Das populärste Wahlsystem der Schweiz bietet die Möglichkeit, Kandidierende von einer Wahlliste zu streichen. Das führt zu Diskriminierung: Bestraft werden etwa Kandidierende mit ausländischen Nachnamen. Solche werden gegenüber jenen mit Schweizer Namen öfter gestrichen, wie eine Studie zeigt.
Personen, die ursprünglich aus dem Ausland stammen, machen rund einen Achtel der Schweizer Wählerschaft aus. Das entspricht 12,5%.
Im Vergleich zu ihrer Grösse ist diese Gruppe der zugewanderten Schweizerinnen und Schweizer aber in den Parlamenten und Regierungen untervertreten.
Ein Faktor für diese Situation ist das diskriminierende Potenzial des am weitesten verbreiteten Wahlsystems der Schweiz. Dieses kommt auf allen drei Ebenen – national, kantonal, kommunal – zum Einsatz.
Wählende können auf der Kandidatenliste ihrer Partei nicht nur positive Präferenzen angeben, sondern auch negative. Das heisst, sie können ihre Favoriten wählen und missliebige Kandidierende von der Liste streichen.
Nun zeigt eine Studie der lokalen Wahlen in sechs Gemeinden des Kantons Zürich, dass es tatsächlich eine solche Diskriminierung gibt. Durchgeführt wurde die Untersuchung von Nenad Stojanovic, Forscher und Dozent in Politikwissenschaften an der Universität Luzern, und seiner Assistentin Lea Portmann.
"Unter Berücksichtigung aller anderen möglichen Parameter", verlieren Kandidierende mit ausländisch klingenden Nachnamen wegen der Streichmöglichkeit "im Schnitt 1,4 Positionen auf den Listen gegenüber jenen mit Schweizer Nachnamen", sagt Stojanovic.
Dies sei zwar "nicht enorm, reicht aber manchmal aus, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin nicht gewählt wird", so der Politologe, der 1992 aus Bosnien in die Schweiz gekommen war.
Diese Diskriminierung wird wahrscheinlich in den Mittelpunkt von Debatten rücken, auch im Zusammenhang mit einer laufenden Unterschriftensammlung für eine Petition der Bewegung "Stimme der gewählten MigrantInnen für alle".
Diese fordert Parteien und Wahlberechtigte auf, "die politische Teilhabe und die Integration der Menschen mit Wurzeln ausserhalb der Schweiz aktiv zu unterstützen".
Weitere Studien
In der Zwischenzeit haben Stojanovic und Portmann ihre Analysen ausgeweitet. Gegenwärtig führen sie eine ähnliche Studie zu den Eidgenössischen Wahlen 2015 durch.
"Wir wollen beispielsweise sehen, ob es Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt, oder zwischen den Sprachregionen. Wir sind bereits auf einem guten Weg", sagt Stojanovic. Die Resultate sollen vor den nächsten nationalen Wahlen vom Herbst 2019 vorliegen.
Geschlechtsspezifische Diskriminierung bei der Streichung von Kandidierenden gab es laut der bereits veröffentlichten Studie bei den Kommunalwahlen 2014 im Kanton Zürich keine.
Benachteiligung von Frauen könnte aber in anderen Kantonen durchaus der Fall gewesen sein. Um dies herauszufinden, brauche es vertiefte Studien, so die Experten.
Eines aber ist bereits sicher: Das Wahlsystem mit der Streichmöglichkeit von Kandidierenden begünstigt diskriminierendes Verhalten nicht nur gegenüber Mitbürgern mit ausländischen Namen, sondern gegenüber weiteren Gruppen.
So habe sich in der Zürcher Studie gezeigt, dass in unqualifizierten Berufen tätige Kandidierende häufiger gestrichen wurden als solche, die in angesehenen Berufen tätig waren.
© swissinfo.ch
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