Deutschland ist das Ziel vieler Flüchtlinge, die derzeit aus Syrien nach Europa kommen. Doch wie ist die Lage in anderen Regionen der Welt? Wie gehen Regierungen ausserhalb von Europa mit den Flüchtlingsströmen um?

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Es war eine Entscheidung mit grosser Tragweite: Als Deutschland vor zwei Wochen beschloss, syrische Flüchtlinge nicht mehr in ihre Ankunftsländer zurückzuschicken, schien sich die Meldung wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Seitdem reisen jeden Tag Tausende Syrer nach Deutschland. Gerade deshalb ist die Entscheidung alles andere als unstrittig: Während die einen die grenzenlosen Hilfsbereitschaft loben, kritisieren die anderen, Berlin setzte damit Gesetze ausser Kraft.

Solche Kritik lässt sich jedoch nur schwer nachvollziehen, blickt man über Europa hinaus auf andere Teile der Welt. Denn dort zeigt sich immer wieder ein klares Bild: Staaten, die sich vehement dagegen wehren, Flüchtlinge überhaupt aufzunehmen. Wir stellen beispielhaft drei Regionen vor, die mehr leisten könnten – und erklären, warum sie es nicht tun:

Golfstaaten

Öl und Gas haben sie reich gemacht – doch von der Not in den Nachbarländern wollen die Golfstaaten nichts wissen. Nur 661 Flüchtlinge hat Saudi-Arabien laut den aktuellsten UN-Angaben vom Dezember 2014 aufgenommen, 221 sind es in Katar, 1.652 in Kuwait. "Man kommt offiziell nicht rein. Man kommt etwa nach Saudi Arabien nur, wenn sie ein Pilger oder beruflich dort sind – aber gegen Flüchtlinge wehren sich die Golfstaaten strikt", sagte Günter Meyer vom Geographischen Institut der Universität Mainz dem Online-Radio "Detektor.FM".

Das Motiv der Golfstaaten: Die autoritären Regime fürchten sich vor sozialen Unruhen und Überfremdung. 30 Prozent der Einwohner in Saudi-Arabien sind Ausländer, in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind es sogar mehr als 85 Prozent. Sie alle benötigen jedoch einen Bürgen und sind nur als Gastarbeiter im Land geduldet – und nicht etwa unbefristet, wie das bei Flüchtlingen der Fall wäre. Zwar sind in den vergangenen Jahren viele Syrer mit Arbeits-, Touristen- oder Pilgervisa in die Golfstaaten gekommen und manche von ihnen auch illegal untergetaut. Doch inzwischen schauen die Behörden schon bei der Einreise deutlich genauer hin – die Angst vor Reformforderungen und mangelnder Kontrolle dominiert das ganze System.

USA

1.500 – diese winzige Zahl an syrischen Flüchtlingen haben die USA seit 2011 aufgenommen. So viele Menschen kommen derzeit an einem halben Tag in München an. Politische Kommentatoren kritisieren, die Zahl sei ein schlechter Witz für ein Land, das in den vergangenen Jahren mit Bomben und Soldaten im Nahen Osten fleissig mitgemischt habe. Auch bis Ende 2016 wollen die USA lediglich 8.000 Syrer aufnehmen. Josh Earnest, der Sprecher von Präsident Barack Obama, liess verlauten: "Europa hat die Kapazität, dieses Problem selber zu lösen." Das bestätigt auch der jüngste vorsichtige Versuch Hilfe anzubieten: Man fühle sich natürlich "verpflichtet", mehr Syrer aufzunehmen, sagte Kerry nach einem Treffen im Kongress. Auch die jährliche Gesamtquote der USA soll um 5.000 auf 75.000 Flüchtlinge ansteigen. Dabei betonte er allerdings, dass dies nur eine der diskutierten Möglichkeiten sei.

Tausende Kilometer entfernt, umgeben von riesigen Ozeanen, fallen solche Worte leichter als in direkter Nachbarschaft zu Syrien. Tatsächlich beschäftigen sich die USA mehr mit illegalen Einwanderern aus Mexiko im Süden. Vor allem aber prägen das Land weiterhin die traumatischen Erinnerungen vom 11. September 2001: Abgeordnete und Regierung fürchten, dass sich unter die Flüchtlinge potenzielle Terroristen von Al-Kaida oder dem Islamischen Staat (IS) mischen könnten. Der republikanische Abgeordnete Peter King betonte: "Wir brauchen eine sehr, sehr sorgfältige Sicherheitsüberprüfung." Ein Asylverfahren kann in den USA deshalb zwei Jahre und länger dauern – sofern es überhaupt dazu kommt. Denn auch wenn gerade macht das Land der unbegrenzten Hoffnung wieder einmal nur eines: sich abschotten.

Australien

Seit mehr als einem Jahr beteiligt sich Australien an den Luftangriffen gegen den IS, doch beim Thema Flüchtlinge hielt sich die Regierung in Canberra bisher zurück. Stattdessen fällt das Land dadurch auf, dass es Flüchtlingsboot vor seiner Küste systematisch abfängt, die Menschen zurückschickt (etwa nach Vietnam oder Indonesien) oder in Aufnahmelager in dem Inselstaat Nauru und in Papua-Neuguinea bringt. Offiziell begründet die Regierung von Tony Abbott ihre "Operation Sovereign Borders" seit 2013 damit, Bootsflüchtlinge vor dem Ertrinken retten zu wollen. Doch Beobachter werfen Australien vor, sich nur um den eigenen Lebensstandard zu sorgen – und dafür sogar internationales Recht zu brechen. Zwar kündigte die Regierung nun an, zusätzlich zu den bisher 13.750 Flüchtlingen 12.000 weitere aufzunehmen. An ihrer radikalen Asylpolitik wird dies jedoch kaum etwas ändern.

Nicht jedes Ziel ist für Flüchtlinge erreichbar

Die geringe Bereitschaft in den Golfstaaten, den USA und Australien steht in keinem Verhältnis zur schieren Menge an syrischen Flüchtlingen. Mehr als vier Millionen leben laut UN im Ausland, zwei Millionen davon allein in der Türkei, eine Million im Libanon. Und diese Länder haben nur 75 Millionen beziehungsweise fünf Millionen Einwohner – und nicht 320 Millionen wie die USA. Dennoch sind die vier Millionen nicht der grösste Teil der syrischen Flüchtlinge. Die meisten von ihnen suchen noch immer eine neues Zuhause im eigenen Land; rund 7,6 Million sind derzeit als Binnenflüchtlinge unterwegs.

Experten überrascht eine solche Verteilung nicht. Denn wie Migrationsforscher Jochen Oltmer von der Universität Osnabrück im Gespräch mit unserem Portal erklärte, ist Geld der entscheidende Faktor für die Wahl der Flüchtlingsziele. Und der kann schnell zur unüberwindbaren Hürde werden. Schon für Schlepperrouten nach Europa zahlen viele Flüchtlinge fünfstellige Beträge – und opfern damit ihr letztes Geld oder leihen es sich sogar von Verwandten. Eine längere Route nach Übersee liegt damit fernab ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Zwar gibt es auch positive Beispiele, etwa aus Südamerika. Dort hat Brasilien bisher 2.000 Syrier aufgenommen. Gerade kündigten noch weitere Staaten Aufnahmeprogramme an, Venezuela möchte 20.000 Asylbewerbern eine Heimat geben. Doch Europa wird schon wegen seiner geografischen Nähe zu Krisenherden im Nahen Osten auch in Zukunft den Löwenanteil an Flüchtlingen schultern müssen.

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