Taten statt Worte, auch bei der sorgsamen Landnutzung - das muss nach Meinung des Weltklimarats das Motto der kommenden Jahre sein. Die Erderwärmung könnte die Versorgung mit Lebensmitteln beeinträchtigen.
Beim Kampf gegen die Erderhitzung sind eine schnelle Umkehr in der Landwirtschaft und ein besserer Waldschutz entscheidend. Zu diesem Ergebnis kommt der Weltklimarat IPCC in einem Sonderbericht über den Zusammenhang des Klimawandels und der Landnutzung. Der am Donnerstag in Genf präsentierte Report besagt zudem, dass die Temperatur über den weltweiten Landflächen seit der vorindustriellen Zeit bereits um 1,53 Grad gestiegen ist.
"Die Landflächen stehen unter einem wachsenden, von Menschen erzeugten Druck", sagte der Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, Hoesung Lee. Zugleich liege im Umgang mit dem Land auch ein Teil der Lösung. "Aber die Landflächen können es nicht alleine richten." Umweltschützer und zahlreiche Wissenschaftler sehen in dem Bericht den Beleg, dass schnelles Handeln in möglichst vielen Bereichen unumgänglich ist. Agrarministerin
Die Autoren des Berichts, 107 Forscher aus 52 Ländern, gehen unter anderem davon aus, dass die Zahl, Dauer und Intensität von Hitzewellen sowie Dürren nicht zuletzt rund um das Mittelmeer zunehmen werden. In vielen Regionen werden zudem häufiger extreme Regenfälle vorkommen. Zugleich sieht der IPCC Gefahren für die Versorgung mit Lebensmitteln. "Die Stabilität des Nahrungsmittel-Angebots wird voraussichtlich sinken, da das Ausmass und die Häufigkeit von Extremwetter-Ereignissen, die die Lebensmittelproduktion beeinträchtigen, steigen wird."
Derzeit seien rund 820 Millionen Menschen weltweit unterernährt. Ihre Zahl steigt nach UN-Daten seit einigen Jahren wieder. Laut IPCC leben rund 500 Millionen Menschen in Gebieten, die von Versteppung bedroht sind. Diese Regionen seien umso anfälliger für Wetterextreme wie Dürren, Hitzewellen und Staubstürme.
Es geht laut IPCC nun auch darum, die gesamte Kette der Erzeugung und des Konsums von Nahrungsmitteln zu überdenken. Eine eindeutige Empfehlung für vegetarische Kost wollen die Autoren nicht abgeben, werben aber letztlich für eine ausgewogene Ernährung, die verstärkt auf Gemüse und Getreide setzt. Die Zucht von Schweinen und Rindern benötigt mehr Platz, zudem entstehen mehr Treibhausgase als beim Anbau der gleichen Menge von Proteinen in Bohnen oder Linsen.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) setzt mit Blick auf den Report auf mehr Ökolandbau in Deutschland. Ein Anteil von 20 Prozent sei schon lange das Ziel, sagte sie in Berlin. Um dies zu erreichen, müsse die Agrarförderung der EU andere Anreize setzen. 2018 lag der Anteil bei 9,1 Prozent. Agrarministerin Klöckner brachte eine neue "Ackerbaustrategie" ins Gespräch, die noch in diesem Jahr vorgelegt werden solle. "Ressourcen- und Klimaschutz müssten mit Ertrags- und Erntesicherung zusammengebracht werden", mahnte sie auch angesichts der hungernden Menschen weltweit.
Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte, die Landwirtschaft müsse weltweit mehr Lebensmittel auf den vorhandenen Flächen erzeugen und dabei weniger Treibhausgase ausstossen, statt für neue Agrarflächen Wälder abzuholzen. Dem stehe das neue Freihandelsabkommen zwischen dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur und der Europäischen Union entgegen. Kritiker gehen davon aus, dass es die Nachfrage nach argentinischem Rindfleisch steigern könnte.
Göring-Eckardt: "Ein weiteres Alarmsignal"
Die derzeit genutzten Landflächen könnten die Welt trotz Klimawandel ernähren und Biomasse für erneuerbare Energien bereitstellen, betonte Mitautor Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. "Aber es sind schnelle und weitreichende Aktionen in verschiedenen Bereichen nötig – auch für den Schutz und die Renaturierung von Ökosystem und der Biodiversität."
Grünen-Fraktionschefin
Der weltweite Temperaturanstieg liegt im Vergleich zur vorindustriellen Zeit laut Bericht insgesamt bei 0,87 Grad. Über den Landflächen liegt er bereits bei 1,53 Grad, weil sich diese schneller erhitzen als die Meeresflächen. Verglichen wurden die Zeiträume 1850 bis 1900 und 2006 bis 2015. Der Klimarat hatte 2018 vor den Folgen gewarnt, falls die globale Temperatur über 1,5 Grad steigen sollte.
Nach Ansicht des WWF zeigt der Bericht, dass die Welt an einem Wendepunkt steht. "Politik und Wirtschaft stehen in der Pflicht, Strategien etwa für eine nachhaltigere Landwirtschaft und die Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu entwickeln und umzusetzen", sagte Rolf Sommer von WWF Deutschland. "Entweder wir handeln jetzt zu Gunsten unserer Erde, oder wir handeln weiter auf unser aller Kosten." Mitautor Pörtner lobte in diesem Zusammenhang das Engagement der Jugend etwa über die Bewegung "Fridays for Future". "Diese Mobilisierung der Gesellschaft hat Wahlen beeinflusst", sagte Pörtner. "Das ist eine Motivationskette, die wirkt."
Greenpeace bezeichnete den Bericht als "dringenden Aufruf" zur Agrarwende. "Der Land-Sektor muss nun stärker in die nationalen Beiträge zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens einfliessen", erklärte Christoph Thies, Waldexperte bei Greenpeace. Er kritisiert am Report aber, dass die massive Aufforstung sehr unkritisch gesehen werde. "Wir bevorzugen die Alternative der Renaturierung von Ökosystemen wie Wäldern und Mooren." So entstünden zugleich Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten.
Die Land- und Forstwirtschaft steuert laut IPCC rund 23 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase bei. "Hier liegt sehr viel Potenzial", sagte die deutsche Mitautorin des Berichts, Almut Arneth aus Karlsruhe. Das Pariser Klimaabkommen legte 2015 das Ziel fest, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dazu müssten die Staaten den Netto-Ausstoss ihrer Treibhausgase stark reduzieren. Einige wollen grosse Flächen für neue Wälder nutzen, die die Treibhausgase aus der Atmosphäre ziehen sollen. In Verbindung mit dem Ziel der Lebensmittelsicherheit für die gesamte Bevölkerung drohen so Landkonflikte - zusätzlich zu den Entwicklungen, die der Klimawandel bereits jetzt ausgelöst hat. (br/dpa)
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