Erst "Helene", jetzt "Milton": Zwei zerstörerische Stürme bestimmen derzeit das Leben von Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten – und längst auch den Präsidentschaftswahlkampf.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie-Christine Sandler sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Hurrikan "Milton", der voraussichtlich am Mittwochabend (Ortszeit) die Westküste Floridas erreichen wird, könnte einer der gefährlichsten in der Geschichte des Bundesstaates werden. Und er trifft ein Gebiet, in dem die Menschen noch mit den verheerenden Schäden kämpfen, die Sturm "Helene" vor anderthalb Wochen hinterlassen hat. Über 200 Menschen sind gestorben. Viele weitere drohen dazuzukommen.

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Während Millionen Einwohner flüchten oder sich – auf das Schlimmste gefasst – in ihren Häusern verbarrikadieren, schlachtet der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump die Katastrophe für seinen Wahlkampf aus. Vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl tobt in den USA so noch ein Sturm: aus Desinformation und Lügen.

Harris geisselt Trumps Verhalten als "verantwortungslos"

In den vergangenen Tagen hat Donald Trump unter anderem behauptet, dass ...

  • ... US-Präsident Joe Biden von den Demokraten für den republikanischen Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, nicht zu erreichen gewesen sei, als Sturm "Helene" Georgia traf. Kemp selbst widerlegte die Aussage. "Der Präsident rief mich (...) an. Ich habe seinen Anruf verpasst und rief ihn zurück. Er fragte: 'Was brauchst du?'", sagte Kamp in einem Interview. Biden habe betont, er könne ihn jederzeit direkt anrufen, wenn weitere Hilfe nötig sei. Biden kommentierte folglich: "Er (Trump; Anm. d. Red.) lügt, und der Gouverneur hat ihm gesagt, dass er lügt."
  • ... die Opfer von Sturm "Helene" nicht finanziell unterstützt würden, weil seine Konkurrentin um das Präsidentenamt, Kamala Harris, Milliarden Dollar der Katastrophenschutz-Organisation Fema (Federal Emergency Management Agency) für die Versorgung illegaler Migranten verpulvert habe. Zwar stimmt es, dass dem Katstrophenschutz das Geld auszugehen droht: Wie Politico berichtet, ist der Fema-Fonds für Reparatur- und Wiederaufbau nahezu ausgeschöpft, ebenso die Zuweisungen für Kredite an von Naturkatastrophen betroffene Unternehmen und Immobilienbesitzer. Richtig ist auch, dass der Kongress der Fema auch Mittel für Essen, Transport und Unterkunft für Flüchtlinge bereitstellt. Doch es handelt sich um getrennte Töpfe – wobei laut BBC jener für die Katastrophenhilfe mit rund 20 Milliarden Dollar pro Jahr ausgestattet ist, jener für die Migranten mit rund 500 Millionen jährlich.
  • ... Kamala Harris es sich bei Wein und leckerem Essen habe gut gehen lassen, während die Menschen in North Carolina mit Sturm "Helene" und den Folgen allein gelassen worden seien. "Keine Hubschrauber, keine Hilfe. Was dort passiert, ist sehr traurig", so Trump bei einem Wahlkampfauftritt. Dabei hatten die Streitkräfte der North Carolina National Guard bereits einen Tag zuvor auf "X" 146 Rettungseinsätze per Helikopter vermeldet. Über 530 Menschen und 150 Haustiere wurden demnach gerettet. Die Behörde für Öffentliche Sicherheit des Bundesstaates stellte klar, dass Präsident Biden ihrer Bitte nach militärischer Unterstützung nachgekommen sei.

Kamala Harris reagierte am Dienstag auf die Vorwürfe. Trump verbreite "eine Menge Fehlinformationen und Desinformationen" im Zusammenhang mit den zerstörerischen Stürmen, sagte sie zu Journalisten. Das sei "ausserordentlich unverantwortlich". Trump gehe es nur um sich selbst, nicht um die Opfer.

Wissenschaftler nennt Verschwörungstheorien "Gipfel menschlicher Arroganz"

Gleichzeitig streuen Anhänger der Republikaner im Netz die Verschwörungstheorie, dass die Demokraten die Stürme gezielt auf Bundesstaaten lenken lassen würden, in denen viele republikanische Wähler leben. Wissenschaftler sahen sich genötigt, der Mär von den Wetterkontrolleuren zu widersprechen. "Es ist der Gipfel menschlicher Arroganz, wenn man glaubt, die Macht zu haben, diese Energie zu lenken", zitiert NTV etwa den Hurrikanforscher Phil Klotzbach von der Colorado State University.

Dass Naturkatastrophen das Zeug haben, einen Wahlkampf zu beeinflussen, ist keine neue Erkenntnis. Man denke nur an Gerhard Schröder in Gummistiefeln nach der Hochwasserkatastrophe in Sachsen 2002. Doch in den USA scheint es nicht nur darauf anzukommen, wer sich als bessere(r) Krisenmanager(in) verkauft. Es geht einmal mehr um die Frage, ob Information oder Desinformation gewinnt.

Verwendete Quellen:

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