Der erwartete Schlagabtausch schrumpft manchmal zum netten Gespräch: Über 90 Minuten duellieren sich die beiden Vizepräsidentschaftskandidaten J. D. Vance und Tim Walz verbal – oder besser gesagt: tauschen sich aus, denn die TV-Debatte findet auf überraschend sachlichem Niveau statt, ohne persönliche Angriffe. Nur einmal wird es richtig hitzig drei Erkenntnisse des TV-Duells.

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Die beiden US-Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz und J. D. Vance haben ihren Parteien bei ihrem ersten und voraussichtlich einzigen TV-Duell gegenseitig politisches Versagen vorgeworfen. Der Republikaner Vance machte die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris mitverantwortlich für aktuelle Krisen, während Walz Harris verteidigte und vor einer Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus warnte.

Die über 90-minütige, vom US-Sender CBS live aus New York übertragene Debatte fand ohne Publikum statt. Walz und Vance durften keine Spickzettel verwenden oder Kontakt zu ihren Teams haben. Die Mikrofone blieben an, wurden aber von den Moderatorinnen Norah O'Donnell und Margaret Brennan stummgeschaltet, wenn sich die Kandidaten ins Wort fielen.

Wer schlug sich besser, wer hatte die stärkeren Argumente auf seiner Seite und brachte seine Themen überzeugend durch? Eine Befragung von CBS nach der Debatte ergab: 42 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer sehen Vance als Sieger, 41 Prozent Walz und 17 Prozent ein Unentschieden. Drei Erkenntnisse zum TV-Duell:

1. J.D. Vance' Strategie geht auf

Donald Trump hatte J.D. Vance in sein Team geholt, weil er wie Trump aggressiv, laut und in seiner Sichtweise auf für Trump wichtige Themen ähnlich radikal wirkt wie der Präsidentschaftskandidat der Republikaner selbst. Doch am Mittwochmorgen deutscher Zeit zeigte sich den Zuschauerinnen und Zuschauern ein ganz anderes Bild: Vance gab sich zurückhaltend, freundlich, zugewandt. Auch bei typischen Trump-Themen wie illegale Einwanderung oder Kriminalität zeigte er sich an vielen Stellen gemässigt, fast schon weltmännisch. Er nickte stellenweise bei Ausführungen seines Gegenübers Walz, gab ihm an einigen Stellen auch deutlich hörbar recht ein Verhalten, das man von Trump so nicht kennt.

Die Strategie Vance' war klar: Er wollte sich und damit auch Trump als wählbar für gemässigte und unentschlossene Wählerinnen und Wähler machen. Und das gelang dem 40-Jährigen. Vance widersprach dabei sogar zwischen den Zeilen Trump und milderte dessen Äusserungen ab, etwa beim Thema Abtreibung. Gleichzeitig zeigte er sich aber bei für Trumps Kampagne wichtigen Themen wie Kriminalität und illegale Einwanderung als Hardliner.

Wahlkampf in den USA - Debatte Vance Walz
Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance. © dpa / Matt Rourke/AP/dpa

Vance war zu Beginn von Trumps Präsidentschaft ein ausgesprochener Kritiker des Republikaners, diese Meinung wandelte sich allerdings, als er sechs Jahre später selbst ins politische Scheinwerferlicht trat und dafür auch Trump als Unterstützer umwarb. Auf die Frage, wie diese Wandlung zustande kam und inwiefern auch seine Glaubwürdigkeit darunter leide, entgegnete der dreifache Familienvater: "Ich habe mich in Bezug auf Donald Trump geirrt."

Er habe den Fehler gemacht, zu sehr "auf die Medien" gehört zu haben, die Trumps politische Bilanz "falsch dargestellt" hätten. Trump habe aber "geliefert", wenn man etwas missverstanden habe und daraufhin seine Meinung ändere, "dann sollte man dem amerikanischen Volk gegenüber ehrlich sein".

2. Tim Walz verpasst Chancen

Walz' Auftrag war klar: die Steilvorlage von Kamala Harris mit ihrem starken Auftritt im TV-Duell gegen Donald Trump aufgreifen und weitere Punkte im Rennen ums Weisse Haus machen. Das gelang dem Gouverneur des Bundesstaats Minnesota nur stellenweise.

Von Beginn an tat sich Walz schwer, mit dem überraschend zurückhaltenden und sachlich argumentierenden Vance umzugehen. Für Walz schien Vance nicht richtig greifbar. Immer dann, wenn der 60-Jährige Vance inhaltlich angehen wollte, verzettelte er sich in Details, kam nur selten zum Punkt. Vance dagegen nahm Walz mit seiner manchmal fast staatsmännisch wirkenden Reaktion oft den Wind aus den Segeln.

Wahlkampf in den USA - Debatte Vance Walz
Der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz. © dpa / Matt Rourke/AP/dpa

Dabei gab Vance seinem Kontrahenten durchaus Gelegenheiten, ihn inhaltlich zu fordern. Nur gelang das Walz zu selten. Gerade bei "klassischen" Demokraten-Themen wie Abtreibung, Vereinbarkeit von Beruf und Kindern oder dem Waffenrecht liess Walz zu viele Chancen ungenutzt. Nur selten wie beim Themenkomplex "Sturm auf das Kapitol" im Januar 2021, als es das einzige Mal hitzig wurde, oder der Frage nach illegaler Migration konnte Walz punkten. Aber auch da hätte der 60-Jährige klarer Stellung beziehen und vor allem Vance und Trump attackieren können.

Stattdessen beliess es Walz oft bei Gemeinplätzen, die nicht dazu beitrugen, den Unterschied zwischen Republikanern und Demokraten in diesen Fragen klar herauszustellen was aber im Hinblick auf unentschlossene Wählerinnen und Wählern, insbesondere in hart umkämpften Bundesstaaten, wichtig gewesen wäre.

3. Beide machen keine klaren Punkte bei "ihren" Themen

Nahost, Migration, Klimawandel, Abtreibung: Bei "ihren" Themen konnten beide Kontrahenten nur teilweise punkten. Der 60 Jahre alte Walz warnte zwar immer wieder vor einer erneuten Präsidentschaft Trumps, sowohl innenpolitisch als auch mit Blick auf die Weltlage. Angesichts der Situation im Nahen Osten komme es "auf eine solide Führung an", sagte der Gouverneur von Minnesota. "Donald Trump ist wankelmütig", führte er aus. Explizit erinnerte er an Trumps Bewunderung für Autokraten: "Er wird sich demjenigen zuwenden, der ihm am meisten schmeichelt oder wo es für ihn Sinn ergibt."

Dennoch blieb Walz dabei häufig vage, nagelte Vance bei dessen Erwiderungen nicht fest insbesondere, als Vance Trumps mehrfach widerlegte Aussagen zur angeblich gestohlenen Wahl 2020 wiederholte. Auf die direkte Frage Walz', ob Joe Biden denn die Wahl 2020 gewonnen habe, antwortete Vance: "Ich konzentriere mich auf die Zukunft." So war es für den Republikaner oft ein Leichtes, ebenfalls mit Gemeinplätzen wie "Trump hat während seiner Amtszeit für Stabilität gesorgt" zu reagieren.

Aber auch Vance machte bei "klassischen" Republikaner-Themen wie Waffenrecht nicht immer eine gute Figur. Er forderte zwar mehr Sicherheitsmassnahmen an Schulen, konnte allerdings nicht überzeugend darlegen, ob diese schliesslich auch einen besseren Schutz vor Waffengewalt böten. Stattdessen verwies er auf eine höhere Anzahl von Menschen "mit psychischen Problemen" in den USA im Vergleich zu anderen Ländern als Grund für das massive Problem mit Waffengewalt in den Vereinigten Staaten. Punkten konnte er beim Thema illegale Migration aber wohl nur bei ohnehin republikanischen Wählerinnen und Wählern. (szu)

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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