- Wenn in Deutschland von Flüchtlingen die Rede ist, dann sind damit aktuell vor allem Menschen aus der Ukraine und dem Nahen Osten gemeint.
- Aber weltweit sind inzwischen über 100 Millionen Menschen auf der Flucht – viele auch aus und in Ländern, die in der deutschen Debatte kaum eine Rolle spielen.
- Wussten Sie, dass Venezuela zu den Ländern mit den meisten Flüchtlingen gehört und die Türkei das grösste Aufnahmeland ist? Wir nennen fünf Fakten, die häufig vergessen werden.
Es ist eine Zahl von schier unvorstellbarer Grösse: Mehr als 100 Millionen Menschen, etwa ein Prozent der Weltbevölkerung, sind aktuell auf der Flucht. Ende vergangenen Jahres hatte das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) noch eine Zahl von 89,3 Millionen Menschen genannt, doch der Krieg in der Ukraine hat für einen traurigen Rekord gesorgt.
Besonders stark betroffen von den weltweiten Fluchtbewegungen sind Kinder – sie machen einen Anteil von etwa 42 Prozent aus und sind damit deutlich überrepräsentiert. Krieg und Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Hunger sowie Klima und Umwelt sind die häufigsten Gründe, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen. Wir nennen fünf Fakten, die in Deutschland oft vergessen werden.
1. Aus nur fünf Ländern...
...kommen mehr als zwei Drittel der Flüchtlinge. Mit 6,8 Millionen Menschen verzeichnet Syrien die meisten Flüchtlinge, gefolgt von Venezuela (4,6 Millionen), Afghanistan (2,7 Millionen), dem Südsudan (2,4 Millionen) und Myanmar (1,2 Millionen).
Während andauernde Kämpfe und Gewalt zahlreiche Menschen in Syrien, Afghanistan und Südsudan zur Flucht zwingen, hat in Venezuela eine sozioökonomische Krise für Hunger und Armut gesorgt. Aus Myanmar flieht eine verfolgte muslimische Minderheit.
2. Türkei ist grösstes Aufnahmeland
Weit mehr als zwei Drittel, nämlich 72 Prozent der Flüchtlinge, leben in Nachbarländern. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Türkei, mit einer Grenze zu Syrien, Irak und Iran das weltweit grösste Aufnahmeland ist. Laut UNHCR sind hier zuletzt 3,8 Millionen Menschen angekommen.
Zu den grössten Aufnahmeländern gehört somit auch Venezuelas Nachbar Kolumbien (1,8 Millionen), Afghanistans Nachbar Pakistan (1,5 Millionen) und das an den Südsudan grenzende Uganda (1,5 Millionen). Mit einer Aufnahmezahl von zuletzt 1,3 Millionen Menschen zählt auch Deutschland zu den fünf grössten Aufnahmeländern weltweit.
3. 48 Millionen fliehen im eigenen Land
Binnenvertriebene stellen eine der grössten Gruppen von schutzbedürftigen Menschen dar. Ende 2020 waren es etwa 48 Millionen Menschen. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das Problem: Binnenvertriebene fliehen innerhalb von Landesgrenzen – als Flüchtlinge nach dem Völkerrecht werden Zivilisten aber erst anerkannt, wenn sie eine internationale Grenze überschreiten, um in einem anderen Land Zuflucht zu suchen.
Im Land mit den meisten Binnenvertriebenen – in Syrien (6,9 Millionen) – ist der Bürgerkrieg die Hauptursache für Flucht. Auch in Kolumbien (6,8 Millionen) zwingen kriegerische Auseinandersetzungen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. In der Demokratischen Republik Kongo (5,4 Millionen) herrscht eine politisch-ökonomische Krise, während Menschen im Jemen (4,3 Millionen) und Äthiopien (3,6 Millionen) vor allem unter Hunger leiden.
4. Ein Klima-Exodus droht
Der Klimawandel könnte bald die grösste Fluchtursache sein. Die Weltbank schätzt, dass es bis 2050 mehr als 140 Millionen Klimaflüchtlinge geben könnte. Weil die Folgen des Klimawandels immer mehr Menschen ihre Existenzgrundlage entziehen, verlassen sie ihr Heimatland.
Während Somaliland, Äthiopien und Jemen von Dürren geplagt sind, sorgen Überschwemmungen in Folge des steigenden Meeresspiegels für die Zerstörung von Ackerflächen. Zu den knappen Ressourcen kommen oft parallel rasant wachsende Bevölkerungen hinzu. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention gibt es bislang aber keine Klima- oder Umweltflüchtlinge. Dort finden nur Menschen Anerkennung, die aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe fliehen.
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5. Die Zahl der Rückkehrer sinkt
Immer weniger Menschen kehren freiwillig in ihre Heimat zurück. Während der UNHCR in den zehn Jahren zwischen 1990 und 2000 noch 15,3 Millionen Rückkehrer zählte, waren es seitdem in einem Zeitraum von über 20 Jahren etwa vergleichbar viel. 2020 kehrten rund 251.000 Flüchtlinge in ihre Heimat zurück, hinzukommen 3,2 Millionen Binnenvertriebene.
Die Corona-Pandemie sorgt zusätzlich für rückläufige Zahlen. Die meisten Rückreisen erfolgen nach Syrien, Südsudan und in die Zentralafrikanische Republik. Deutschland unterstützt freiwillige Rückkehrer finanziell und bei der Planung einer sicheren Reise.
Verwendete Quellen:
- UNHCR: Zahlen und Fakten zu Menschen auf der Flucht
- UNHCR: Rückkehrer
- Bundeszentrale für politische Bildung: Umwelt- und Klimaflüchtlinge
- UNHCR: Informationen zu Binnenvertriebenen
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