Die Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin hat Ursula von der Leyen gewonnen, allerdings nur knapp. Doch Manfred Weber scheint die Stimmverteilung anders zu beurteilen und spricht von einem klarem Signal der Unterstützung für die Politikerin.

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383 von insgesamt 747 Stimmen erhielt Ursula von der Leyen bei ihrer Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin. Damit lag die scheidende Verteidigungsministerin gerade einmal neun Stimmen über der für das Amt notwendigen absoluten Mehrheit. Ein denkbar knappes Ergebnis.

Manfred Weber sieht das anscheinend anders. Im Nachgang der Wahl sagte der EVP-Fraktionsvorsitzende gegenüber dem "Deutschlandfunk", dass das Europaparlament von der Leyen ein klares Signal seiner Unterstützung gegeben hätte.

Von der Leyen: "Mehrheit ist Mehrheit"

Vorsichtig ausgedrückt: eine irritierende Aussage. Von der Leyen nahm das knappe Ergebnis sportlich, betonte nach dem Ergebnis vom Dienstagabend, dass in einer Demokratie "die Mehrheit die Mehrheit" sei.

Zum Vergleich: Amtsvorgänger Jean-Claude Juncker wurde 2014 mit 422 Stimmen zum Kommissionspräsidenten gewählt. Bei 250 Gegenstimmen, 47 Enthaltungen und zehn ungültigen Stimmen, entspricht das immerhin rund 58 Prozent der Stimmen.

Weber betonte im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" allerdings, dass man die Umstände der Wahl bei der Bewertung des Ergebnisses beachten müsse. Von der Leyen habe nur sehr wenig Zeit gehabt, bei den Parlamentariern für sich zu werben.

Zudem werde ihr Mandat dadurch gestärkt, dass sie die volle Unterstützung des Europäischen Rats auf ihrer Seite habe, so Weber.

Unmut über Nominierung

Dass von der Leyen weniger Unterstützung im Parlament als ihr Vorgänger erhalten sollte, war bereits im Vorfeld der Abstimmung absehbar gewesen.

Nach ihrer direkten Nominierung durch die Staats- und Regierungschefs vor rund zwei Wochen hatte es viel Unmut gegeben, weil die CDU-Politikerin nicht als Spitzenkandidatin zur Europawahl aufgestellt worden war.

Da sich das Parlament nicht auf einen der Spitzenkandidaten - Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP) und Frans Timmermans von den Sozialdemokraten - einigen konnte, entschieden sich die EU-Staats- und Regierungschefs anders und präsentierten von der Leyen völlig überraschend als Kandidatin.

Sowohl die EU-Abgeordneten der SPD als auch der Grünen und Linken hatten wegen der Kritik an von der Leyens Nominierung und inhaltlicher Differenzen angekündigt, gegen ihre Wahl zur Kommissionspräsidentin zu stimmen.

Die EVP, die Liberalen und die Mehrheit der sozialdemokratischen Abgeordneten im Parlament signalisierten hingegen schon vor der Abstimmung ihre Unterstützung.

Rechtskonservative als Zünglein an der Waage

Neben den 327 Gegenstimmen gab es bei der Wahl am Dienstag auch 22 Enthaltungen und eine ungültige Stimme. Angesichts der knappen Mehrheit warfen Kritiker von der Leyen vor, nur mit Stimmen der nationalkonservativen Fraktion gewonnen zu haben. So seien laut AfD-Chef Jörg Meuthen die Abgeordneten der rechtskonservativen polnischen Regierungspartei PiS das Zünglein an der Waage gewesen.

Auch Grünen-Politiker Sven Giegold betonte das knappe Ergebnis. "Das war haarscharf", sagte er nach der Abstimmung in Strassburg. "Sie hat es gerade so geschafft und nur mit der Unterstützung der Anti-Europäer." Er selbst habe von der Leyen nicht gewählt, so Giegold. "Grüne Stimmen gibt es nur für grüne Inhalte."

Als Kommissionspräsidentin wird von der Leyen Oberhaupt der EU-Exekutive. Die ihr unterstellte Kommissionsbehörde fasst mehr als 30.000 Mitarbeiter und ist dafür zuständig, Gesetzesvorschläge einzubringen und die Gesetze der EU zu überwachen.

Damit kann von der Leyen während ihrer fünfjährigen Amtsperiode die politischen Prioritäten der EU und die Ausrichtung Brüssels massgeblich mitbestimmen.

Verwendete Quellen

  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
  • Deutschlandfunk: "Weber: von der Leyen hat ein starkes Mandat"
  • Homepage des Europäischen Parlaments: "Europäisches Parlament wählt Jean-Claude Juncker zum Präsidenten der EU-Kommission"
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