu erklären, "die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben". Eine solche Erklärung müssten der Vizepräsident Pence und eine Mehrheit der wichtigsten Kabinettsmitglieder vornehmen. Sie müssten dies dann dem Kongress mitteilen. Der Präsident könnte Widerspruch einlegen, der wiederum überstimmt werden könnte. Dann wäre der Kongress am Zug. Bis zu einer Entscheidung dort wäre Pence amtierender Präsident. Der Kongress hätte aber 21 Tage Zeit, um abzustimmen - also bis nach Bidens Vereidigung am 20. Januar.

Pelosi und Schumer riefen Pence auf, umgehend diesen Prozess in Gang zu setzen. Falls der Vizepräsident nicht handele und Trump nicht sofort das Weisse Haus verlasse, werde im Kongress ein reguläres Amtsenthebungsverfahren angestossen, drohte Pelosi.

Biden: Entscheidung über Impeachment gegen Trump liegt beim Kongress

Biden kündigte an, sich in eine Entscheidung über die Eröffnung eines neuen Amtsenthebungsverfahrens nicht einzuschalten. Der Beschluss liege beim Kongress, sagte er am Freitag in Wilmington im Bundesstaat Delaware. Seine Aufgabe und die seiner künftigen Regierung sei es, sich mit Dringlichkeit um den Kampf gegen das Coronavirus, um Covid-19-Impfungen und um die wirtschaftliche Entwicklung zu kümmern. Der Demokrat betonte zugleich: "Ich denke seit langem, dass Präsident Trump ungeeignet ist, das Amt zu bekleiden." Das sei der Grund gewesen, warum er sich entschieden habe, gegen Trump zu kandidieren.

Trump hat bereits ein solches Impeachment-Verfahren im Kongress hinter sich: Im vergangenen Februar wurde er dabei von der Mehrheit seiner Republikaner im Senat freigesprochen. Trump wäre der erste US-Präsident, der sich zwei solcher Verfahren stellen müsste.

Die Demokraten im US-Kongress könnten womöglich bereits in wenigen Tagen ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump auf den Weg bringen. Die Impeachment-Abstimmung im Repräsentantenhaus könne Mitte kommender Woche stattfinden, sagte die ranghohe Abgeordnete Katherine Clark am Freitag dem Fernsehsender CNN. In der von Demokraten beherrschten Kammer gilt eine Zustimmung als sicher. Das Verfahren käme danach allerdings in den US-Senat, wo eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, die nicht absehbar ist.

Trump hatte die Präsidentenwahl im November klar gegen Biden verloren. Bis zuletzt wehrte er sich jedoch mit allen Mitteln dagegen, die Niederlage zu akzeptieren. Die Proteste seiner Anhänger hatten sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses im Kongress gerichtet. Die beiden Kongresskammern bestätigten Bidens Sieg am Donnerstagmorgen jedoch trotz der Ausschreitungen offiziell.

Auch mehrere Republikaner warfen Trump offen vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt. Wegen des Angriffs auf das Kapitol kündigten am Donnerstag gleich zwei Mitglieder von Trumps Kabinett ihren Rücktritt an: Bildungsministerin Betsy DeVos und Verkehrsministerin Elaine Chao. Beide begründeten ihren Schritt mit dem von Trump angestachelten Aufruhr. Chao ist die Ehefrau des Mehrheitsführers der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell. (dpa/fra)

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