Joe Biden hat bei der vierten Debatte der Präsidentschaftsbewerber der Demokraten jegliche Korruptionsvorwürfe zurückgewiesen. Bernie Sanders zeigte sich nach seinem Herzinfarkt gut erholt – und Elizabeth Warren bestätigte, warum sie in Umfragen erstmals zeitweise vorne lag.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Thomas Fritz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Bei der vierten TV-Debatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber dürfte US-Präsident Donald Trump vor dem Bildschirm gezürnt haben (sofern er live dabei war). Die drei Favoriten im Bewerberfeld, Elisabeth Warren, Joe Biden und Bernie Sanders, sprachen sich alle für die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens aus.

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Die TV-Debatte in Westerville im Bundesstaat Ohio war mit besonderer Spannung erwartet worden. Es war die erste seit der Ukraine-Affäre und dem drohenden Impeachment-Verfahren gegen Trump. Der 73-Jährige hatte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gebeten, Ermittlungen gegen Bidens Sohn Hunter in die Wege zu leiten. Später forderte er China direkt auf, gegen die Bidens zu ermitteln.

Der Vorwurf steht im Raum, er habe damit seinem möglichen Widersacher bei der Wahl 2020 schaden wollen. "Sie haben keine Chance, als weiter zu machen", sagte Joe Biden über das Impeachment-Verfahren im US-Repräsentantenhaus. Sanders sprach vom "korruptesten Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten".

Der Amtsinhaber wiederum hatte Joe Biden selbst der Korruption bezichtigt, weil Hunter Biden 2014 einen lukrativen Posten beim ukrainischen Gaskonzerns Burisma angenommen hatte. Damals war sein Vater US-Vizepräsident. Biden verlor im Zuge der Vorwürfe seine Führung in einigen Umfragen erstmals an Elizabeth Warren. Dadurch geriet er nach seinen bisher nicht restlos überzeugenden Auftritten in den vorherigen TV-Debatten weiter unter Druck.

Mit Spannung wurde auch das Mini-Comeback von Bernie Sanders nach seinem Herzinfarkt erwartet. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

TV-Debatte zur US-Wahl: Greifen die Demokraten Donald Trump frontal an?

Umfragen unter demokratischen Wählern zeigen, dass ihnen Themen wie Gesundheitsfürsorge, Umweltschutz, Einkommen und Waffenrecht wichtiger sind als die mögliche Amtsenthebung Trumps. Die Kandidaten hatten folglich einen schweren Spagat zu vollziehen: durch die Konzentration auf Trumps Verfehlungen nicht den Sauerstoff aus den anderen Themen ziehen, aber den Präsidenten auch nicht aus der Verantwortung nehmen. Der Spagat gelang.

Nach den Frontalangriffen zu Beginn der dreistündigen Debatte ("Lügner", "Verrückter", "eine Schande") standen Sachthemen im Vordergrund. Cory Booker, Senator aus New Jersey, erinnerte seine Mitstreiter daran, nicht nur aus parteitaktischen Gründen gegen Trump vorzugehen. Denn so bringe man Amerika nicht zusammen.

Was sagt Joe Biden zu den Korruptionsvorwürfen?

Schon vor der Debatte in Ohio versuchte Biden, jeden Makel zu beseitigen, der durch Trumps – bislang nicht erwiesene – Vorwürfe an ihm haften könnte. Er dementierte Hinweise auf einen Interessenkonflikt in der Ukraine und kündigte im Fall seines Wahlsiegs neue Ethikregeln fürs Weisse Haus an. Etwa sollen dann Familienangehörige keine Geschäftsbeziehungen zu ausländischen Unternehmen oder Regierungen unterhalten dürfen.

In der TV-Debatte beantworte Biden eine entsprechende Frage schmallippig. "Mein Sohn hat nichts falsch gemacht, ich habe nichts falsch gemacht." Die anderen Kandidaten vermieden es, Trumps Steilvorlage aufzunehmen und einen Keil ins eigene Lager zu treiben. Sie liessen die Anschuldigungen gegen Biden links liegen.

Wie geht es Bernie Sanders nach seinem Herzinfarkt?

Die Frage beantworte Sanders selbst. "Mir geht’s gut", betonte er, als er bei einer Frage übergangen wurde. Kurz darauf merkte Cory Booker an, dass Sanders ein Anhänger von medizinischem Marihuana ist. "Ich habe aber nichts genommen heute", witzelte der oft mit dem Zeigefinger wedelnde Sanders, der sichtlich Spass an der Debatte hatte.

Einer direkten Frage nach seinem Gesundheitszustand wich der 78-Jährige, der bei seiner erfolgreichen Wahl der älteste US-Präsident aller Zeiten wäre, aus. Stattdessen bedankte er sich bei allen, die ihn in den letzten Wochen unterstützt haben.

Nimmt Elizabeth Warren ihre Favoritenrolle an?

Ein Statement von den Gastgebern der Debatte, dem TV-Sender CNN und der New York Times, gleich zu Beginn: Die erste Frage ging an die linke Senatorin aus Massachusetts, die Biden in einigen Umfragen zeitweise erstmals überholt hat. Dafür wurde sie von ihren Konkurrenten dieses Mal auch deutlich härter angepackt. Mit welchem Ergebnis?

Warren leistete sich während der dreistündigen Sendung keine Aussetzer, sie spulte ihr Programm, etwa die Forderung nach einer Krankenversicherung für alle und die Zerschlagung der Tech-Riesen Facebook, Google & Co. durchaus präsidial runter. Das bewies sie auch im Schlussstatement. Zwei von Warrens drei Brüdern sind Republikaner, aber sie betonte: "Ich liebe sie alle."

Was war der Lacher des Abends?

Als Joe Biden vom russischen Präsidenten Wladimir Putin sprach und sagte, dass er Putin nicht vertraue, zeigte er mit seinem rechten Arm zum neben ihm stehenden Bernie Sanders. "Meinst du etwa, ich bin Wladimir Putin?", fragte Sanders grinsend. Biden verneinte, ging lachend zu Sanders, und legte ihm den Arm auf die Schulter. Der Saal johlte.

Was war sonst noch los?

Erstmals zeige sich der Unternehmer und Milliardär Tom Steyer dem TV-Publikum. Und es war ein durchaus inspirierender Auftritt. Steyer, der souverän und eloquent direkt in die Kameras sprach, nahm kein Blatt vor dem Mund: Sei es beim Thema Umweltschutz ("Können wir nicht allein lösen") oder seiner Meinung zu Donald Trump, den er einen "Kriminellen im Weissen Haus" nannte. Er, so Steyer, würde es als "richtiger Geschäftsmann" liebend gern mit Trump aufnehmen.

Was ist das Ergebnis?

Joe Biden gelang nach den Korruptionsvorwürfen gegen seine Familie mit einer schmallippigen Antwort nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Zudem dürfte er durch einige Versprecher und Verdreher Zweifel an seiner Fitness für das höchste Staatsamt kaum ausgeräumt haben. Allerdings machte Biden an einigen Stellen auch einen sehr kämpferischen und schlagfertigen Eindruck. Beispielweise, als er seine grosse Routine auf der weltpolitischen Bühne anpries und als er im Schlussstatement seine Stimme erhob, um an die Einheit Amerikas zu appellieren.

Bernie Sanders ist offenbar wieder der Alte und wird das Top-Duo Warren und Biden in den kommenden Monaten unter Druck setzen. Unter den übrigen Bewerbern machten vor allem die Senatoren Kamala Harris und Cory Booker sowie Pete Buttigieg Werbung in eigener Sache. Dass sie in den Umfragen noch zum Spitzentrio aufschliessen können, scheint aufgrund der grossen Abstände allerdings ziemlich ausgeschlossen.

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