Donald Trumps Chancen auf eine Wiederwahl als US-Präsident scheinen zu schwinden: Die Umfragen sehen derzeit den demokratischen Herausforderer Joe Biden vorne. Trump hat sich deshalb einen neuen Wahlkampfmanager geholt. Richtig neu ist Bill Stepien allerdings gar nicht: Er hat schon viele aussichtslos erscheinende Wahlen gewonnen - zum Beispiel 2016 mit Trump.
Ein demokratischer Bürgermeister verweigert dem republikanischen Gouverneur im Wahlkampf die Unterstützung. Dessen Team wendet sich daraufhin an einen Vertrauten in der Verkehrsbehörde. Einige Wochen später versinkt die Stadt des renitenten Bürgermeisters in einem Verkehrschaos, weil eine der wichtigsten Brücke gesperrt ist.
Was klingt wie aus einem Mafia-Film, ist eine wahre Geschichte, die sich 2013 an Amerikas Ostküste abgespielt hat. Zentraler Schauplatz ist die George-Washington-Brücke über den Hudson River, die den New Yorker Stadtteil Manhattan mit dem Bundesstaat New Jersey verbindet, von Millionen Autofahrern gehasst wird und - passenderweise - auch einmal als Schauplatz der Mafia-Serie "Die Sopranos" diente. Ein idealer Rahmen für eine Geschichte über skrupellose Politiker also.
Für den aufstrebenden Gouverneur
US-Wahl 2020: Höchste Zeit für eine neue Strategie
Knapp drei Monate vor der Präsidentschaftswahl und nach einer gescheiterten Kundgebung im Bundesstaat Oklahoma hat Trump seinen bisherigen Wahlkampfmanager Brad Parscale degradiert und durch Stepien ersetzt.
Trumps Umfragewerte sind historisch schlecht, die Wirtschaft darbt, die Corona-Situation ist in den USA ausser Kontrolle - unter diesen Umständen soll der 42-Jährige nun schaffen, was selbst wohlmeinende Beobachter für ein kühnes Unterfangen halten: die Wahl im November für Trump zu gewinnen.
Mit Stepien leitet Trump einen Paradigmenwechsel innerhalb seiner Kampagne ein. Hatte sein Vorgänger auf den Wahlkampfveranstaltungen jede Kamera gesucht, die sich ihm in den Weg stellte, auf der Bühne dem Publikum eingeheizt und mit Trumps Wahlkampfbudget seine eigene Facebook-Seite beworben, ist Stepien das genaue Gegenteil.
Er arbeitet hinter den Kulissen, liebt Datenkolonnen mehr als Fotos und gilt selbst seinen Gegnern als disziplinierter Vollprofi. "Er ist ein Typ, der allergisch auf die Aufmerksamkeit der Presse oder der Öffentlichkeit reagiert, ganz gleich, um welche Art von Aufmerksamkeit es sich handelt", lässt sich sein ehemaliger Chef Chris Christie zitieren.
Bereits als Student macht sich Stepien 1997 als Kampagnenleiter des Abgeordneten Anthony R. Bucco aus New Jersey einen Namen. Tag und Nacht verbringt er im Hauptquartier der Wahlkampagne und nach dem Hockeytraining verschickt er Handzettel an Nichtwähler, um sie daran zu erinnern, ihren Stimmzettel rechtzeitig abzugeben. Sein Abgeordneter gewinnt die Wahl.
Einen weiteren Erfolg, mit dem er sich der Washingtoner Politik empfiehlt, verbucht er als Wahlkampfleiter des Republikaners Bill Baroni, der 2003 bei einer Wahl den demokratischen Amtsinhaber auf traditionell linkem Pflaster schlägt. Mike DuHaime, geachteter Politikberater aus New Jersey, holt Stepien daraufhin in seine Beratungsfirma - eine Tätigkeit, die ihm unter anderem Positionen im Präsidentschaftswahlkampf von Rudy Giuliani und John McCain einbringt.
Bill Stepien: Akribischer Arbeiter
Einem grösseren Publikum wird Stepien dann als Wahlkampfmanager für Chris Christie bei dessen erster Kandidatur als Gouverneur von New Jersey und seiner späteren Wiederwahl bekannt.
Obwohl er nach dem "Bridgegate"-Skandal und den anschliessenden Prozessen rund 700-mal in den Gerichtsakten auftaucht, wird er juristisch nie belangt. Während seine Kollegin, die Stabschefin Bridget Anne Kelly, zu einer Haftstrafe von 13 Monaten verurteilt wird, rettet sich Stepien in Trumps Team. Dessen Familie lernt Stepien über Jared Kushner kennen, den Schwiegersohn des US-Präsidenten; die beiden verbindet eine enge Freundschaft.
Nach dem Wahlsieg 2016 wird Stepien zum politischen Direktor des Weissen Hauses ernannt, einem klassischen Spin-Doctor-Posten, auf dem er Funktionäre und Lobbyisten auf Trump-Linie einschwören soll.
Sein Tag im Weissen Haus beginnt um sechs Uhr im Fitnessstudio und endet nicht, bevor er ein Bulletin an den damaligen Stabschef John Kelly geschickt hat, in dem er sein Tageswerk detailliert auflistet. "Er sieht gerne Zahlen: Gefällt ihnen, was wir sagen? Gefällt ihnen, was sie hören? Er möchte Echtzeit-Feedback zu all diesen Metriken", so ein Mitarbeiter zum Magazin "Politico".
Stepien darf Trump widersprechen
Den Präsidenten sieht er ein- bis zweimal pro Woche. Offenbar wächst in dieser Zeit das Vertrauen, denn Stepien kann dem Präsidenten etwas geben, das dieser sonst überhaupt nicht schätzt: Widerspruch. "Er ist jemand, der in der Lage ist, einen offenen und ehrlichen Dialog mit dem Präsidenten zu führen", beschreibt es der republikanische Abgeordnete Jeff Van Drew.
Widerspruch ist in dieser späten Phase des Wahlkampfes längst überfällig. Weniger als 100 Tage vor der Wahl liegen Trumps Zustimmungswerte bei nur noch 41 Prozent, ein historisch schlechter Wert. Sein demokratischer Herausforderer
Doch auch 2016 konnte Stepien als Mitglied von Trumps Kampagne mitverfolgen, wie alle Umfragen auf Hillary Clinton als Wahlsiegerin hindeuteten und ein verloren geglaubter Wahlkampf am Ende ins Weisse Haus führte.
"Mit 109 verbleibenden Tagen ist unser Ziel klar - jeden Tag, der uns bis zum Wahltag bleibt, zu gewinnen", schrieb Stepien in seiner ersten Erklärung als Wahlkampfleiter. "Wenn wir mehr Tage gewinnen als Joe Biden gewinnt, wird Präsident Trump wiedergewählt."
Das allein ist aber noch keine Strategie. Diese soll nun vor allem aufs Internet ausgerichtet werden, also auf den Ort, an dem auch Barack Obama als Underdog einst seine Wahl gewonnen hatte. So sollen Trumps Wahlversprechen in massgeschneiderte, zielgerichtete Werbung verpackt werden und Wähler in Vorstädten erreichen, wo Biden als Kandidat der Steuererhöhungen und Sicherheitsrisiken gebrandmarkt werden soll. Und am Ende soll die Wiederwahl stehen.
Verwendete Quellen:
- Politico: "Power List: Bill Stepien"
- New York Times: "Bill Stepien Takes Helm of Trump Campaign as a Data-Obsessed Political Fighter"
- CNN: "Trump's new campaign manager joined 2016 bid amid similarly sinking battleground polling"
- Business Insider: "Inside the life and career of Trump's newly-appointed campaign manager"
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.